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„Leichtbau ist nicht immer zwingend“

Fraunhofer-Elektromobilitäts-Professor Holger Hanselka über die Wahl der Werkstoffe
„Leichtbau ist nicht immer zwingend“

„Leichtbau ist nicht immer zwingend“
Gibt Karbonfasern gute Chancen, doch schließt auch Stahl nicht als Werkstoff aus: Professor Holger Hanselka Bild: Fraunhofer
Die Auswahl der richtigen Werkstoffe beschäftigt die Hersteller von Elektroautos. Vor allem Leichtbaumaterialien wie CFK rücken in deren Fokus. Doch Professor Holger Hanselka, Hauptkoordinator der Fraunhofer Systemforschung Elektromobilität (FSEM) erklärt, dass der Faktor Gewicht zu Lasten anderer Parameter nicht überzubewerten ist.

Leichtbau für Karosserie, Fahrwerk und Chassis spielt heute schon eine große Rolle. Warum kommt dem Thema bei Elektroautos eine besondere Bedeutung zu?

Generell hat Leichtbau meist zum Ziel, den Kraftstoffverbrauch von Fahrzeugen zu reduzieren. Bei Elektrofahrzeugen kommt das hohe Gewicht der Batterie hinzu, diese sind deutlich schwerer als ein voller Kraftstofftank. Insofern sucht man hier je nach Zielmarkt nach Möglichkeiten, an anderen Stellen im Fahrzeug Gewicht einzusparen.
Was heißt, je nach Zielmarkt?
Es wird bei Elektroautos eine stärkere Differenzierung nach Nutzungsprofilen geben als wir dies heute kennen: Es wird kleine, handliche Fahrzeuge für den Stadt- und Kurzstreckenverkehr und solche für den Langstreckeneinsatz geben. Bei letzteren kommt es auf das Gewicht weniger an. Insofern spielt der Leichtbau bei ihnen eine nicht so große Rolle.
Sehen Sie spezielle Materialien für Elektroautos auf dem Vormarsch?
Nein, es gibt keine neuen Werkstoffe, nur weil Elektroautos im Kommen sind. Wir werden in den tragenden Bereichen weiterhin Stahl als auch Aluminium und faserverstärkte Kunststoffe antreffen. Bei nicht-tragenden Bereichen können es reine Kunststoffkonstruktionen ohne Füllstoffe sein, also etwa Dächer aus Polycarbonat. Eine große Rolle spielt dabei aber die Produktionstechnik: Bei Kleinserien sind Kunststoffe mit Faserverbundkonstruktion wirtschaftlicher, bei Großserien hingegen Stahl- und Aluminiumkonstruktionen. Bei Großserien denke ich zwar nicht an Stückzahlen, wie sie die Golf-Klasse erreicht hat. Doch ein Elektrostadtauto, das weltweit in allen Megacitys Einsatz findet, kommt durchaus auf hohe Stückzahlen.
Selbst Stahl schließen Sie für die Zukunft nicht aus?
Keineswegs, dafür gibt es keinen Grund. Neuere Stähle wie etwa Mehrphasenstähle erfüllen die Anforderungen durchaus. Außerdem gibt es keine generelle Regel, die besagt: Eine Stahlkonstruktion ist immer schwerer als eine Aluminiumkonstruktion und diese wiederum schwerer als eine Kunststoffkonstruktion. Das hängt stark von den zu berücksichtigenden Parametern wie etwa der Crashsicherheit ab. Egal, mit welchen Werkstoffen das Fahrzeug konstruiert wird: Dies ist dann das bestimmende Attribut. Andere Faktoren wie Leichtbau spielen in diesem Fall dann eine untergeordnete Rolle.
BMW will sein Megacity Vehicle vorrangig mit Hilfe von Karbonfasern (CFK) fertigen. Ist das für Sie angesichts der hohen Kosten ein ernst zu nehmender Plan – oder eher eine Imagesache?
Das ist eine spannende Entwicklung. Die Entscheidung für CFK ist sicherlich vor dem Hintergrund einer relativ kleinen Serie gefallen. Klar ist, dass man durch die Wahl für diesen Werkstoff wahrscheinlich das leichteste aller Autos realisieren kann. Allerdings muss der Hersteller abwägen, bis zu welcher Stückzahl ein mit CFK gefertigtes Fahrzeug kostengünstiger ist – und ab wann sich ein anderer Werkstoff rechnet, bei dem er Kompromisse hinsichtlich des Gewichts eingehen muss. Diese Parameter müssen gegeneinander abgewogen werden.
Ist ein CFK-Elektroauto damit heute überhaupt finanziell darstellbar?
Aus heutiger Sicht durchaus. Wenn ein Elektroauto heute auf den Markt käme, wäre die Batterie die kostendominierende Größe. Für den Gesamtpreis spielt es dann eine untergeordnete Rolle, ob die Karosserie 100 Euro teurer ist. Das muss man ganzheitlich sehen.
Sabine Koll Journalistin in Böblingen
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 4
Ausgabe
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