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Werkzeug- und Formenbau: Ganzheitliches Konzept steigert Effizienz
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Mit clever gestalteten Werkzeugen und Formen lässt sich der Ressourceneinsatz in der Produktion deutlich reduzieren. Insofern haben gute Special Tooler mit ihrem Prozesswissen viel mehr zu bieten als eine mechanische Einheit. Das Fraunhofer-IPT hat mit Total Efficiency Control einen Ansatz entwickelt, der hilft, die Mehrleistung weiter auszubauen und zu vermarkten.

Ein Viertel weniger Materialbedarf beim Spritzgießen. Erreicht, allein durch ein cleveres Werkzeugkonzept. „Für unseren Kunden hat sich sonst nichts geändert. Er produziert nach wie vor auf der gleichen Anlage“, sagt Reiner Rohlje. Schmunzelnd ergänzt der Geschäftsführer der Wiro Präzisions-Werkzeugbau GmbH & Co. KG: „Wir verkauften ihm etwas, von dem er noch gar nicht wusste, dass er es braucht.“

Das Unternehmen aus Olpe – im Wettbewerb „Excellence in Production“ zum Werkzeugbau der Jahre 2006 und 2008 gekürt – ist spezialisiert auf technologisch anspruchsvolle Werkzeuge für Schraubkappen, Verschlüsse und Tubenkomponenten. Wie es dazu kam, beschreibt der Chef so: „Vor einiger Zeit untersuchten wir, welche Kunststoffteile es auf dem Markt gibt, die gleich oder ähnlich sind. Und wir dachten intensiv darüber nach, wie sich diese Teile günstiger herstellen lassen.“ Das Ergebnis waren Werkzeuge mit mehr Kavitäten, speziellen Kühlsystemen und eben einigen guten Ideen, die den Materialbedarf in der Produktion reduzieren. Durch die verkürzten Zykluszeiten, die bessere Produktivität und eine hohe Prozesssicherheit amortisieren sich die Tools trotz des höheren Einstandspreises nach relativ kurzer Zeit. „Und dann verdienen die Kunden richtig gutes Geld damit“, sagt Rohlje zufrieden. Er weiß, wenn es seinen Kunden gut geht, haben sie die nötigen Mittel, um ihm wieder Aufträge zu erteilen.
Dass der Einfluss des Werkzeugs auf die Effizienz in der Produktion erheblich ist, das bestätigt auch Kristian Arntz. „Ein hinsichtlich Auslegung, Werkstoff und Fertigungsverfahren optimiertes Werkzeug reduziert in seiner Nutzungsphase nicht nur die Zykluszeiten und den Materialeinsatz, sondern vor allem auch den Energiebedarf. Alles zusammen lässt letztlich die Stückkosten der produzierten Teile schrumpfen“, erläutert der Diplomingenieur, der am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) unter anderem die Branchengruppe Aachener Werkzeug- und Formenbau leitet. Die Aachener Forscher haben einen Ansatz entwickelt, mit dessen Hilfe Formenbauer ihren Kunden einen echten Mehrwert bieten können. „Das Entscheidende an Total Efficiency Control – kurz TEC – ist das ganzheitliche Untersuchen der gesamten Lebenszykluskette, beginnend bei den Herstellkosten fürs Werkzeug über die Ressourceneffizienz in der Produktion, bis hin zur Wartung und zum Recycling.“ Um sich vom Billigwettbewerb zu unterscheiden, müssen Special Tooler künftig noch stärker über den klassischen Bau von Werkzeugen hinausgehen. Was der Kunde wirklich braucht, lässt sich allerdings nur mit viel Know-how und Verständnis für dessen Produktionsprozesse beurteilen.
„Der Ansatz ist richtig“, bestätigt Willi Schmid. Der Geschäftsführer des Branchenverbands VDWF in Schwendi relativiert jedoch: „Von einem gelungenen Geschäft müssen beide Parteien – Käufer und Verkäufer – profitieren.“ Das werde derzeit allerdings durch die monetären Rahmenbedingungen und die Marktlage erschwert. Wolfgang Faßnacht, Gründer und Chef des Unternehmens W. Faßnacht Werkzeugbau in Bobingen, ergänzt: „Infolge der Finanzkrise ist die Kapitalausstattung vieler Kunden dürftig und das wirkt sich derzeit äußerst negativ auf die Zahlungsmoral aus. Darunter leiden viele Zulieferer – selbst die, die wie wir gut zu tun haben.“ Kristian Arntz gibt zu: „Uns ist bewusst, dass in einigen Branchen, insbesondere im Automotive-Bereich, angesichts der Krise wieder verstärkt auf den Preis geschaut wird.“ Mehrleistungen wie etwa ganzheitliche Prozesskonzepte zu erbringen, sei daher derzeit nicht das vordringliche Problem der Werkzeugbau-Branche. Dennoch gelte: Jetzt ist die Zeit, um sich die Grundlagen und die Strategien zu erarbeiten, mit denen man nach der Krise erfolgreich sein will. Wer jetzt mit einem ganzheitlichen Ansatz Lösungen findet, die Ressourceneffizienz in der Produktion zu verbessern, der wird seinen Konkurrenten voraus sein.
„Als Formenbauer sind wir immer gefordert, den Finger am Puls der technologischen Entwicklung zu haben“, sagt Willi Schmid. Die Aufgabe werde künftig aber auch sein, den Mehrwert gegenüber Billigangeboten zu vermitteln und in Rechnung zu stellen. „Wir müssen den ganzheitlichen Ansatz besser dokumentieren und klar herausstellen, was wir leisten, damit die Kunden den Nutzen erkennen“, betont der Verbandschef. Gerade auch dabei unterstütze der VDWF seine Mitglieder. Derzeit wird beispielsweise ein Angebotsformular ausgearbeitet, mit dem Leistungen festgehalten und ausgewiesen werden können.
Auch das Modell TEC liefert Argumentationsgrundlagen, die dem Formenbauer helfen, seine Mehrleistung zu kommunizieren und zu verkaufen und sich so von Billiganbietern abzuheben. Ein weiterer Vorteil in diesem Zusammenhang: Die reine Hardware eines Werkzeugs ist relativ einfach zu kopieren, das eingebrachte Technologieverständnis hingegen kaum. Und der Anwender profitiert noch mehr. Er kann in seiner Produktion massiv Kosten und Zeit einsparen – vorausgesetzt, er wählt einen kompetenten Special Tooler als Partner und ändert sein Einkaufsverhalten. Denn: Die effizienteste Gesamtlösung erfordert die Abkehr vom reinen Kostenstellendenken. Solange die Bereiche Beschaffung/Einkauf, Produktion und Wartung/Instandhaltung getrennt sind, wird jeder nur auf seine eigene Bilanz schauen. Ein Gesamtoptimum ist so ausgeschlossen.
Bereits heute bieten gute Werkzeug- und Formenbauer Prozesslösungen an. Dabei geht es jedoch fast ausschließlich um Kosten- und Zeiteinsparungen. „Der Energie- und Ressourceneinsatz in der eigentlichen Produktion wird noch so gut wie nicht betrachtet“, weiß Kristian Arntz. Doch gerade hier ist das Einsparpotenzial groß. Die Energiekosten machen einen signifikanten Anteil der Betriebskosten aus. Und der wird bei steigenden Energiepreisen noch wachsen. „Durchgängige Konzepte, energieeffiziente Prozesse und Technologien systematisch umzusetzen, fehlen bislang allerdings“, sagt der Forscher. Schätzungen gehen derzeit davon aus, dass sich der Energieverbrauch in der gesamten industriellen Produktion um bis zu 30 % reduzieren lässt. Ein großer Teil des Potenzials ließe sich mit Hilfe des Werkzeug- und Formenbaus heben. Stellhebel können in diesem Zusammenhang sein:
  • das Werkzeugkonzept, etwa durch den Einsatz konturnaher Kühlkanäle,
  • die Materialgestaltung des Werkzeugs,
  • die Gestaltung der Funktionselemente, beispielsweise indem aktorische Schieber die stark reibungsbehafteten mechanischen ersetzen, oder
  • die Oberflächenbeschaffenheit und tribologischen Effekte beim Blechumformen.
Allerdings sind dazu Daten erforderlich, die nicht ohne Weiteres zu bekommen sind. Sensoren, die ins Werkzeug integriert werden, könnten Informationen über die Prozesseffizienz oder das Verschleißverhalten liefern. Das ist zwar ein nicht unerheblicher Aufwand, aus technischer Sicht jedoch heute bereits überschaubar. Entscheidender ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Anwender bereit ist, sich dem Lieferanten zu öffnen. Zum großen Teil ist das auch ein Akzeptanzproblem. Insofern ist es noch ein weiter Weg, bis sich der volle Nutzen von TEC ausschöpfen lässt.
Doch schon der erste Schritt birgt reichlich Potenzial. Hier geht es darum, sich ein übergeordnetes Verständnis für die Prozesse beim Kunden zu verschaffen. Dazu kann es helfen, sich einen eigenen Versuchsbereich einzurichten, um beispielsweise Spritzgieß-Know-how zu sammeln. Alternativ lassen sich diese Möglichkeiten auch über Kooperationen erschließen. Dadurch kann der Formenbauer nicht nur ein Werkzeug, sondern einen schlüsselfertigen Prozess anbieten und sich selbst das Know-how erarbeiten, um seine Produkte weiter zu optimieren.
„Alles aus einer Hand anzubieten, ist schön und gut, wird jedoch leider nur selten bezahlt“, gibt Wolfgang Faßnacht zu bedenken. Die Kunden – speziell aus dem Automobilbereich – wollten zwar Komplettlösungen, aber zum gleichen Preis, für den ein Billiganbieter nur das nackte Werkzeug liefert. Der Werkzeugbauer des Jahres 2007 betont: „Die Lebenszykluskosten sind auch für uns ein wichtiger Aspekt. Wir rechnen unseren Kunden vor, welche Vorteile dieses Konzept bietet, stoßen aber regelmäßig auf taube Ohren.“ Oft stelle er fest, dass Angebote gar nicht gelesen, dass nur die Endsummen verglichen werden, sagt Faßnacht.
Reiner Rohlje meint dazu: „Zum Preis eines Fiat kann man keinen Ferrari kaufen.“ Wenn ein Kunde feilsche, biete er deshalb an, einzelne Ausstattungsmerkmale wegzulassen. „Ich erkläre aber auch, mit welchen Konsequenzen das verbunden ist, etwa hinsichtlich der Prozesssicherheit oder Produktivität. Meist wählt der Kunde dann die ursprünglich angebotene Version.“ So schaffe er es meist, den Mehrwert zu kommunizieren. „Das mag aber in anderen Branchen schwieriger sein. Und wir stellen auch fest, dass es in Europa – und insbesondere in Deutschland – schwieriger ist als in Asien oder Afrika.“ Dort sei selbst bei großen Unternehmen stets der oberste Chef beteiligt, wenn es um die Beschaffung von Werkzeugen geht. Der Vorteil: Er achtet auf den optimalen Gesamtprozess und nicht nur auf minimale Einstandskosten.
„Man sollte TEC jedoch nicht so verstehen, dass sich der Aufwand immer erhöhen muss“, betont Kristian Arntz vom IPT. „Oft lässt sich ein Werkzeug bei ganzheitlicher Betrachtung des Prozesses auch vereinfachen und damit günstiger anbieten.“ Sollen beispielsweise nur 50 000 Teile gefertigt werden, macht es keinen Sinn die Werkzeuge für 5 Mio. auszulegen. „Genau das schreiben aber viele Pflichtenhefte vor“, gibt Wolfgang Faßnacht zu bedenken. Oft handele es sich dabei um Standardtexte mit Forderungen, die völlig überzogen sind. Hier gelte es, umzudenken und sich wieder aufs Wesentliche zu konzentrieren. „Es darf nicht länger so sein, dass zuerst die Forderungen aufgestellt werden und erst dann darüber nachgedacht wird, was das Werkzeug eigentlich leisten soll und können muss.“
Angesichts sinkender Losgrößen und steigender Variantenvielfalt werden intelligente, günstige Konzepte für kleinere Stückzahlen an Bedeutung gewinnen. „Wer flexible Lösungen für schlecht prognostizierbare Stückzahlen anbieten kann, wird daher einen echten Wettbewerbsvorteil haben“, ist Kristian Arntz vom Fraunhofer-IPT sicher.

Total Efficiency Control (TEC) im Überblick

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Was ist TEC?
TEC ist ein Modell, mit dessen Hilfe Werkzeugbauer in Hochlohnländern gegen Billiganbieter bestehen sollen. Das Ziel ist, die Betriebe in die Lage zu versetzen, zu einer Ressourcen- und Kostenoptimierung entlang der gesamten Prozesskette der Produktion beizutragen und so ihren Kunden einen erheblichen Mehrwert zu bieten. TEC ist die Erweiterung des Total-Cost-of-Ownership-Ansatzes (TCO) um den Aspekt Ressourceneffizienz während des gesamten Lebenszykluses eines Werkzeugs.
Warum ist TEC wichtig?
Im Preiswettbewerb haben Betriebe aus Hochlohnländern keine Chance. Eingebrachtes Prozesswissen stellt für den Kunden einen erheblichen Mehrwert dar und rechtfertigt höhere Preise. Zudem lässt sich die Hardware des Werkzeugs relativ leicht kopieren – zumal viele Kunden die Konstruktion mitkaufen und bei Verhandlungen für Folgeaufträge häufig Wettbewerbern zur Verfügung stellen. Eine Prozessoptimierung hingegen lässt sich nicht so leicht kopieren. Sie erfordert Know-how.
Wie ist dieser Mehrwert zu erreichen?
Das Produkt Werkzeug muss sich zunehmend von einer mechanischen Einheit hin zur schlüsselfertigen Lösung mit integrierter Prozess- und Technologieoptimierung wandeln. Dazu gilt es unter anderem die Wechselwirkung zwischen Konzept, Herstellungsaufwand und Einsatzeffizienz eines Werkzeugs zu bewerten. Zur Lebenszyklusbetrachtung gehören auch eine vorbeugende Instandhaltung sowie – vor dem Hintergrund sich verschärfender Ressourcenengpässe – zunehmend das Wiederverwenden von Werkzeugen oder Komponenten.
Was muss gegeben sein, damit TEC funktioniert?
Der Werkzeugbau muss in die Lage versetzt werden, die gesamte Wertschöpfungskette seiner Produkte zu überblicken. Das erfordert vor allem auch ein Umdenken seitens der Kunden und eine offene Kommunikation zwischen Formenbauer und Abnehmer. Zum anderen muss der Special Tooler verstehen, was sein Kunde braucht, was für ihn einen echten Mehrwert darstellt. Diesen muss er dokumentieren und vermitteln können. Das wiederum erfordert neue Produkt- und Vermarktungsstrategien.
Was bringt TEC?
Aus Sicht des Formenbauers ist TEC eine von verschiedenen Möglichkeiten, sich dem reinen Kostenwettbewerb zu entziehen. Zudem bietet ein ganzheitlicher Ansatz den besten Schutz vor Produktpiraten. Auch wenn Energie- und Rohstoffkosten derzeit nicht die vordringlichsten Themen sind, so wird die Ressourceneffizienz künftig erheblich an Bedeutung gewinnen. Wer sich dann eine Strategie erarbeitet hat, um ganzheitliche Lösungen anbieten zu können, der hat einen Wettbewerbsvorteil. Für den Anwender ist der Vorteil noch größer: Er kann in seiner Produktion massiv Kosten einsparen – etwa durch einen geringeren Materialeinsatz, kürzere Zykluszeiten, höhere Prozesssicherheit oder die Möglichkeit zumindest Teile von Werkzeugen wieder zu verwenden.
Was kostet TEC?
Der Formenbauer muss sich Prozesswissen erarbeiten. Dazu kann es sinnvoll sein, einen Versuchsbereich einzurichten oder entsprechende Anlagen gemeinsam mit Kooperationspartnern zu nutzen. Die erforderlichen flexiblen Strukturen sind in den Betrieben meist bereits vorhanden. Anwender müssen umdenken und ihre Strukturen anpassen. Neben einer offeneren Kommunikation mit dem Lieferanten sind vor allem eine ganzheitliche Kostenbetrachtung und damit eine Abkehr vom reinen Kostenstellendenken nötig. hw

Marktchancen
Werkzeuge, Formen und Gesenke bestimmen die Effizienz in der Produktion wesentlich. Über den Lebenszyklus des Tools optimierte Prozesse erfordern – neben kompetenten Formenbauern – auch ein Umdenken seitens der Anwender und die Abkehr vom Kostenstellendenken. Denn: Die unterm Strich wirtschaftlichste Lösung kann in der Anschaffung durchaus teurer sein. Deshalb sollten Einkäufer nicht länger versuchen, den Einstandspreis der Tools ins Bodenlose zu drücken.
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