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Ultrakurze Blitze verdampfen Carbonfasern

Laser können CFK sauber trennen – mit den richtigen Prozessdaten
Ultrakurze Blitze verdampfen Carbonfasern

Das Schneiden, Abtragen oder Besäumen von Carbon mittels Laser hat seine Tücken. Wissenschaftler am Stuttgarter IFSW haben erforscht, unter welchen Voraussetzungen die Bearbeitung wirtschaftlich funktioniert und sicher zu hochwertigen Ergebnissen führt.

Carbonfaser-verstärkte Kunststoffe (CFK) sind in. Richtig eingesetzt, eröffnet der Konstruktionswerkstoff vor allem im Leichtbau bislang kaum für möglich gehaltene Potenziale. Allerdings ist das vermeintliche Wundermaterial extrem schwierig zu bearbeiten. Fast alle Disziplinen der Fertigungstechnik arbeiten deshalb daran, CFK schneller, sicherer und vor allem wirtschaftlicher in ein fertiges Bauteil zu verwandeln. Die Herausforderungen reichen vom energieeffizienten Herstellen der Fasern über den automatisierten Aufbau von Faserschichten bis zum Bohren, Besäumen oder Beschneiden der Rohteile.

An mehreren Stellen der Prozesskette bietet sich der Laser als Werkzeug fürs Be- und Verarbeiten des schwarzen Materials an. An allein drei Einsatzfeldern arbeiten etwa die Forscher des Laser Zentrums Hannover:
  • dem Beschneiden der Rohteile,
  • dem Verschweißen von Teilen oder dem Verbinden mit Befestigungselementen und
  • dem Abtragen von Schichten, beispielsweise für eine fachgerechte und hochwertige Reparatur beschädigter Stellen.
Dabei bietet der Laser eine Reihe von Vorteilen gegenüber anderen Verfahren. Anders als Bohrer und Fräser, die durch die extrem abrasive Wirkung von CFK sehr schnell an ihrem Standzeitende ankommen, arbeitet das Werkzeug Licht verschleißfrei. Die Gefahr schädlicher Einflüsse durch Wasser, Dampf oder Kühlschmierstoffe ist ausgeschlossen und zudem lässt sich der Laser sehr flexibel und präzise einsetzen. Letzteres ist gerade bei Reparaturarbeiten ein entscheidendes Kriterium und wird spätestens dann massiv an Bedeutung gewinnen, wenn BMW seine Fahrzeugmodelle der i-Reihe in größeren Stückzahlen auf den Markt bringt.
Doch auch das Werkzeug Laser hat beim Bearbeiten von Carbon seine Tücken. „Um die Fasern zu trennen, sind extrem hohe Temperaturen nötig, die die Kunststoffmatrix sofort zerstören“, sagt Dr. Rudolf Weber. „Dazu kommt, dass Grafit ein hervorragender Wärmeleiter ist und die Hitze sehr schnell ins Bauteil wandert“, ergänzt der Leiter der Abteilung Verfahrensentwicklung am Institut für Strahlwerkzeuge (IFSW) der Universität Stuttgart. Um die Basis für den wirtschaftlichen Lasereinsatz zu schaffen, erforschen die Wissenschaftler seit vier Jahren die nötigen Grundlagen. Dabei untersuchten sie unter anderem, was beim Eindringen von Wärme und beim Ausbreiten von Licht geschieht.
Rund 3600 °C sind erforderlich, um Carbon-Fasern zu verdampfen – zum Vergleich: die Sonnenoberfläche ist etwa 5500 °C heiß. Die Kunststoff-Matrix wird aber bereits bei rund 200 °C geschädigt. Dazu kommt, dass die Wärmeleitfähigkeit entlang der Faser etwa zehnmal so hoch ist als quer zur Faserrichtung. „Die Schwierigkeit besteht also darin, den thermischen Prozess der Laserbearbeitung bei einem extrem temperaturempfindlichen Werkstoff anzuwenden“, erklärt Weber. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, müsse man mit sehr hohen Strahlungsintensitäten arbeiten. Der ideale Bereich für die Laserbearbeitung von Carbon liegt laut dem Wissenschaftler zwischen 108 und 1012 W/cm2. Beim Bubenstreich, Sonnenlicht mittels einer Lupe auf einen Punkt zu fokussieren, wirken rund 100 W/cm2.
Derart hohe Intensitäten lassen sich entweder über eine vergleichsweise geringe Leistung und einen sehr kleinen Fokusdurchmesser erreichen, oder indem mit sehr hoher Spitzenleistung bei extrem kurzen Wirkzeiten gearbeitet wird. Sehr kleine Fokusdurchmesser sind aber schwierig zu erreichen und haben prozesstechnisch große Nachteile. Deshalb versprechen Ultrakurzpulslaser (UKP) ein gutes Ergebnis. Im Zusammenhang mit diesen Strahlquellen wird zwar öfter von kalter Bearbeitung gesprochen, dem entgegnet Weber jedoch: „Laserbearbeitung ist grundsätzlich immer ein thermisches Verfahren. Durch die extrem kurze Pulsdauer hat die Wärme jedoch nicht genug Zeit, maßgeblich ins umgebende Material zu fließen.“
Die Pulsdauer weiter zu verkürzen und die Leistung weiter zu steigern, bringt laut dem Wissenschaftler nicht den gewünschten Erfolg. „Folgen die Pulse zu dicht aufeinander, kommt es zu einer Wärmeakkumulation, die den gewünschten Effekt umkehrt und zu ähnlichen Ergebnissen führt wie ein Dauerstrichlaser.“ Aus diesem Grund sieht Weber Pikosekunden-Laser (1 ps = 10–12 s) bereits kritisch und die noch kurzpulsigeren Femtosekunden-Laser (1 fs = 10–15 s) als den falschen Weg in der Carbon-Bearbeitung.
Industrienahe Geschwindigkeiten bei guten Bearbeitungsqualitäten lassen sich laut dem Forscher mit einem 1-kW-Laser erreichen. „Im Pikosekunden-Bereich sollte der in drei bis vier Jahren verfügbar sein. Ich persönlich würde jedoch einen Nanosekunden-Laser bevorzugen, und den gibt´s bereits.“ Wo immer die Qualitätsanforderungen nicht zu hoch seien, bis zu 0,5 mm Randschädigung noch akzeptiert werden könnten, lasse sich der Laser beim Schneiden, Besäumen oder Schäften bereits wirtschaftlich einsetzen. Vorausgesetzt, der Bedarf ist groß genug, dass die Anlage im Dauerbetrieb laufen kann. „Die entscheidende Frage“, meint Weber, „ist hier weniger, ob der Laser die nötige Geschwindigkeit und Qualität liefert, sondern vielmehr ob die Industrie bereit ist, CFK als Baustoff in größerem Umfang einzusetzen.“ Denn nur dann ließen sich die Anlagen kontinuierlich betreiben, und das sei aufgrund der hohen Kosten die Voraussetzung für eine vernünftige Amortisationszeit. Derzeit liege das Nadelöhr also eher bei der Fertigung der Teile, der Einführung automatisierter Prozesse und der Frage, wie sich die Komponenten am Ende ihrer Lebenszeit entsorgen lassen, als bei den Möglichkeiten der Lasersysteme. Letztere hätten höchstens einen Anteil von etwa 30 % an der gesamten Problematik. Auf Laserseite gelte es vor allem in zwei Richtungen zu arbeiten: die mittlere Leistung der Strahlquellen muss steigen und die Strahlführungen müssen den Strahl noch schneller bewegen und präziser platzieren.
Potenziale sieht Weber derzeit vor allem im Automobilbereich, wo der CFK-Einsatz im größeren Umfang auch durch die Elektromobilität näher rückt. Viel hängt hier von den Erfahrungen ab, die BMW mit seinen i-Modellen macht. Auch in der Luftfahrt gibt es Versuchsprojekte, bis die Technologie aber auf breiter Basis zum Einsatz kommt, muss man wegen des hohen Qualifizierungsaufwands noch eine Flugzeuggeneration abwarten. Für den Werkstatt- und den Reparatureinsatz sind kleinere, kostengünstigere Laser interessant, die zwar nicht so schnell arbeiten, aber aufgrund des geringeren Bedarfs ausreichen.
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