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„Additive Fertigung bietet noch viel Potenzial“

VDWF-Präsident Prof. Thomas Seul über den Einsatz generativer Verfahren im Werkzeugbau
„Additive Fertigung bietet noch viel Potenzial“

„Additive Fertigung bietet noch viel Potenzial“
„Wir haben einen Studiengang geschaffen, der in dieser Form einmalig ist“, sagt Prof. Thomas Seul. Er ist Präsident des Verbands Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) und Prorektor für Forschung und Transfer an der Hochschule Schmalkalden. Bild: VDWF
Werkzeug- und Formenbauer sollten die Entwicklung additiver Fertigungsverfahren sehr genau beobachten und immer wieder reflektieren, wann und wo sich deren Einsatz lohnen kann, sagt Prof. Thomas Seul. Er ist Präsident des VDWF und Prorektor der Hochschule Schmalkalden. ❧ Mona Willrett

Herr Prof. Seul, wie geht´s dem deutschen Werkzeug- und Formenbau derzeit?

Grundsätzlich geht´s gut. Die guten Betriebe sind in der Regel fürs kommende halbe Jahr mit guten Projekten versorgt. Der Werkzeugtourismus aus China scheint sich zu beruhigen. Werkzeuge, die hier gebraucht werden, kommen wieder vermehrt aus Europa. Unsere wichtigsten Wettbewerber sitzen dabei in Italien und Portugal. Auch da brauchen wir uns vor niemandem zu verstecken.
Wie hat sich der Einsatz additiver Verfahren im Werkzeugbau entwickelt?
Additives Fertigen ist – neben dem Drehen, Fräsen, Schleifen oder Erodieren – ein weiteres Fertigungsverfahren, das anspruchsvolle Teile ermöglicht. Inzwischen setzen viele Formenbauer Komponenten ein, die ganz oder teilweise generativ gefertigt wurden. Das schafft für die Kunden oft echte Mehrwerte – etwa durch kürzere Zykluszeiten infolge einer effizienten, konturnahen Kühlung. Eigene Anlagen haben aber die wenigsten. Für 90 Prozent der Werkzeugbaubetriebe ist es nach wie vor sinnvoller, diese Leistungen zuzukaufen.
Welche Bedeutung haben diese Verfahren mittlerweile in der Branche?
Sie haben noch nicht die Durchdringung erreicht wie die klassischen Fertigungstechnologien. Aber hier muss man immer auch bedanken, dass diese Verfahren im Vergleich zum Drehen oder Fräsen sehr jung sind und noch am Anfang ihrer Entwicklung stehen.
Wo kommen diese Verfahren zum Einsatz?
Vorwiegend dort, wo unsere Kunden komplexe, thermisch kritische Teile produzieren wollen, mit besonders hohen Anforderungen an Qualität und Zykluszeiten. Bei der Auswahl des idealen Fertigungsverfahrens steht immer das zu fertigende Bauteil im Zentrum. Die Entscheidungskriterien sind die erreichbare Präzision, Flexibilität, Reproduzierbarkeit und Wirtschaftlichkeit.
Welches Potenzial sehen Sie im Formenbau noch durch die additiven Verfahren?
Da sehe ich noch sehr viel Potenzial. Ich gehe davon aus, dass hinsichtlich Geschwindigkeit und Genauigkeit der Verfahren noch erhebliche Sprünge möglich sind. Eine weitere Schlüsselfrage ist, welche Werkstoffe sich künftig prozesssicher und wirtschaftlich verarbeiten lassen. Die Anlagenhersteller haben bereits viel erreicht, trotzdem ist die Entwicklung noch lange nicht am Ende. Aber das ist auch nicht verwunderlich. Additive Verfahren gibt´s erst seit etwa Mitte der 1980er-Jahre. Gedreht wird dagegen bereits seit über 200 Jahren – und noch immer lässt sich der Prozess verbessern. Als Werkzeugbauer sollten wir die Entwicklung der additiven Technologien sehr genau beobachten und immer wieder aufs Neue abwägen, wann und wo ihr Einsatz Sinn macht.
Wie müssen sich die Verfahren entwickeln, um dem Werkzeugbau maximal zu nützen?
Die Verfahren müssen schneller und genauer werden, und wir brauchen mehr Werkzeugbau-spezifische Werkstoffe, die sich generativ verarbeiten lassen. Harte, verschleißfeste, gut polierbare oder korrosionsbeständige Materialien stehen uns bislang nur eingeschränkt zur Verfügung. Außerdem müssen die Verfahren aus der Alchemisten-Ecke heraus. Einige Hersteller machen noch immer ein riesen Geheimnis um ihre Anlagen und die Technologie. Damit das Vertrauen in die erzeugten Teile und deren Eigenschaften wächst, müssen die Anbieter offener werden. Einige der großen Anlagenbauer sind da bereits auf einem guten Weg.
Wie funktioniert das Zusammenspiel klassischer und generativer Verfahren?
Das funktioniert sehr gut. Viele Komponenten werden überwiegend konventionell gefertigt und nur dort additiv ergänzt, wo eine Bearbeitung mit klassischen Verfahren nicht möglich ist. Auch die spanende Fertigbearbeitung generativ erzeugter Strukturen ist gängige Praxis.
Zusammen mit dem VDWF und Partnerinstituten bietet die HS Schmalkalden im Sommersemester 2017 einen Studiengang zum Thema an. Was hat Sie dazu bewogen?
Das Ziel ist, Qualifizierungsstandards zu definieren und einen generellen Überblick über die Technologie zu bieten. Es gibt viele gute Autodidakten, deren Know-how allerdings auf den eigenen Schwerpunkt fokussiert ist. Wir wollen die Mitarbeiter von Formenbaubetrieben, die sich in Richtung additiver Techniken entwickeln wollen, mit dem nötigen Wissen ausstatten. Das Studium soll mit dazu beitragen, die additive Fertigung als ‚ernsthaftes‘ Verfahren nicht nur im Werkzeug- und Formenbau zu etablieren.
Welche Inhalte werden vermittelt?
Wir vermitteln unter anderem Standards und Richtlinien in Bezug auf Werkstoff- und Verfahrenseigenschaften, auf das Engineering oder die Werkzeugkonstruktion. Weiterere Schwerpunkte sind das Qualitätsmanagement oder der Nachweis, ob ein Werkstück in Ordnung ist.
Ist das Studium berufsbegleitend?
Ja. Über die beiden Semester verteilt haben wir sieben Präsenzzeiten über insgesamt zwölf Werktage und jeweils das Wochenende. Der Rest ist als Selbststudium ausgelegt. Die Studenten sind zwar in Schmalkalden eingeschrieben, die Präsenzzeiten finden aber im Wechsel auch an unseren Partnerinstituten in Aachen, Duisburg und Lüdenscheid statt.
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