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Höher, schneller und weiter durch Hybridschmieden

Mischung aus Aluminium und Grauguss macht Bremstopf um 50 % leichter
Höher, schneller und weiter durch Hybridschmieden

Mit dem Hybridschmieden hat die Leiber Group ein Verfahren entwickelt, das dem Leichtbau große Chancen eröffnet. Unterschiedliche Werkstoffe lassen sich in einem Schmiedebauteil so verbinden, dass das Gewicht auf einen Bruchteil sinkt.

Fahrzeug- und Flugzeugbau aber auch Maschinenbau und Medizintechnik stehen unter enormem Wettbewerbsdruck: Bauteile und Endprodukte sollen effizienter und leichter werden, jedoch ohne Einbußen bei Sicherheit und Komfort. Eine schwierige Aufgabe für Planer, Konstrukteure und Entwickler.

Insbesondere der Leichtbau hat sich in den letzten Jahren vorangekämpft. Dabei wird vor allem mit Aluminiumlegierungen gearbeitet. Doch bisher gibt es Grenzen für den Einsatz des Leichtmetalls. Beispielsweise wenn es um sicherheitsrelevante Bauteile geht. Beides ist gefragt: Sowohl die Leichtigkeit von Aluminium als auch die Festigkeit von Stahl. Die Leiber Group GmbH & Co. KG, Emmingen, kann nun die guten Eigenschaften zweier unterschiedlicher Metall durch das neuartige Hybridschmieden verbinden.
Die Ergebnisse der ersten erfolgreichen Tests an einem Bremstopf sind revolutionär: Rund 50 % weniger wiegt der Bremstopf in der Hybridvariante aus Aluminium und Grauguss. Dies sind beachtliche Werte im Automobilbau, denn 100 kg Gewichtsreduktion reduzieren den Kraftstoffverbrauch um 0,3 l/km. Nur an den Stellen des hybridgeschmiedeten Bauteils, die besonders starken Belastungen durch hohe Drehmomente und Abrieb ausgesetzt sind, sorgt ein Grauguss-Ring für die notwendige Robustheit. Im klassischen Bereich des Topfes hingegen kann eine Aluminiumlegierung Gewicht einsparen.
Leiber hatte bei der Entwicklung der neuartigen Technologie eines im Sinn: Den Leichtbau bei jenen Bauteilen voranzubringen, bei denen Aluminiumlegierungen zuvor keine Chance gegenüber Stahl und Grauguss hatten. Das ist jetzt gelungen. In ein und demselben Bauteil sind durch den Schmiedevorgang verschiedene Werkstoffe vereint, die einen leistungsstarken Verbund bilden.
Ein weiterer großer Vorteil neben der Gewichtseinsparung liegt in der Herstellung: In der Gesenkschmiede können völlig unbearbeitete Teile miteinander verpresst werden – und dabei wird Kraftschluss erreicht. Während in den traditionellen Fügetechnologien zuvor meist eine aufwendige Vorbereitung der Werkstoffe stattfinden muss, entfällt dieser Schritt beim Hybridschmieden gänzlich. Die Teile müssen dazu in der richtigen Reihenfolge bereitgestellt und unter Beachtung des Temperaturfensters zur Umformung zusammengeführt werden. Im Verbindungsprozess ist außerdem auf höchste Präzision und Sauberkeit zu achten, um die Prozessvorgaben exakt zu erfüllen.
Ein klarer Vorteil von hybridgeschmiedeten Teilen gegenüber traditionell verbundenen Bauteilen (wie durch Schweißen, Nieten oder Kleben) ist der Faktor Sicherheit: Knetlegierungen haben eine wesentlich geringere Bruchanfälligkeit. Aluminiumknetlegierungen und Stahl „kleben“ regelrecht aneinander und machen die Mischbauteile immens stabil. Das ist vor allem für Teile in sicherheitsrelevanten Bereichen entscheidend.
Was die Herstellung von Mischbauteilen anbelangt, gibt es für das Hybridschmieden kaum Grenzen. Ein besonderes Highlight: Alu-Alu-Verbindungen, die Eigenschaften unterschiedlicher Legierungen (wie Formbarkeit und Härte) kombinieren.
Aluminiumlegierungen sind der Schlüssel im Rennen um leichtere Bauteile. Ihre positiven Eigenschaften lassen sich durch die Hybridschmiedetechnologie maximal ausnutzen: Geringe Dichte, Leichtigkeit und hohe Bruchdehnbarkeit machen Aluminium schon heute zu einem beliebten Material in Fahrzeug-, Flugzeug- und Maschinenbau.
Alu-Alu-Verbindungen könnten zukünftig insbesondere dort eingesetzt werden, wo Bauteile hoch komplexen Ansprüchen genügen und daher gut formbar sein müssen. Die Leiber Group arbeitet an Verbindungen von 6xxer- und 7xxer-Alulegierungen (also mit maximalen Festigkeiten ab 500 und 600 MPa). So richtig zum Einsatz kommt die perfekte Mischung daraus erst durch die Hybridschmiedetechnologie: Leiber nutzt die besten Eigenschaften verschiedener Legierungen und bringt diese in einem Bauteil zusammen. Das Ergebnis sind leichte, hochfeste, korrosionsbeständige Komponenten. Beispielsweise könnte ein Längslenker gefertigt werden, der im Kern durch eine 7xxer-Legierung seine hohe Festigkeit bekommt und durch einen 6xxer-Mantel einen Korrosionsschutz erhält.
Alu-Alu-Verbindungen sind vor allem dort viel versprechende Lösungen, wo Leichtbau vorangetrieben werden soll und gleichzeitig hohe Ansprüche an Festigkeit und Stabilität erhoben werden: insbesondere bei Mischbauteilen in Geländefahrzeugen, Flugzeugen oder in der Freizeitindustrie wie etwa im Outdoorsport.
Die Aussichten für die Hybridschmiedetechnologie sind gut: Umweltnormen, Gesetzesvorschriften und Wettbewerbsdruck verlangen nach neuen Strategien von den Unternehmen. Gefragt sind umweltbewusste Lösungen, die zugleich hohe Standards erfüllen. Hybridgeschmiedete Bauteile können diese Vorgaben verwirklichen. Leiber verwendet zum Beispiel vorwiegend Sekundäraluminium. Das ist ein großes Plus in Sachen Nachhaltigkeit, denn recyceltes Aluminium benötigt bei seiner Herstellung nur 5 % der Energie, die Primäraluminium benötigt. Dazu sind Aluminiumteile nahezu „unsterblich“, denn durch ihre Wiederverwertbarkeit durchlaufen sie viele Lebenszyklen.
Die Hybridschmiedetechnologie von Leiber ist einsatzbereit. Salzsprüh-Tests, statische und dynamische Torsions- und Ausreißversuche haben diverse Bauteile bis zur Serienreife überstanden und warten nun auf ihren Einsatz. Gewichtsreduktionen von rund 50 % an einzelnen Komponenten sind Quantensprünge im Automobilbau. Das Ende der Möglichkeiten ist damit aber noch nicht erreicht. Gewichtseinsparungen lassen sich an vielen Bauteilen im Fahrzeug weitervorantreiben, die bisher ausschließlich Stahl vorbehalten waren. Lenker und Verbindungsteile, Pleuel, Bauteile im Antrieb etwa könnten hybridgeschmiedet und damit bei gleicher Stabilität leichter ausgelegt werden.
Die Prozesse für Pleuel mit eingeschmiedetem Lager und generell für „Werkstoff in Werkstoff“-Schmiedelösungen sind in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium. Die Potenziale für unterschiedlichste Branchen sind groß. Nun ist es an den Vorentwicklern und Konstrukteuren, die Technologie in die Planung zu integrieren und die sich bietenden Potenziale auszuschöpfen.
Dr. Rolf Leiber Geschäftsführer Leiber Group, Emmingen
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