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„Spritzgussteile werden intelligente Funktionen übernehmen“

Entwicklungsleiter Prof. Georg Steinbichler von Engel sieht großes Potenzial in „Smart Plastics“
„Spritzgussteile werden intelligente Funktionen übernehmen“

Spritzgussteile werden intelligent: Solche „Smart Plastics“ propagiert eine Gruppe von Firmen in der Region Linz. Was machbar ist und noch sein wird, erklärt Prof. Georg Steinbichler, Entwicklungsleiter beim Spritzgießmaschinenbauer Engel.

Was kann man sich unter „Smart Plastics“ denn vorstellen?

Aus Sicht des Spritzgießmaschinenherstellers würde ich folgende Definition geben: Wo wir Funktionen, wie sie von Solarzellen, Batterien, Displays, Sensoren, Aktuatoren oder generell aus der Elektronik bekannt sind, in Spritzgussteile integrieren – und zwar in einer One-Shot-Technologie – da können wir von Smart Plastics sprechen. Smart Plastics sind also das Resultat einer besonderen Art von Funktionsintegration.
Funktionieren sie ähnlich wie elektronische Halbleiter?
Es wird sehr viel daran geforscht, Polymere für Halbleiter- und Schaltungsfunktionen nutzbar zu machen und umgekehrt, sie als Solarzellen und Energiespeicher oder als LED zu nutzen. Und es wird daran gearbeitet, diese Polymere mit den Materialien zu verbinden, die wir im Spritzguss verarbeiten. Der Begriff Smart Plastics ist also sehr breit gefasst.
Wird es also Kunststoff-Geräte geben, die sich über die Sonne selbst mit Energie versorgen, etwa Radios?
Ja, das ist keine Utopie. Zum Beispiel gibt es in ersten Entwicklungen bereits Taschen, die bei Sonneneinstrahlung das Notebook oder das Smartphone aufladen. Und diese Ladefunktion könnte man natürlich auch über Aktuatorik in Bewegungen umsetzen oder für den Betrieb eines Radios nutzen.
Wie lassen sich solche Polymerchips in den Spritzgießprozess mit seinen hohen Drücken und Temperaturen integrieren?
Es werden zum Beispiel elektronische Schaltungen aus Polymeren für Transponderfunktionen mit speziellen Verfahren auf Polymerfolien aufgedruckt. Beim Integrieren dieser Folien greifen wir auf Erfahrungen aus dem Inmold-Labeling oder anderen Folienhinterspritz-Technologien zurück, um die Polymerchips schadlos zu integrieren. Unser Clearmelt-Verfahren können wir beispielsweise nutzen, um kratzfeste und mit einer bestimmten „selbstheilenden“ Wirkung ausgestattete Oberflächen zu erzeugen.
Gibt es schon erste „smarte“ Spritzgussbauteile?
Auf der Messe Fakuma zeigen wir eine spritzgegossene Touchskin-Anwendung, Bei ihr muss man nicht wie beim Smartphone mit dem Finger auf einem glatten Touchscreen suchen, sondern erfühlt die richtige Taste durch ihre dreidimensionale Geometrie. Dadurch wird man beispielsweise beim Autofahren weniger abgelenkt.
Wo erwarten Sie den ersten Durchbruch für Smart Plastics?
Als nächstes werden wir smarte, spritzgegossene Bedien- und Betätigungsanwendungen auf dem Markt sehen. Sie sind für unterschiedliche Bereiche interessant, von Haushaltsgeräten über die Medizintechnik bis zum Automobil. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, Funktionen zu integrieren, um im Winter etwas zu enteisen, das Lenkrad vorzuwärmen oder etwas zu beleuchten. Es wurde bereits viel vorgearbeitet – jetzt geht es darum, Teile zu realisieren.
In welcher Relation stehen Kosten und Nutzen zueinander?
Schon heute macht diese Technologie vieles preisgünstiger. So können Touchskin-Anwendungen mechanische Elemente wie Dreh- und Druckknöpfe ersetzen, zum Beispiel im Automobil. Die dafür benötigten Funktionsfolien sind wesentlich kostengünstiger.
An welcher Stelle beteiligt sich Engel an dieser Entwicklung?
Hier muss ich vorausschicken, dass wir mit Unternehmen zusammenarbeiten, die jahrelang Vorarbeit geleistet haben. Darunter sind auch Spin-offs der Universität Linz wie das smarte Hightech-Unternehmen Plastic Electronic als Entwickler dieser intelligenten Touchskin-Technologie. Ganz in unserer Nähe beschäftigt sich zum Beispiel Hueck-Folien damit, wie sich hochgenaue Funktionsschichten aufdrucken lassen. Unser Part ist die Prozesstechnik, um diese empfindlichen Funktionselemente schonend zu verarbeiten, und natürlich die Anlagentechnik und Automatisierung, um dafür komplette Produktionszellen anbieten zu können.
Seit Januar gibt es die Initiative „Smart Plastics“ mit acht Mitgliedsfirmen, die alle aus Oberösterreich kommen. Welches Ziel verfolgt die Initiative?
Die Firmen hier aus der Region bilden eine geschlossene Wertschöpfungskette für solche Techniken und wollen sie in Produkte ummünzen, aber auch die dafür nötigen Produktionsanlagen als Komplettlösung anbieten. Außerdem wollen wir weitere Technologien mit den uns gegebenen Mitteln vorantreiben. Dazu diente auch der erste Smart-Plastics-Kongress im Juni in Linz, der ein großer Erfolg war.
Wie stellt sich die Initiative Smart Plastics im internationalen Wettbewerb um die Zukunftstechnologie?
Wir sind in Oberösterreich eine kleine aber feine Community, die schnell und flexibel agieren kann.
Heißt das, dass mittelständische Interessenten an Smart-Plastics-Anwendungen gut bei Ihnen aufgehoben sind?
Ja, auf alle Fälle!
Wird die Polymerelektronik in zehn bis zwanzig Jahren die Welt technisch verändert haben?
Bei den Möglichkeiten, die wir in der Polymerelektronik heute haben, gehe ich davon aus. Viele dieser Techniken werden jetzt schrittweise genutzt. In einem so langen Zeitraum wie in zehn Jahren werden viele der heute bereits vorhandenen Ideen umgesetzt sein.
Und das Hinterspritzen solcher smarten Folien wird im Vordergrund stehen?
Nein, das wäre zu kurz gegriffen. Die Polymerelektronik bietet nicht nur Add-ons wie intelligente Folien, die sich ins Werkzeug einbringen lassen. Auch Spritzgießp0lymere selbst werden verstärkt modifiziert und mit Eigenschaften wie elektrischer und thermischer Leitfähigkeit oder magnetischen Funktionen ausgestattet. Ein Spritzgussteil ist dann beispielsweise durch Füllstoffe beheizbar und weist an seiner Oberfläche diverse Touchskin-Betätigungselemente auf.
Die Spritzgießfertigung wird also intelligente Bauteile hervorbringen?
Ja, und zwar mit verschiedensten Funktionen, die im Polymer selbst und in der Oberfläche verankert sind.
www.smart-plastics.com Engel auf der Fakuma: Halle A5, Stand 5204
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