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Umformtechnik: Inline-Qualitätssicherung für die 100-Prozent-Fertigung

Umformtechnik
Inline-Qualitätssicherung für die 100-Prozent-Fertigung

Das Fraunhofer IWU stellt wichtige Elemente einer Smarten Produktion vor. Dazu zählen die Qualitätssicherungs-Software Xeidana und ein System für die sichere Mensch-Roboter-Kooperation.

Wie sich die Potentiale der Digitalisierung in Wertschöpfung für die Industrie verwandeln lassen, das zeigte das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU anlässlich der Hannover Messe. Unter dem Leitthema „Digitales Systemhaus IWU“ stellten die Wissenschaftler Beispiele für die intelligente Synthese von Know-how und Kompetenz für Werkstück, Technologie, Maschine und menschliche Erfahrung in der Produktionstechnik in den Mittelpunkt. Unter anderem präsentierten sie das Qualitätssicherungssystem Xeidana und ein Sicherheitskonzept für die Teamarbeit von Mensch und Schwerlastroboter.
„Die fortschreitende Digitalisierung ist nicht mehr nur Forschungsgegenstand“, sagte Prof. Matthias Putz, Leiter des IWU. „Heute stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, das Potenzial der digitalen Transformation in tatsächliche Wertschöpfung umzusetzen und mit innovativen Produkten ihre Wettbewerbsposition zu stärken oder weiter auszubauen.“ Um dies zu realisieren, steht nicht nur das intelligente Vernetzen von Daten im Fokus der Forscher, sondern auch das modulare Einbinden optimierter technologischer Komponenten in Produktionssysteme, Prozessketten und ganze Fabriken – vom mittelständischen bis zum großen Unternehmen.
Ein Beispiel dafür ist die Qualitätssicherungs-Software Xeidana. „Damit verfolgen wir den Gedanken der modularen Anbindung an bestehende Produktionssysteme“, erläutert Putz. Die Software lasse sich in verschiedene bestehende Fabrikumgebungen integrieren – etwa in ein Presswerk, das Karosseriebauteile herstellt. Dort prüfen Mitarbeiter am Auslaufband oft per Sichtkontrolle, ob die Qualität eines Bauteils stimmt. Für den Werker ist das anstrengend, und die Prüfung ist oft nicht zu 100 % genau. Mit Xeidana gelingt die Kontrolle wesentlich effizienter und präziser.
Das Plattformkonzept der Software wurde von Informatikern und Prüftechnik-Experten des IWU entwickelt. Es führt eine Vielzahl von Prüf- und Messaufgaben in einem System zusammen und wertet sie automatisiert aus. Verschiedene, hochauflösende Sensoren erfassen unter anderem Längen, Durchmesser oder Volumina. Zudem kann geprüft werden, ob Baugruppen vollständig sind, ob Oberflächenfehler oder gar innere Defekte auftreten.
Dabei entstehen große Datenmengen. Xeidana wurde speziell für diese Anforderungen entwickelt. Die Software erfasst und analysiert beispielsweise Infrarotaufnahmen oder optische Live-Videos gemeinsam mit Informationen von Ultraschallsystemen. Die Daten können sowohl live in Echtzeit ausgewertet als auch für spätere Analysen und Postprocessing archiviert werden.
Ein weiteres Merkmal von Xeidana ist das ausbaufähige Programmgerüst, der sogenannte Framework. Damit kann der Anwender eigenständig der Software leistungsfähige Erweiterungen hinzuzufügen. So wird der Zugriff auf viele Hardwarekomponenten möglich. Die Messergebnisse können dem Qualitätsprüfer auch mobil auf einem Tablet oder mittels einer Datenbrille zur Verfügung gestellt werden. Fehler lassen sich so schnell und zuverlässig erkennen.
Sichere Mensch-Roboter-Kooperation
Haben Xeidana und Mitarbeiter nichts an den gefertigten Teilen auszusetzen, lassen sich diese anschließend zu Baugruppen zusammenfügen. Üblicherweise erledigen das Roboter in Karosseriebauzellen. Sie bewegen mühelos 200 kg schwere Bauteile mit bis zu 2 m/s. Um jede Gefahr für die Mitarbeiter auszuschließen, erledigen die stählernen Kollegen ihre Aufgaben bisher in abgetrennten Bereichen. Viel effizienter liefe die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter jedoch ohne räumliche Trennung oder Schutzzaun. Deshalb wollen die Forscher, dass die Zäune entfallen. Doch wie gewährleistet man dann die Sicherheit?
Genau dafür entwickelte das IWU eine Lösung. Für das differenzierte Sicherheitskonzept definierten die Experten zunächst unterschiedliche Ebenen der Zusammenarbeit. Je intensiver Mensch und Maschine kooperieren, desto strenger sind die Sicherheitsregeln. Wenn der Roboter dem Menschen beispielsweise ein Bauteil übergibt, bewegt er sich langsam und vorsichtig. Wenn Mensch und Roboter verschiedene Aufgaben ausführen und Abstand voneinander halten, darf Kollege Roboter sich mit voller Geschwindigkeit bewegen.
Insgesamt haben die Forscher vier Stufen der Zusammenarbeit definiert. Ergänzt werden diese durch eine Einteilung des gemeinsamen Arbeitsbereichs in räumliche Zonen. Sie geben an, wie nahe Mensch und Roboter sich kommen. In der niedrigsten Stufe gibt es nur zwei Zonen. Hält sich der Mitarbeiter entfernt vom Roboter, wird hierfür eine grüne Zone angezeigt – der Roboter kann in vollem Tempo loslegen. Nähert sich der Mensch, dann wird die rote Zone aktiviert, der Roboter stoppt sofort. Wenn Mensch und Roboter sich treffen, etwa um Bauteile oder Werkzeuge zu tauschen, kommt zur grünen und roten noch eine gelbe Zone hinzu. Sie markiert den Kooperationsbereich. Jetzt bewegt sich der Schwerlast-Roboter vorsichtig und langsam.
Damit der Roboter richtig reagieren kann, muss er jederzeit Position und Laufwege des Menschen kennen, die er deshalb mithilfe mehrerer Kameras „sehen“ kann. Zwei Kameras sind oberhalb des Arbeitsbereichs angebracht, eine weitere auf dem „Kopf“ des Roboters erfasst den Nahbereich. So kann er Gesicht oder Hand des Mitarbeiters oder ein Bauteil in dessen Hand erkennen. Die Kameras werden mit diversen Sensoren ergänzt. Die vom IWU entwickelten intelligenten Algorithmen helfen bei der Auswertung all dieser Daten. Sie sorgen dafür, dass das Verhalten des Roboters und alle Sicherheitsregeln abhängig von der jeweiligen Aufgabe und Situation laufend angepasst werden. „Unser System ist im Labor bereits voll funktionsfähig und getestet. Ziel ist es, noch in diesem Jahr eine Anwendung von der Berufsgenossenschaft prüfen zu lassen und so den Einsatz in der Industrie zu ermöglichen“, sagt Professor Matthias Putz.
Moderne Werkstoffe effizient bearbeiten
Als weiteres Highlight intelligenter Produktionstechnik zeigten die Chemnitzer Forscher in Hannover ein System, das Bohr- und Fräswerkzeuge mithilfe von Ultraschall so in Schwingung versetzt, dass die Bearbeitung von faserverstärkten Keramiken und Kunststoffen wesentlich erleichtert wird. Der Werkzeugverschleiß soll sich dadurch um bis zu 50 % reduzieren, die erforderliche Bearbeitungskraft um bis zu 40 %. Beides spart bares Geld. Zudem lassen sich bestehende Werkzeugmaschinen ohne großen Aufwand nachrüsten.
Adaptronische Komponenten wie das Ultraschall-Schwingsystem sind ein wichtiger Bestandteil smarter Produktionsumgebungen. Wie sie künftig aussehen sollen, erforscht das IWU gemeinsam mit der TU Chemnitz und dem Fraunhofer-Institut für elektronische Nanosysteme ENAS im Leistungszentrum Smart Production. „Smart zu produzieren heißt, Daten nicht nur zu sammeln“, sagt Putz. „Es bedeutet vielmehr, sie intelligent zu verknüpfen und kontextbezogen zu selektieren, um neues Wissen zu generieren und dieses anwendungsspezifisch zur Verfügung zu stellen.“ (mw)
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