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Dynamik treibt Kosten hoch

Rundtischantriebe: Servo- und Direktantrieb bieten Vorteile
Dynamik treibt Kosten hoch

Direktantriebe versprechen in Rundtischen eine höhere Dynamik bei hoher Präzision, weil sie auf ein Getriebe verzichten. Doch sie sind sehr teuer. Deswegen können die günstigeren Servoantriebe mit Präzisionsgetrieben durchaus die sinnvollere Alternative sein.

Letztlich spielen die Kosten immer die entscheidende Rolle. Das trifft auch auf die Montageautomation mit Rundtischen zu. „Hohe Dynamik, hohe Drehzahl und kurze Schaltzeiten sprechen für den Direktantrieb“, berichtet Michael Schenk, Leiter Entwicklung und Standardisierung im Geschäftsbereich Rundtische der Weinsberger Fibro GmbH. „Doch Servomotoren mit entsprechenden Getrieben liefern vielfach eine kostengünstigere Lösung“, ergänzt Tilmann Wolter, Geschäftsführer der Systec Elektronik und Software GmbH aus Münster. Es gehe sogar noch preiswerter, wenn man Schrittmotoren einsetzen könne. „Allerdings muss bei ihnen auf eine hohe Mikroschrittauflösung geachtet werden, um eine ausreichende Positioniergenauigkeit zu erreichen.“ Mit unseren einbaufertigen Drivesets lassen sich per Schrittmotor viele Aufgaben erledigen, für die sonst Servomotoren zum Einsatz kommen würden, so der Systec-Chef weiter.

Es lohnt sich also für den Anwender, seine Anforderungen genau zu definieren. Nur dann lässt sich auch die kostengünstigste Lösung finden, die wettbewerbsfähige Montagekosten ermöglicht. „Die sehr teuren Direktantriebe lohnen sich eigentlich nur dann, wenn sehr kurze Schaltzeiten gefragt sind“, erläutert Markus Pfuderer, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Ludwigsburger Pfuderer GmbH. Da die Schaltzeiten von einer Reihe von Randbedingungen abhängen, wie etwa der zu bewegenden Masse und dem Drehwinkel, lassen sie sich nur schwer vergleichen. Um dennoch ein Gefühl für die Größenordnung zu bekommen, nennt Pfuderer eine Schaltzeit von 0,1 s für einen Drehwinkel von 10 Grad, die nur mit Direktantrieben zu realisieren sei. „Allerdings wird diese Dynamik selten gefragt, denn häufig setzt eher das erforderliche Werkstückhandling die Grenzen“, gibt Pfuderer zu bedenken.
Fibro bietet einen schnellen, direkt angetriebenen NC-Rundtisch an. Auch hier spielt die zu bewegende Masse eine wichtige Rolle, aber der Fibrodyn schaffe eine Drehung um 180 Grad bei der dafür sehr kurzen Schaltzeit von 0,36 s, ergänzt Fibro-Entwicklungsleiter Michael Schenk. „Damit eignet sich der Rundtisch für hochdynamische und hochgenaue Dreh- und Positionieraufgaben in Werkzeugmaschinen sowie Produktionsanlagen.“ Der Anwender könne flexibel, in beliebig wählbaren Winkelschritten positionieren. „Ohne Getriebeteile erfolgt das spielfrei und mit hoher Regelgüte.“ Die Positioniergenauigkeit liege bei ± 2 Winkelsekunden, mit Messfehlerkompensation sogar unter ± 1 Winkelsekunde. „Die Wiederholgenauigkeit ist kleiner als 0,2 Winkelsekunden, und es lassen sich sowohl sehr hohe als auch sehr niedrige, gleichförmige Schalttellerdrehzahlen umsetzen.“
„Bei kompakten Systemen können direkt angetriebene Drehtische sogar günstiger sein“, wirft Emilian Borissov ein, Driveset-Konstrukteur beim Systec-Kooperationspartner, der TU Sofia. „Dies gilt insbesondere für Anwendungen, bei denen der Einbauraum beschränkt ist.“ Auch spreche für Direktantriebe der geringere Verschleiß. Denn mechanische Teile würden nicht benötigt, um eine bestimmte Position zu halten. „Ein weiterer Vorteil der Direktantriebe bei Drehtischen ist die große Momenten-Belastbarkeit“, ergänzt Systec-Chef Wolter. Denn der Antrieb des Tisches könne direkt auf dem äußeren Durchmesser erfolgen. „Allerdings ist diese Antriebslösung vergleichsweise kostspielig.“
Die Techniker bei Pfuderer gehen noch einen Schritt weiter und machen bei ihrem RTS Ringtransfersystem aus dem Tisch einen Ring. „Diesen treiben wir mit einem wohldimensionierten, großen Servomotor an“, erläutert Markus Pfuderer. „Wir verzichten zudem auf ein normales Getriebe und treiben den Ring nur mit einem direkt und spielfrei auf dem Servomotor montierten Ritzel an.“ So erreiche man – verglichen mit einer Drehung um 10 Grad per Direktantrieb in 0,1 s – Schaltzeiten von 0,2 s. „Damit decken wir rund 80 Prozent der gängigen Anwendungen ab, und das bei rund der Hälfte der Kosten eines vergleichbaren Systems mit Direktantrieben.“ Diese Ringlösung geht zudem das Platzproblem von einer ganz anderen Seite an: Durch den Ring anstelle des Tellers bleibt der Innenraum frei – und bietet so Platz für Montagestationen. Und wenn der Bauraum nicht beschränkt sei, ließen sich auch Ringdurchmesser bis 2 m realisieren, so Pfuderer.
Eine pauschale Angabe, wann sich welcher Antrieb lohnt, ist nicht möglich. Zu stark hängt dies von der jeweiligen Anwendung ab. „Direktantriebe sind besonders kosteneffizient, wenn größere Lasten bewegt werden müssen“, erläutert Tilmann Wolter von Systec. Kurvenantriebe seien das Mittel der Wahl, wenn es auf hohe Beschleunigungen ankomme. „Für die meisten Anwendungen sind jedoch Getriebemotoren am günstigsten.“
„Als Faustformel kann man folgendes sagen“, ergänzt Michael Schenk von Fibro. „Verglichen mit einem Servo-Schneckenantrieb liegen die Kosten des Direktantriebs bei rund 150 Prozent, die der Kurvenantriebe bei 50.“ Gegen den Direktantrieb könne zudem das „Austrudeln“ bei einem Not-Stopp oder Spannungsausfall sprechen. „Bei vertikalem Einsatz und exzentrischer Last ist außerdem eine Sicherheitsbremse erforderlich.“ Fibro verzeichne aber zur Zeit eine steigende Nachfrage nach Direktantrieben. „Ein Beispiel sind insbesondere kombinierte Bearbeitungen an einem Werkstück.“
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen

Kosteneffizienz
Elektrische Direktantriebe bieten viele Pluspunkte. Doch ob sich ihr Einsatz wirklich lohnt, hängt einmal mehr von der konkreten Anwendung ab. Wird eine sehr hohe Dynamik verlangt, kann der Direktantrieb punkten. Außerdem arbeitet er sehr präzise und verschleißarm. Die Kosten können aber das Doppelte einer alternativen Lösung mit Servoantrieb betragen. Limitiert das Werkstückhandling die erreichbaren Taktzeiten, spricht deswegen vieles für den Servo.
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