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Testlauf im Trockendock

Windkraftanlagen: Simulation sichert Auslegung des Antriebsstrangs ab
Testlauf im Trockendock

Komplexe Simulationsprogramme testen die Bauteile des Triebstrangs von Windkraftanlagen virtuell. Noch bevor sich ein Windrad dreht, verbessern die Entwickler für alle Lastzustände die Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Anlage.

Auch das Repowering – also der Ersatz bestehender Anlagen durch weniger, aber leistungsfähigere – trägt dazu bei, dass in Windkraftanlagen immer größere und leistungsfähigere Getriebe zum Zuge kommen.

Beispiel Onshore: In Nordrhein-Westfalen beträgt die installierte Leistung im Schnitt rund 1 MW, die der im Vorjahr errichteten Anlagen liegt bereits bei knapp 1,6 MW. Da die meisten Windräder weniger als zehn Jahre im Einsatz sind, sind sie für ein Repowering noch zu jung. Aber ab 2014/2015 erwartet das Wirtschaftsministerium des Landes einen regelrechten Boom.
Beispiel Offshore: Zahlreiche Anlagenbauer wie die in Emden und Bremen ansässige Bard-Gruppe errichten in Nordsee-Windparks Windräder der 5-MW-Klasse (siehe Seite 9). Der Auricher Windradhersteller Enercon will die Leistung seiner 6-MW-Anlage E-126 sogar auf 7,5 MW trimmen.
Bei den fortwährenden Sprüngen in immer neue Leistungsdimensionen muss vor allem die Lagertechnik in den Getrieben mithalten. Hochdynamische Kräfte mit extremen Spitzen- und Minimalbelastungen, plötzliche Lastwechsel und oft stark unterschiedliche Einsatztemperaturen setzen den Komponenten zu.
Wie störungsanfällig Technik sein kann, zeigt das Geschehen im Hochsee-Windpark Alpha Ventus vor der Hochseeinsel Borkum. Gerade einmal vier Wochen nach der offiziellen Einweihung durch Bundesumweltminister Norbert Röttgen standen Mitte Juni zwei der insgesamt zwölf Anlagen still. Die Instrumente in der Alpha-Ventus-Leitstelle hätten eine zu hohe Temperatur angezeigt, nannte Windradlieferant Areva den Grund für das Abschalten der Windmühlen. In den Gleitlagern der Getriebe sei fehlerhaftes Material verwendet worden, heißt es. Der Wärmeausdehnungskoeffizient des gewählten Lagerwerkstoffes in axialer Richtung sei nicht ausreichend im Lagerspiel berücksichtigt worden.
Um sowohl Schäden zu analysieren als auch ungeplante Stillstände zu vermeiden, erlauben es komplexe Simulationsprogramme heute, alle Bauteile vorher virtuell zu testen. Auf diese Weise können die Hersteller für alle Lastzustände – von Ermüdungslasten bis zu extremen Lastzuständen wie etwa bei Notstopp oder Kurzschluss – die Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Anlagen weiter verbessern – und auf den Bau von Prototypen verzichten.
So hat beispielsweise die Schaeffler Technologies GmbH, Schweinfurt, in einem unternehmensübergreifenden Entwicklungsprojekt eine Systemsimulation entwickelt, mit der sich dynamische Betriebslasten für den Antriebsstrang der Anlagen berechnen lassen. Mit von der Partie waren der Hamburger Windkraftanlagenhersteller RePower Systems AG und der Getriebebauer Eickhoff Antriebstechnik GmbH aus Bochum.
In das so entstandene komplexe Mehrkörpersimulationsmodell (MKS) haben die Projektpartner ihr Produkt- und Berechnungs-Know-how eingebracht. Basierend auf FEM-Berechnungen optimiert das MKS-Modell in der Entwicklungsphase die Einzelkomponenten des Antriebsstranges, deren Interaktion sowie das Anlagendesign. Wie es heißt, lassen sich damit Windkraftanlagen für alle Lastzustände wesentlich zuverlässiger und kostengünstiger auslegen und betreiben.
Lastsimulationen für Auslegung unverzichtbar
Als zentrales Programm gilt die von Schaeffler entwickelte Wälzlager-Berechnungssoftware Bearinx. In kurzer Zeit generiert sie dynamische Simulationsmodelle für komplette Getriebe und visualisiert auch die Ergebnisse. Abgebildet wird das Verhalten von Wellen, Verzahnung und Lager – bis hin zum einzelnen Wälzkontakt. Dies mache die Simulation des Antriebsstrangs besonders genau und zuverlässig, heißt es. Der höchste Grad der Modellierungsstufe wird demnach erreicht, wenn elastische Simulationen und FEM-Berechnungen für Umgebungsbauteile und Gehäuse einbezogen werden.
Die Hybrid-FEM-MKS-Modelle beinhalten detaillierte Sub-Modelle zu Steifigkeits-Matrizen und Massen für alle elastischen Strukturkomponenten wie Rahmen, Gehäuse, Planetenträger, Zahnräder und Lager. Das Wälzlager-Berechnungsprogramm namens Bearinx erstellt dabei zunächst das Getriebemodell und bildet damit die Geometrie, die Anordnung der Getriebeelemente sowie die verwendeten Lager ab. Eine neuentwickelte Softwarefamilie baut auf diesem Bearinx-Modell auf und nutzt es für die Mehrkörpersimulation: Das Preprocessing-Programm DynPre erzeugt aus den von Bearinx gelieferten Getriebedaten sowie aus weiteren Daten zu Geometrie und Werkstoffeigenschaften anderer Anlagenelemente wie etwa Turm, Rotorblätter oder Generator das Simulationsmodell. Dieser Prozess ist automatisiert und erfolgt daher laut Angaben fehlerfrei, genau und besonders schnell.
Zur eigentlichen Mehrkörpersimulation wird das Programm SAMCEF-Mecano eingesetzt. Aufbereitet werden die Daten zur Auswertung anschließend über die Software DynDP. Hier werden die Daten in Diagrammen, Filmen und 3D-Wasserfalldigrammen visualisiert. Das Programm bietet laut Hersteller die Möglichkeit, klassierte Lasten zu untersuchen als Voraussetzung für die Lebensdauerberechnung unter Berücksichtigung der Dynamik und Interaktion der Komponenten.
Auswertung lassen sich die Belastungen ist über die gesamte Betriebsdauer hinweg zu jedem Zeitpunkt. Auch extreme Lastzustände können so detailliert simuliert und beurteilt werden. Das gilt für ihre Auswirkungen auf das Gesamtsystem, auf die einzelnen Subsysteme bis hin zum isolierten Wälzkontakt – stets unter Berücksichtigung aller dynamischen Zustände und Effekte.
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