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Bitte einmal kurz durchleuchten

Computertomografie: Die schnelle Hilfe in Fertigungsvorbereitung und Prozessauslegung
Bitte einmal kurz durchleuchten

In der Medizin ist sie üblich, in der Technik könnte sie noch viel selbstverständlicher werden: die Computertomografie. Hachtel in Aalen bietet sie als schnelle Dienstleistung an und nutzt sie zugleich in der eigenen Spritzgießfertigung. Mit enormen Zeitgewinnen, wie die Schwaben sagen.

Warum läuft das spritzgegossene Antriebsritzel nicht rund auf der Spindel? Tage, ja wochenlang suchten die Techniker nach Antworten, bis sie entnervt zu einem neuartigen Mittel griffen: Sie ließen das Teil durchleuchten. Das Resultat verblüffte. Die CT ließ auf einen Blick erkennen, wo Einfallstellen die Gewindesteigung verfälschten und so den Leichtlauf blockierten. Durch eine Werkzeugkontur konnte das Problem dann schnell behoben werden. Das war 2007. Schon ein Jahr später schaffte die F&G Hachtel GmbH & Co. KG im schwäbischen Aalen eine eigene Computertomografie-Anlage an, später kam eine zweite hinzu.

„Unser Geschäftsführer Steffen Hachtel plante schon damals, die CT auch als Dienstleistung anbieten“, erklärt Andreas Kleinfeld, technischer Vertriebsleiter. Seither sind sechs Jahre vergangen, in denen der Kunststoffverarbeiterbetrieb mit seinen heute 50 Mitarbeitern intensiv CT-Erfahrung sammelte. Nicht zuletzt in der eigenen Fertigung: Hachtel deckt die komplette Spritzgieß-Prozesskette ab und betreibt einen eigenen Werkzeugbau. Die Computertomografen laufen inzwischen jedoch zu 80 % für Industrieaufträge. Die Dienstleistung macht einen Anteil von 5 bis 10 % am Gesamtumsatz aus. „Zu unseren Kunden gehören große Automobilzulieferer, Maschinenbauer und Kunststoffverarbeiter“, betont Andreas Kleinfeld. Für die CT sieht er in der Industrie ein riesiges Einsatzpotenzial. Der gelernte und studierte Kunststoffverarbeitungsexperte ist vor einem knappen Jahr eigens bei Hachtel eingestiegen, um den Nutzen dieser Analysemethode im Markt bekannter zu machen und das Geschäftsfeld auszubauen.
Was unterscheidet die CT von einer taktilen Bauteil-Vermessung? Dies ist die falsche Frage, meint Andreas Kleinfeld. Denn die Computertomografie sieht er vor allem als ein Hilfsmittel, um die Prozesse in der Produktentstehung, Fertigungsvorbereitung und Qualitätssicherung zu vereinfachen und zu beschleunigen. Weniger als reine Messmethode. Dennoch lohnt es sich, einen Blick auf die Performance eines Computertomograf zu werfen: Soll eine Dichtfläche auf einem Becher-artigen Körper vermessen werden, so entscheidet sich der Techniker für vielleicht zehn taktile Messpunkte, die CT kann hingegen problemlos 1000, 2000 oder auch 3000 Punkte generieren.
Selten dauern die Aufnahmen länger als 60 Minuten, selbst bei komplizierten Geometrien. Zur Auswertung kann der Dienstleister auf Software zurückgreifen, etwa für einen Soll-Ist-Vergleich mit den CAD-Daten, zur Prüfung auf Porosität und Lunker, zum Prüfen von Baugruppen auf korrekte Montage oder auch zum Erstellen eines kompletten Geometrie-Datensatzes im Sinne von „Reverse Engineering“. Auch wenn das Bauteil schon im montierten Zustand im Einsatz ist, lassen sich die CT-Daten für weitere Analysen und Auswertungen heranziehen, auch Jahre später.
Die Genauigkeit beträgt 0,2 µm im kleinstmöglichen Messfeld (1 bis 2 mm). Für komplette Bauteile ist sie also niedriger, doch durch Zusatz-Scans lässt sich jede gewünschte Auflösung realisieren. „Wir tomografieren prinzipiell so, dass wir das Einhalten der Toleranzen prüfen können“, sagt Kleinfeld. „Die Messung richtet sich immer nach den Anforderung der Technik.“
Auch bei den Kosten leistet Kleinfeld oft Aufklärungsarbeit. Wer beim Stichwort „CT“ unwillkürlich an die Hightech-Medizin denkt, könnte überrascht sein: „Pro Analyse berechnen wir je nach Aufwand zwischen 300 und 1000 Euro. Im Schnitt sind es rund 500 Euro.“ Schon einen Tag nach Auftragsvergabe liegen die CT-Daten vor, spätestens nach drei Tagen sei auch die Auswertung verfügbar.
Soweit die Eckdaten, doch sie sind nicht das Entscheidende, beharrt der Vertriebsleiter. „Was unser Angebot einzigartig macht, ist die Bündelung der Computertomografie mit unserer Fertigungserfahrung. Wir gehen einen Schritt weiter und beraten die Kunden. Denn wir kennen den Schmerz, den sie in der Produktion haben.“
Oft sei genau dies gefragt. Zum Beispiel in der Spritzgießfertigung, der Domäne von Hachtel: CT-Auftraggeber wollen wissen, wie die tatsächliche Schwindung eines Teiles aussieht (und wie sie vom kalkulierten Maß abweicht), wie die Bindenähte liegen oder wie die Glasfasern orientiert sind. Vor allem aber geht es ihnen darum, störenden Verzug zu beseitigen oder ein Bauteil doch noch einbaufähig zu machen durch Werkzeugkorrektur oder veränderte Prozessparameter – und dies meist unter Termindruck.
Hier bietet sich die Falschfarben-Analyse an. Sie liefert einen Soll-Ist-Geometrievergleich in 3D auf dem Bildschirm: Die Auswertesoftware passt die CT-Punkte in die CAD-Datenwolke ein (nach der Methode „Best Fit“ oder bezogen auf eine definierte Ausrichtfläche) und visualisiert die Abweichungen am 3D-Modell: Grün bedeutet „gut“, rot „nicht gut“. „Die Falschfarben-Analyse lässt auf einen Blick erkennen, welche Abweichungen am Spritzgussteil relevant sind. Mit diesen Informationen können wir unmittelbar die Gründe recherchieren und nach Lösungsmöglichkeiten suchen.“ Nicht immer sind aufwändige Korrekturen nötig. Manchmal, so Kleinfeld, reiche es, die Ausrichtstrategie zu optimieren oder die Zeichnungsvorgaben leicht zu verändern. Mit solchen Einsichten und Vorschlägen geht Hachtel dann direkt auf den Kunden zu und berät ihn.
Durch die CT verzeichnen die Aalener in der eigenen Fertigung enorme Zeitgewinne. Werkzeuge sollen sich nun um bis zu zwei Wochen früher korrigieren lassen als zu der Zeit, in der sie noch konventionell nach den Fehlern suchten. Und teilweise genügen nun ein bis zwei Werkzeugkorrekturschleifen, wo früher vier bis fünf nötig waren.
Je komplizierter ein Teil ist, desto hilfreicher erweist sich die CT. „Die wenigsten Spritzgussteile haben heute noch Regelgeometrien“ erläutert Andreas Kleinfeld. Vielmehr sind Freiformflächen die Regel. Die Teile werden mit Funktionen aufgeladen und so die Vorteile des Spritzgießens voll ausgeschöpft. „Die Technik wird immer komplexer und dafür brauchen wir auch immer leistungsfähigere Analysemethoden“.
Der Kunststoffexperte zeigt ein flaches, Spritzgussteil mit Laschen, großen Aussparungen und einem Filmscharnier in der Mitte, auf der Oberfläche trägt es eine zusätzlich aufgetragene Dichtkontur. „Wie wollen Sie ein solches Teil vermessen?“, stellt er die rhetorische Frage. Mit CT kein Problem: Das Bauteil wird einfach auf dem Drehteller zwischen Röntgenstrahlenquelle und Bilddetektor positioniert. Der Teller dreht sich in definierten Winkelschritten, bis die 360° voll sind. In wenigen Minuten entsteht eine Serie von Röntgenaufnahmen, die der Computer zum 3D-Volumenmodell zusammenfügt. Das Abbild ist fertig.
Noch effizienter erscheint die Computertomografie bei der Analyse einer kompletten Baugruppe – zum Beispiel zur Montagekontrolle. Kleinfeld berichtet von einem Fall, in dem das CT-Team einen ganzen Motor durchleuchtete und dabei einer winzigen Leckage auf die Spur kam – ein Defekt, den der Kunde auf konventionellem Wege nur mit ungleich größerem Aufwand hätte ausfindig machen können.
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