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„Der neue 1-Liter-Dreizylinder-Motor hat eine komplett neue Architektur“

Dr. Andreas Schamel zum Downsizing-Konzept der neuen Ford-EcoBoost-Motoren
„Der neue 1-Liter-Dreizylinder-Motor hat eine komplett neue Architektur“

„Der neue 1-Liter-Dreizylinder-Motor hat eine komplett neue Architektur“
„Unter EcoBoost verstehen wir die Kombination von Turbolader, Direkteinspritzung und variabler Ventilsteuerung.“
Dr. Andreas Schamel, seit Anfang Oktober Director of Global Powertrain, Research and Advanced Engineering bei Ford, gibt Antworten auf Fragen zum neuen 1-Liter-Dreizylindermotor der EcoBoost-Motorenbaureihe von Ford.

Herr Dr. Schamel, was verstehen Sie unter Downsizing von Verbrennungsmotoren?

Downsizing bedeutet für uns, dass wir einen kleineren Motor mit entsprechender Technologie da einsetzen, wo bisher klassische Technologie zum Zuge gekommen ist. So ersetzen wir speziell im Benzinersegment einen Saugmotor durch einen Turbomotor, bringen also eine andere Motorarchitektur zum Einsatz.
Warum erst jetzt leistungsstarke, verbrauchsärmere Motoren?
Solange der Kraftstoffverbrauch keine Rolle spielt und Leistung das einzige Kriterium ist, kann ich das mit einem billigeren Motor als mit einem Downsizing EcoBoost-Motor darstellen. Natürlich spielt heute der Druck der Markterwartung und der Gesetzgebung sowie der Cost of Ownership für alle Beteiligten eine Rolle. Es muss alles vom Kunden bezahlbar sein.
Gab es auch technologische Schwellen, die jetzt überwunden sind?
Nehmen Sie allein das sogenannte Turboloch, das mit konventionellen Saugrohreinspritz-Turbomotoren assoziiert wird. Das war mit Sicherheit ein Hindernis, um solche Motoren im Massenmarkt akzeptabel zu machen. Da hat sich natürlich technologisch etwas verändert. So verstehen wir unter EcoBoost die Kombination von Turbolader, Direkteinspritzung und variabler Ventilsteuerung. Um diese drei Elemente optimal zusammenarbeiten zu lassen, benötigen wir ein weiteres wichtiges Element, nämlich eine erhebliche Rechenleistung, die sich heutzutage in den Motorsteuerelementen befindet. Damit können wir Konzepte darstellen, die sehr viele der ursprünglichen Nachteile ausgleichen oder gar nicht mehr auftreten lassen.
Heißt das, mehr Entwicklung in den Managementsystemen der Fahrzeuge?
Ja. Man kann sagen, dass sich inzwischen die Regelungsentwicklung als bremsender Faktor des Fortschrittes entpuppt, weil der Aufwand immer größer wird.
Ist der neue 1-Liter-Dreizylinder-Motor, der jetzt den 1,6 Liter Vierzylinder-Motor ersetzt, ein neuer Motor?
Der 1l-Motor hat eine komplett neue Architektur. Er nimmt insofern schon eine Sonderstellung ein, weil er die Erweiterung des Portfolios nach unten hin ist. Wir haben den Motor auch deshalb neu entwickelt, weil wir die optimalen Grundlagen für einen aufgeladenen EcoBoost-Motor erarbeiten wollten.
Welche Maßnahmen sind entscheidend für das neue Konzept?
Wenn Sie einen normalen Saugrohreinspritzer als Turbomotor aufladen, dann erzeugen Sie eine höhere Klopfempfindlichkeit. Sie müssen das Kompressionsverhältnis absenken. Das tut aber dem Verbrauch nicht gut. Mit der Direkteinspritzung wirke ich dem entgegen. Dadurch, dass ich den Kraftstoff in den Brennraum einspritze – bei den entsprechenden Betriebspunkten auch ausreichend spät – nutze ich den kühlenden Effekt der Verdampfung des Kraftstoffes. So kann ich die aufgrund der Aufladung erhöhte Klopfempfindlichkeit kompensieren und das Kompressionsverhältnis hochhalten.
Und welche Rolle spielt jetzt noch das Turboloch mit Blick auf das Anfahrverhalten?
Im Zusammenspiel zwischen Direkteinspritzung und variabler Nockenwellenverstellung kann ich den Turbo schneller auf Drehzahl bringen. Und ich kann den Brennraum mit Luft spülen, weil ich in der Lage bin, die Einspritzung so lange zurückzuhalten, bis dieser Spülvorgang abgeschlossen ist. Wenn ich das bei einem herkömmlichen Saugrohreinspritzer mache, schiebe ich unverbrannten Kraftstoff zum Abgassystem heraus. Jetzt hilft die Kombination von Direkteinspritzung und variabler Nockenwellenverstellung, das Turboloch zu überwinden. Ich habe auch bessere Möglichkeiten, das Abgassystem schneller warm zu fahren und auch insgesamt eine höhere Leistung zu erzielen. Viele Faktoren ermöglichen mir, mit diesen drei Komponenten die Nachteile eines traditionellen Turbos zu kompensieren.
Wo sehen Sie weitere spezifische Vorteile des Dreizylinder-Motors?
Ein schöner Nebeneffekt ist, dass ich beim Dreizylinder die perfekte Zündfolge und Abgasimpulsfolge habe, um den Turbo möglichst schnell anspringen zu lassen. Das ist ein spezifischer Vorteil gegenüber dem Vierzylinder.
Was ist unter der variablen Nockenwellensteuerung zu verstehen?
Bei den EcoBoost-Motoren reden wir von einer Steuerzeitenverstellung von Ein- und Auslass. Das heißt, die ganze Nockenwelle wird bedarfsgerecht in die entsprechende Position gedreht.
Kritiker des 1-Liter-Motors behaupten, das neue Konzept gehe zu Lasten der Lebensdauer. Wie bewerten Sie das?
Das wird zwar gerne geschrieben, ist aber Quatsch. Unsere Turbomotoren müssen das komplette Dauerhaltbarkeitsprogramm und die Lebensdauervorhersagen erfüllen wie die Saugmotoren. Einfachstes Gegenargument sind die seit Jahrzehnten mit höchsten Spitzendrücken aufgeladenen Dieselmotoren. Es gibt nichts Dauerhaltbareres als so einen Überland-Lkw-Dieselmotor. Also diese Logik greift nicht. Natürlich müssen wir den Motor anders auslegen, ihn auf die höheren Anforderungen entsprechend optimieren und dimensionieren. Wenn wir das richtig machen, gibt es keine reduzierte Lebenserwartung.
Und wie verhält sich die Laufruhe des Dreizylindermotors im Vergleich zum Vierzylindermotor?
Mit Blick auf das Vibrationsverhalten schüttelt sich der Vierzylinder mit dem Zweifachen der Motorumdrehung. Der Dreizylinder dagegen taumelt um die eigene Achse mit einem unausgeglichenen Moment. Dieses Problem haben wir dadurch kompensiert, dass wir dem Motor ein Schwungrad verpasst haben. Das lenkt die Bewegung in eine Achse, in der der Motor in seiner Aufhängung im Fahrzeug sehr unempfindlich ist. Daher nimmt der Fahrer diese Bewegungen nicht wahr.
Sie setzen Start-Stopp-Systeme ein. Wie harmonieren diese mit dem neuen Motor?
Die im deutschen Markt schon als Standard eingesetzten Systeme harmonieren hervorragend mit EcoBoost und Direkteinspritzung. Durch das direkte Einspritzen in den Zylinder erzielen wir einen schnelleren Motorhochlauf beim Wiederstart.
Dr. Rolf Langbein Fachjournalist in Rottenburg
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