Industrie 4.0 beim Spritzgießen und Fortschritte beim Präzisionsspritzguss sind die Schwerpunkte der VDI-Jahrestagung Spritzgießen vom 21. bis 22. Februar in Baden-Baden. Vertiefen können Interessenten ihr Wissen beim Spezialtag „Lean Management als Voraussetzung für Industrie 4.0“.
Speziell der Spritzgussbereich ist stark durch mittelständische Strukturen geprägt – ein Umfeld, in dem das Tagesgeschäft häufig das komplette Team in Anspruch nimmt. „Leider bleibt da wenig Zeit für die strategische Unternehmensausrichtung und -gestaltung“, sagt Kerstin Krallmann, Geschäftsführerin von Erwin Quarder Werkzeugtechnik. „Damit der Anschluss an die sich verändernde Arbeitswelt nicht verpasst wird, widmet sich die diesjährige VDI-Jahrestagung Spritzgießen mit einer Vielzahl von Vorträgen vor allem dem Thema Industrie 4.0“, so Kerstin Krallmann, die gemeinsam mit Dr. Martin Wanders von Lanxess die Tagung leitet.
Schwerpunktfragen, die der Programmausschuss unter Vorsitz von Martin Würtele von KraussMaffei Technologies für die Jahrestagung erarbeitete, sind unter anderem: Wie gestaltet sich der Weg für ein Unternehmen in die Industrie-4.0-Welt? Wieviel Industrie 4.0 ist in der Kunststoffindustrie zweckmäßig, speziell im Spritzguss? Wie vernetze ich ein Unternehmen sinnvoll, um die Effizienz und Qualität zu steigern und dabei flexibel zu bleiben beziehungsweise flexibler zu werden?
Auch zu den Fortschritten im Präzisionsspritzguss wird es Fachvorträge aus unterschiedlichsten Bereichen geben. Die Möglichkeiten der Prozesssimulation werden ebenfalls betrachtet.
Mit den Themen „Prozessführungsmethoden beim Spritzgießen“ und „Temperaturregelung“ beschäftigt sich die Hochschule Rosenheim intensiv. Michael Späth, Abteilung F&E-Kunststofftechnik, wird die Vorgehensweise bei einer gesamtheitlichen Prozessanalyse des Spritzgießens darstellen. „Die entwickelte Methodik ermöglicht es, die Auswirkung der Störgrößen auf einzelne Prozessschritte und die Bauteilqualität aufzuschlüsseln.“ Auf Basis dieser Daten seien Verfahren entwickelt worden, um die störgrößenbedingten Auswirkungen auf das Formfüllverhalten fast komplett zu kompensieren, sagt er. Im Bereich Temperaturregelung wiederum entwickelte die Hochschule eine neuartige modelprädiktive Regelung für den Aufheizprozess eines Plastifizierzylinders. Ergebnis: In einem Beispiel konnten 36 % Zeit und 15 % Energie eingespart werden.
Dr. Harald Weber vom VDMA-Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen stellt in seinem Vortrag „Vom Industriestecker zur OPC-UA-Schnittstelle“ den standardisierten, Industrie-4.0-tauglichen Datenaustausch vor. „Durch einen intensivierten Datenaustausch zwischen den Maschinen in der Prozesskette können sowohl die Produktqualität als auch die Effizienz und Maschinenverfügbarkeit gesteigert werden.“ Standardisierte Schnittstellen seien dabei ein Schlüssel. Der europäische Dachverband Euromap entwickelt deshalb entsprechende Standards mit Datenmodellen auf Basis von OPC UA für die Branche. OPC UA (OPC Unified Architecture) ist ein Maschine-zu-Maschine-Kommunikationsprotokoll, das die OPC Foundation entwickelte.
„Wenn Maschinen sich gegenseitig über ihre Zustände unterrichten und produkt- und prozessbezogene Parameter austauschen, führt dies letztendlich zu einer gesteigerten Produktqualität und einer höheren Prozesseffizienz“, erklärt Weber. Werde zum Beispiel ein Trockner genauer über den Materialbedarf der nachfolgenden Spritzgießmaschine informiert, könne er seine internen Prozesse daraufhin optimieren.
Dr. Winfried Schmidt, Leiter Forschung und Entwicklung bei Oechsler, wird die Potenziale aufzeigen, Spritzgussteile schneller in der notwendigen Qualität zu erstellen. „Bei Nutzung der passenden Messtechnik sind deutliche Einsparungen an Zeit und Kosten möglich wie etwa eine komplette Korrekturschleife im Optimierungsprozess“, sagt er. Als typische Anwendungen, für die das nötig ist, nennt er Gehäuseteile für Aktuatoren oder Elektronikbauteile – Komponenten, bei denen die Kunden in der Regel unter Zeitdruck drängen, den Freigabeprozess schnell abwickeln zu können.
Wie Mitarbeiter für Industrie 4.0. begeistert werden können, darüber wird Prof. Dr. Gunther Olesch sprechen, Geschäftsführer von Phoenix Contact. „Industrie 4.0 ist eine große Chance für die deutsche Industrie, weiterhin ihre Top-Position im Weltmarkt zu behaupten“, betont er. „Dabei ist es notwendig, unseren Mitarbeitenden Mut und Qualifikationen zur Digitalisierung zu vermitteln.“ Unsicherheiten gegenüber Industrie 4.0 müssten durch umfangreiche Informationen abgebaut werden und Betriebsräte sollten eingebunden werden. Schließlich müsse das Management durch Glaubwürdigkeit und Wertschätzung die Mitarbeitenden zu Industrie 4.0 motivieren, wenn nicht sogar begeistern.
Mit Blick auf die Einsparpotenziale sagt Olesch: „Man sollte Industrie 4.0 primär als Wachstumsschub betrachten und nicht so sehr als Mittel zur Kostenreduzierung. Keine Innovation der Welt ist zustande gekommen, weil man nur Kosten reduzieren wollte.“
Annedore Bose-Munde, Fachjournalistin in Erfurt
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