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Fachwerk aus der Wickelmaschine

Gewickelte Isogrid-Strukturen als völlig neue Leichtbau-Technologie
Fachwerk aus der Wickelmaschine

Carbon-Struktur | Kragarme so leicht machen wie Flugzeugflügel: Dies ermöglicht die Technologie der Circomp GmbH, die Fachwerkstrukturen aus Carbonfasern wickelt – vollautomatisch. §

Autor: Olaf Stauß

Längst nicht nur Kragarme, alles Mögliche ist denkbar mit der patentierten Technologie, die ein hohes Gewichts- und Kosteneinsparpotenzial vermuten lässt: lange Ausleger einer Feldspritze ebenso wie leichte Roboterarme, Walzen und Wellen oder Raketenstrukturen. Im Bild auf der folgenden Seite sind einige potenzielle Anwendungen angedeutet.

„Der Vorteil der Struktur wächst mit ihrer Größe“, sagte Dr. Ralph Funck, als er sie auf der JEC Composites in Paris vorstellte. Wie es zu der Idee kam, erklärte der Circomp-Geschäftsführer auf der europäischen Faserverbund-Leitmesse so: Platten- oder Schalenstrukturen werden in der Luft- und Raumfahrt vornehmlich durch Stringer (in Längsrichtung) und senkrecht dazu verlaufenden Spanten oder Rippen versteift. Dieses Konzept besitzt ein hohes Leichtbaupotential. Ausschnitte für Fenster und Türen lassen sich gut integrieren und Sekundärbauteile können an den Versteifungen befestigt werden. Allerdings ist die Herstellung sehr material- und arbeitsintensiv und somit teuer.
„Das sollte besser an einem Stück gehen“, sagt Funck. So entwickelten Faserverbund-Spezialisten als Alternative die „FilaWin“-Faserwickeltechnologie, die von Circomp angeboten, eingesetzt und weiterentwickelt wird – einer Ausgründung des Instituts für Verbundwerkstoffe (IVW) in Kaiserslautern. Mit FilaWin lassen sich Carbonfaser-verstärkte Fachwerkstrukturen, auch Isogrid-Strukturen genannt, rationell herstellen.
Isogrid-Strukturen bestehen aus dreieckig angeordneten Rippen mit Knotenpunkten zur Verteilung konzentrierter Lasten. „Stellen Sie sich die Herstellung so vor, dass es für die Dreiecksausschnitte eine Negativstruktur gibt, die umwickelt wird“, erläutert Dr. Funck. Die Fasern werden dabei direkt vor dem Auflegen auf das Werkzeug imprägniert (Naßwickeltechnik).
Carbon-Fachwerke sind auch ohne Außenhaut stabil
Das entstehende Fachwerk-Design ist auch ohne die Außenhaut eine in sich sehr stabile Konstruktion. Doch das Herstellen der Außenhaut macht keinen großen Aufwand. Sie lässt sich nahtlos an das Wickeln der Isogrid-Struktur im FilaWin-Verfahren anschließen. „Ist das Isogrid fertig, läuft der Wickelprozess nonstop weiter, nur mit anderem Ablaufprogramm.“
Als Ergebnis entsteht eine Isogrid-Struktur mit herausragendem Leichtbaupotential. Darüber hinaus gibt es neben dem geringen Gewicht noch weitere Vorzüge wie bessere Energieabsorbtion und geringere Schwingungsneigung, die den Ausschlag für diese Strukturen in Anwendungen geben könnten.
Eine besondere Herausforderung ist bei jeder Fachwerkkonstruktion die Ausbildung der Knotenpunkte, da dort meist große Kräfte zwischen den Rippen übertragen werden. Circomp ist es gelungen, im Rahmen des FP7-Forschungsprojekts Wasis die Knotenverbindungen weiter zu entwickeln und damit die Fertigungsmethode FilaWin zu etablieren: In den Knoten werden metallische Verbindungselemente vorgesehen und im Wickelprozess mit eingebunden. „Die metallischen Inserts sind durch Formschluss in der Struktur fixiert“, erläutert Funck.
Als Anschlüsse an die bislang zylindrischen CFK-Fachwerke fungieren die metallischen Ringe an den Rohrenden. Bei Bedarf lassen sich aber auch Anklinkpunkte inner- und außerhalb der Struktur vorsehen.
Vom Material her zeichnen sich die rohrförmigen FilaWin-Bauteile außer durch die erwähnten mechanischen Eigenschaften und ihr Leichtbaupotenzial durch eine Reihe weiterer Vorzüge aus. Circomp nennt:
  • hohe Imprägniergüte
  • hoher Faservolumengehalt
  • geringer Porengehalt
  • effiziente, wirtschaftliche Herstellung
  • hohe Reproduzierbarkeit
  • Korrosionsfreiheit
Die Wurzeln der Isogrid-Schalenbauweise liegen in der Luft- und Raumfahrt. Schon im Jahr 1973 beschreibt das „Isogrid Design Handbook Nasa-CR-124075“ am Beispiel einer Raketenstruktur die hohe Effizienz einer dreieckig versteiften Isogrid-Struktur. Es ist naheliegend, das dies auch für ähnliche Strukturen im Flugzeug-, Satelliten- und Helikopterbau gilt. So wurde die Isogrid-Struktur zum Thema des EU-Forschungsprojektes Wasis, an dem sich 14 europäische Partner beteiligten, darunter das IVW und Circomp aus Kaiserslautern.
Ziel von Wasis war es, eine neue Bauform zur Versteifung von Flugzeugrümpfen zu entwickeln, die dadurch leichter, sicherer und mit geringerem Kraftstoffverbrauch fliegen würden. Und selbstverständlich zielte Wasis auch darauf ab, die Fertigungszeit und -kosten zu minimieren.
In der Kurzfassung „Härtere Rümpfe, leichtere Flugzeuge“ des Wasis-Forschungsberichts heißt es, die Ergebnisse „bieten die einzigartige Chance, moderne Verbundwerkstoffe mit einer automatisierten Fertigung zu kombinieren und so insgesamt festere und leichtere Flugzeugrahmen zu erzielen“.
Das Anwendungspotenzial, insbesondere der serienreifen Circomp-Technologie, reicht indes bis in die allgemeine Industrie hinein. „Aus diesem Grund haben wir FilaWin auch auf der JEC Composites in Paris vorgestellt“, betont Dr. Funck. •

Das Team der Circomp GmbH verfügt über langjährige Erfahrung bei Faserverbundwerkstoffen. Schwerpunkt ist die Herstellung rotationssymmetrischer Bauteile durch Faserwickeln – mit verschiedenen Fasern in Duromer- oder Thermoplast-Matrix.
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