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Bis zur Losgröße 1

Fertigungszelle von Arburg und FPT Robotik kombiniert Spritzgießen, Digitaldruck und Robotik
Bis zur Losgröße 1

Durch den Digitaldruck ist es möglich, Bauteile aus Kunststoff oder Metall individuell und schneller zu bedrucken — sogar in der Losgröße 1. Für die Integration von Industriedruckern und der notwendigen Peripherie in automatisierte Produktionsstraßen sorgt FPT Robotik.

Vier Monate dauerte es in der Vergangenheit im Schnitt, bis ein chinesischer Spielwarenhersteller das erste Muster für ein neues Puzzle in den Händen hielt. Viel zu lang, befand er – und machte sich auf die Suche nach einer flexiblen und wirtschaftlichen Lösung, um neue Motive schneller auf den Kunststoffteilen zu realisieren. Gefunden hat er sie in dem so genannten Inkbot-Verfahren, bei dem Spritzgießteile in einer Inline-Anlage digital bedruckt werden.

Das Inkbot-Verfahren hat dafür gesorgt, dass einem Besucher die Technologie-Tage von Spritzgießmaschinenhersteller Arburg GmbH + Co KG, Loßburg, Anfang März nachhaltig in Erinnerung geblieben sind: Als er auf einer Inline-Anlage sah, wie für die Besucher gewölbte Namensschilder zuerst spritzgegossen und dann hochautomatisiert individuell bedruckt wurden, meldete er sogleich Bedarf für sein Unternehmen an. Um seine Vorgesetzten zu überzeugen, wollte er eigentlich Prospektmaterial mitnehmen. Doch die Verantwortlichen vor Ort hatten eine bessere Idee: Sie brachten ohne sein Wissen die Namen der Geschäftsführer in Erfahrung und händigten dem überraschten Mann nach kurzer Zeit die entsprechenden Namensschilder für seine Vorgesetzten aus. Dies zeigt: Das Verfahren ist nicht nur für die Serienfertigung geeignet, sondern dank der Digitaldrucktechnik auch für die Losgröße 1. Entwickelt wurde es vom Automatisierungsspezialisten FPT Robotik GmbH & Co. KG, Amtzell, der dafür Roboterkinematik und Digitaldruck vereint hat.
Bisher war es zwar möglich, plane Flächen wie Papiere und Dekore individualisiert digital zu bedrucken. Bei einfachen Wölbungen jedoch muss bei der Bedruckung im industriellen Umfeld auf aufwändige, nicht digitale Herstellungsverfahren wie Tampondruck oder Siebdruck zurückgegriffen werden. Mit der Technologie von FPT sind Unternehmen nun in der Lage, die Vorteile des Digitaldrucks im Hochgeschwindigkeitsbereich auch bei freien Geometrien und Wölbungen wie beim Namensschild direkt in den industriellen Produktionsprozessen einzusetzen. Im Digitaldruck können Werkstücke ohne Umwege über Zwischenträger und Kosten für Druckfilme, Platten oder Klischees schnell, flexibel und individuell bedruckt werden. Die Höhendifferenz kann bei der Inkbot-Technologie bis zu 6 mm betragen. Die Druckauflösung liegt bei 600 dpi und die Passgenauigkeit bei zwei Bildpixel pro Inch.
Die Fertigungszelle, wie sie bei Arburg zur Produktion der individuellen Namensschilder gezeigt wurde, besteht aus einem elektrischen Allrounder 370 E, einem Sechs-Achs-Roboter von Kuka Roboter GmbH, Augsburg, und der Inline-Bedruckungsanlage. Zum Drucken kommt das von Mankiewicz Gebr. & Co. (GmbH & Co. KG), Hamburg, für industrielle Tintenstahl-Prozesse entwickelte Kombisystem Cyconjet zum Einsatz, bestehend aus Primer, Tinte und Decklack.
Die Zykluszeit beträgt rund 20 s. Der elektrische Allrounder 370 E verfügt über 600 kN Schließkraft und eine Spritzeinheit der Größe 170. Zur Produktion der Namensschilder aus Polystyrol ist die Maschine mit einem 2+2-fach Werkzeug ausgestattet und spritzt pro Zyklus jeweils zwei gewölbte Spritzteile und die zugehörigen Befestigungselemente. Das gesamte Spritzteilhandling übernimmt der Sechs-Achs-Roboter, der von Arburg als spezielle Lösung geboten wird. Auf dessen Steuerung ist die Selogica-Bedienoberfläche implementiert, sodass der Bediener den Roboter selbständig programmieren kann. Darüber hinaus ist der Roboter direkt mit der Maschinensteuerung verbunden. Die Online-Kommunikation geht über die Euromap-Schnittstelle hinaus und bietet Funktionen wie etwa Synchronisierung von Bewegungen und vereinfachtes Starten der Maschine.
Der Greifer des Roboters ist schwimmend gelagert, um die Teile exakt aus dem Werkzeug zu entnehmen und der weiteren Verarbeitung zu übergeben. Damit der Knickarm-Roboter die Namensschilder der Bedruckungsanlage lagerichtig zuführt, ist eine Wendestation zwischengeschaltet. Anschließend werden die beiden Spritzteile hintereinander platziert, um jedes individuell zu bedrucken. Die Geschwindigkeit der Druckeinheit liegt bei dieser Anwendung bei 50 m/min, maximal sind 100 m/min realisierbar.
Um ein optimales Druckergebnis zu erhalten, erfolgt als erster Schritt eine Plasma-Vorbehandlung der Spritzteile mittels einer Atmosphärendruckplasma-Anlage. Ein Vakuum wird hier im Gegensatz zum Niederdruck-Verfahren nicht aufgebaut, somit eignet sich die Anlage zur schnellen Inline-Produktion. Die Behandlung sorgt für eine Erhöhung der Oberflächenspannung von 26 auf 50 mN/m.
Danach wird ein auf das jeweilige Substrat abgestimmter Primer aufgetragen und durch UV-Licht getrocknet. Anschließend wird jedes Spritzteil mit 4-Farb-Digitaldruck individuell bedruckt. Um einen hohen Output auch bei freien Geometrien und Wölbungen mit Höhendifferenzen mit derzeit bis zu 6 mm zu erreichen, ist die Grafik-Engine in der Lage, Daten bis zu 250 MB innerhalb von 500 ms auf die Druckköpfe zu übertragen. Über 2550 Düsen wird dabei die Tinte in vier Tropfengrößen zwischen 4 und 14 Picoliter auf das Bauteil verteilt. Die Tinte wird wiederum mittels UV-Licht getrocknet. So entstehen alle 20 s zwei fertige Namensschilder mit komplett unterschiedlichen Dekors. Die Qualitätssicherung erfolgt über eine optische Düsenmusterkontrolle. Weitere nachgeschaltete Produktionsschritte wie Montage, Verpackung oder Qualitätssicherung sind laut Arburg einfach integrierbar in die Fertigungslinie.
Doch nicht nur Puzzles und Namensschilder lassen sich mit dem Verfahren herstellen. Laut FPT ist der Druck auf Verpackungen wie Lebensmittelverpackungen oder Beautyprodukten mit landesspezifischen Inhalten mittels Digitaldruck ebenso schnell realisierbar wie die Abstimmung der Packung auf das Nutzerverhalten oder die Aufbringung von örtlich oder zeitlich begrenzten Aktionen. Auch könne das Sportmerchandising mit der Technologie auf das jeweils tagesaktuelle Geschehen reagieren. Über den Kunststoffbereich hinaus lässt sich das Verfahren auch für Glas-, Aluminium- oder Keramikbauteile einsetzen.
Neben dem chinesischen Spielwarenhersteller hat mit der Ravensburger AG, Ravensburg, auch schon ein deutscher Branchenriese Inkbot in Augenschein genommen: Das Familienspiel Bits wurde bereits in der Inkbot-Pilotanlage gefertigt.
Sabine Koll Journalistin in Böblingen
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