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Hingehauchte Heizung auf Bauteilen

Fertigung
Hingehauchte Heizung auf Bauteilen

Der Entwicklung eines Weltkonzerns folgt diejenige eines Vater-Sohn-Duos, und beides zusammen hat es in sich: Die „dünnste Heizung der Welt“ ist eine hauchdünne Beschichtung und erwärmt Caravans, Zimmer, Flugzeugflügel, Autos – was auch immer. Sie hat das Zeug zur Schlüsseltechnologie.

Die Straßen werden schmaler, die Örtchen kleiner auf dem Weg zu Albnano auf der Schwäbischen Alb. Am Wegrand Traktoren, Äcker, eine Pferdepension. Kantige Kämme ragen aus den Nebeln, bis die Hohenzollern-Burg bei Hechingen der kargen Gegend noch eine weitere Kontur hinzufügt. Dort hinten soll eine Nano-Sensation serienreif gemacht worden sein, die „dünnste Heizung der Welt“? Eine vielleicht 50 µm dünne Schicht, die ein ganzes Zimmer beheizen kann, wenn sie auf Laminatwänden oder dem Marmorfußböden aufgebracht wird?

Günther Braun schmunzelt, ja es funktioniert. „Mit unserer Standardschicht können wir Oberflächen um ein bis hundert Grad erwärmen“, sagt er. „Mit speziellen Dispersionen schaffen wir sogar bis zu 500 Grad.“
Günther Braun macht das Management für Albnano, sein Sohn Sven ist Geschäftsführer und Inhaber. Noch hat die Firma ihren provisorischen Sitz in Burladingen, die Räume gleichen denen einer Garagenfirma. Um ihre Heizdispersionen herzustellen, nutzen die Brauns die Carbon Nano Tubes (CNT) von Bayer MaterialScience.
War es die raue Gegend, die die „Älbler“ auf die Idee brachte, CNT ausgerechnet zum Heizen zu verwenden? „Wir sind schon seit zehn Jahren in der Nanotechnologie tätig“, erklärt Günther Braun, „jedoch mit Easy-to-Clean- und anderen Schichten auf Basis des Sol-Gel-Prozesses.“ Auf CNT schwenkten sie erst vor zwei Jahren um in ihrer Entwicklungsarbeit. Braun zeigt sich selbst überrascht: „Über die Heizmöglichkeiten mit Nanotubes weiß fast niemand Bescheid. Und jetzt können wir uns vor Anfragen nicht mehr retten.“
Die beiden sind inzwischen so weit, dass sie die heizenden Dispersionen maschinell in großem Maßstab herstellen können: Für 2012 ist der Bau von Fertigungsanlagen in Hechingen geplant, das Team wird bis zu 15 Mitarbeiter umfassen. Gleichzeitig wächst stetig die Zahl der denkbaren Anwendungen. Die „Carbon Nano Heizung“ (CNH) kann auf Substraten wie Papier, Holz, Metall, Beton oder Textilien aufgebracht werden – auf technischen Teilen ebenso wie auf Fußböden oder Möbeln. „Elektromobile werden an unserer Heiztechnologie überhaupt nicht vorbei kommen“, prophezeit Braun.
Anwendungsidee Flugzeugbau: Statt mit Enteisungsmitteln, die Flugzeuge mitführen müssen, ließen sich die Flügel mit der CNH viel einfacher flugfähig machen. „Aber dafür ist eine Zulassung nötig, und deswegen kümmern wir uns lieber zuerst um andere Anwendungen“, meint Braun.
Die vielseitige Einsetzbarkeit erklärt sich aus den Eigenschaften der CNH: Im Schnitt ist sie nur 50 µm dick, lässt sich auf nahezu beliebig geformte Flächen aufbringen, kommt mit Niedrigspannungen wie 12-V- oder 24-V-Bordnetzen aus und hat einen geringen Energiebedarf zwischen 1 und 500 W. „Als Stromquelle eignet sich auch ein Photovoltaik-Modul“, sagt Braun, „dann ist die Energieversorgung kosten- und CO2-neutral.“ Zum Schutz wird die Schicht lackiert oder mit Dekormaterial kaschiert. Doch selbst Macken können die Funktion nicht beeinträchtigen.
Ein Projekt, das weit vorangeschritten ist, packte Caravanbauer Vöhringer mit Albnano an: Anstatt viel Staub mit der Gebläseheizung aufzuwirbeln, knipsen Kunden künftig die Wandheizung ihres Wohnwagens an, die unter dem Dekor als Innenbeschichtung versteckt ist. Sogar per SMS können sie das erledigen, zwei Stunden vor der Abfahrt – diese Zeit reicht auf jeden Fall. „Denn“, so erklärt Albnano-Manager Braun, „die Heizung arbeitet mit Strahlungswärme. Das ist die Wärme, die der Sonnenbestrahlung am nächsten kommt und mit nur 22 Grad Wandtemperatur schnell ein Wohlfühlklima erzeugen kann.“
Die CNH ist eine Widerstandsheizung. Das Know-how an dieser Technologie verteilt sich auf wenige Partner. Die Basis für Heizanwendungen hat das Fraunhofer IPA in Stuttgart durch grundlegende Arbeiten gelegt. Albnano hält vier Gebrauchsmuster und Patente für Anwendungstechnologien, weitere sind angemeldet. Und Bayer liefert die CNT, „ein sehr fairer Partner“, wie Braun betont.
Die Kernkompetenz von Albnano liegt dabei im Herstellen der wässrigen Dispersionen, im Applizieren auf unterschiedlichen Substraten und in der Kontaktierung. „Wir lassen nicht alles patentieren“, erklären die Brauns ihre Strategie, das Know-how zu schützen, „manches behalten wir lieber ganz für uns.“
Noch 2012 soll die Produktion anlaufen – der Dispersionen. Aber Sven und Günther Braun haben noch etwas Weiteres in petto, das sogar Privatleute interessieren dürfte: das „Braun Heat Paper“. Ein Material, bei dem die heizenden CNT innen untergebracht sind, und das als Rollenware produziert wird.
Für Hausbesitzer könnte es zum Kampfmittel gegen Schimmelbildung in Kälteecken werden: einfach einen passenden Papierzuschnitt platzieren und gelegentlich mit 50 W beheizen – so viel, wie eine Glühbirne verbraucht. „Wahrscheinlich genügen dafür viel weniger Watt“, meint Braun, „diese Idee habe ich nur noch nicht durchgerechnet.“
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