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Mit Diamant durch den Graphit

Elektrodenfertigung: Graphitbearbeitung erfordert spezielles Know-how
Mit Diamant durch den Graphit

Die Funkenerosion hat sich stärker entwickelt als erwartet. Dazu beigetragen hat die zunehmende Verwendung von Graphitelektroden. Allerdings sind abgestimmte Werkzeuge für die Elektrodenfertigung notwendig, um das Optimum aus dem Werkstoff herauszuholen.

Auf den ersten Blick haben Graphitelektroden nur Vorteile. Durch die Funkenerosion lassen sich damit Geometrien realisieren, die frästechnisch nicht möglich sind. Dabei ist Graphit im Gegensatz zu Kupfer, das ebenfalls für Elektroden verwendet wird, thermisch stabil. Zudem verformt es sich nicht während des Erodierprozesses und weist hohe Abtragsraten auf. Die Oberflächengüte ist speziell mit Feinkorngraphiten deutlich höher. Und beim Schruppen ist nur mit geringem Verschleiß zu rechnen.

Vor allem aber spart der Anwender mit Graphit viel Zeit und Material im Vergleich zu Kupfer. So lässt sich der Aufwand für Formeinsätze um glatt die Hälfte reduzieren. „Wo mit Kupfer rund hundert Einzelelektroden nötig wären, reicht mit Graphit unter Umständen schon ein Viertel davon“, berichtet Wolfang Lenarz von der SGL Group, einem Anbieter von Graphitprodukten. Hinzu kommt: Im Vergleich zu Kupferelektroden verkürzt sich die Zeit für das Erodieren auf rund ein Drittel.
Doch bevor sich die Vorteile nutzen lassen, müssen die oft filigranen Elektroden erst einmal gefertigt werden. Das ist mit besonderen Ansprüchen verbunden, denn bei der Bearbeitung von Graphit gelten andere Gesetzmäßigkeiten als bei metallischen Werkstoffen wie beispielsweise Kupfer. Das beginnt bereits bei der Auswahl des Graphits. „Je nach Größe und Geometrie der Elektrode oder dem technischen Stand der verwendeten Senkerodiermaschine muss sich der Nutzer zwischen Schrupp-, Universal- oder Schlichtgraphiten entscheiden“, so Lenarz. Die Unterschiede liegen in Dichte, Korngröße und Biegefestigkeit. Dies wirkt sich auf das Abtragsverhalten, die Verschleißfestigkeit beim Erodieren und schließlich auf die erreichbare Oberflächengüte aus.
Allen Graphitsorten gemein ist die abrasive Natur des Staubes, der bei ungeeignetem Werkzeug oder falscher Einstellung zu geringen Standzeiten in der Elektrodenfertigung führen kann. „Lange Standzeiten bei hoher Genauigkeit und konstanter Qualität sind allerdings die Grundansprüche, die an die Fräswerkzeuge gestellt werden“, meint Oliver Sigel, Geschäftsführer der auf hochpräzise Fräser spezialisierten Dima Werkzeuge GmbH. „Vor allem deshalb, weil mit Graphit in der Regel feine Details realisiert werden sollen.“ Diese würden bei Schwankungen im Rundlauf des Fräsers oder durch ein Ausbrechen des Werkzeugs zerstört werden.
Um das zu vermeiden, verwendet das Unternehmen bei Graphit-Fräsern eine spezielle Diamantbeschichtung. „Wichtig sind dabei Qualität und Zusammensetzung des verwendeten Hartmetalls für den Fräskörper“, erklärt Sigel. Mit dieser Feinabstimmung von Metall und Diamantschicht lassen sich längere Standzeiten erreichen und die Genauigkeit erhöhen. Bei den geringen Rundlauf- und Durchmessertoleranzen, die in der Graphitbearbeitung auftreten, ist die Laufruhe ein entscheidendes Kriterium für die Qualität der gefertigten Elektrode. Deshalb werden die Fräser von Dima mit einer Schafttoleranz in H5-Qualität hergestellt, wodurch sie sich gut zum Schrumpfen eignen.
Auch die Programmierung der Elektrode muss auf den keramischen Werkstoff Graphit abgestimmt sein und lässt sich nicht mit der Bearbeitung von Kupfer vergleichen. Bei der SGL Group werden mehrtägige Workshops angeboten, um sich mit den besonderen Anforderungen des Materials vertraut zu machen. Insbesondere wird hier auf graphitspezifische Programmierstrategien, Schnittparameter und geeignete Fräswerkzeuge eingegangen. „Selbst Anwender, die schon lange Graphit einsetzen, können noch bis zu dreißig Prozent ihrer Werkzeugkosten einsparen“, berichtet Graphit-Experte Lenarz.
Für viele Anwender sind die spezifischen Vorgaben für Vorschub pro Zahn und Schnittgeschwindigkeit bei der Bearbeitung von Graphit ungewohnt, wie Sigel aus der Praxis weiß: „Die Werte dürfen nicht zu niedrig eingestellt werden, sonst verschleißt das Werkzeug schneller.“ Oft wird davon ausgegangen, dass ein langsamerer Lauf Maschine und Fräser schonen. Bei Graphit allerdings reibt sich durch eine falsche Einstellung das Fräswerkzeug im körnigen Staub auf, der wie ein Schleifmittel wirkt und die Schneidengeometrie zerstört.
Tatsächlich sollten für die Fertigung von Graphitelektroden sogar höhere Vorschübe und Geschwindigkeiten verwendet werden als bei Kupfer. Bei Drehzahlen von über 30000 U/min sind Vorschübe bis zu 25 m/min möglich. Beim Schruppen ist die Bearbeitungsgeschwindigkeit damit dreimal höher als bei Kupfer. Schlichten geht sogar fünfmal schneller. Grund dafür ist die gute Zerspanbarkeit von Graphit. Durch seine molekulare Struktur ist diese Kohlenstoff-Ausprägung weniger hart als beispielsweise Diamant. Beim Fräsen bilden sich keine Grate, was den Aufwand bei der Nachbearbeitung reduziert. Je nach Anforderung sind die Spezialfräser in verschiedenen Längen und Durchmessern als Kugelkopf- und Schaftausführung erhältlich.
Beim Präzisionsformenbauer Hans Zetterer Formen- und Werkzeugbau GmbH in Roth beispielsweise werden mit Graphitelektroden und Senkerosion jährlich rund hundert Werkzeuge mit Einzelgewichten bis zu 5 t hergestellt. Die Druck- und Spritzgussformen kommen vor allem in der Automobilindustrie zum Einsatz. „Wir nutzen Graphitelektroden, um komplexe Geometrien in die Bauteile unserer Druckgussformen einzuarbeiten“, erklärt Geschäftsführer Alexander Zetterer. „Andere Fertigungsverfahren wären dafür nicht geeignet.“
Die benötigten Elektroden werden an 3– und 5-Achs-HSC-Fräsmaschinen hergestellt. „Dabei ist zu beachten, dass Graphit sehr stoß- und schlaganfällig ist“, warnt Zetterer. „Deshalb sollte nur mit Gegenlauf gefräst werden, um Kantenbrüche zu vermeiden.“ Der umweltbelastende Graphitstaub wird direkt an den Fräsmaschinen durch Absauganlagen eingefangen. Zwar sind die Kohlenstoffpartikel nicht giftig, aber ohne Absaugung könnten sie sich überall absetzen und die Funktion der Maschinen beeinträchtigen. Im letzten Arbeitsschritt werden bei Zetterer die gefrästen Elektroden mit einem 3D-Messgerät vermessen und kontrolliert, ob die geringen Fertigungstoleranzen eingehalten wurden.
Christine Gassel Fachjournalistin in München
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