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Vom Raumwunder bis zum Kultauto

Angesichts der Produktoffensiven der Autoriesen müssen E-Mobil-Pioniere ihre Nischenplätze festigen
Vom Raumwunder bis zum Kultauto

Rund 50 Elektroauto-Modelle entstehen derzeit weltweit, viele kommen 2012/13 in Serie auf den Markt. Vom erwachenden Interesse am Ökofahren könnten auch die E-Mobil-Pioniere profitieren. Bevor der E-Modus in zwei bis drei Jahren an Exklusivität verliert, sollten die kleineren, unabhängigen Hersteller darauf bedacht sein, ihre Nischen zu besetzen.

Sie heißen Mia, Luis, Reva oder Tango. Andere wiederum, die als City EL, Stromos, Smart ED oder Tesla unterwegs sind, geben ihre Zugehörigkeit schon eher Preis: Sei es, weil vom Elektrokabinenroller City EL immerhin rund 7000 auf den Straßen unterwegs sind, Daimler die Produktion des Elektro-Smart im Elsaß öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt hat und Tesla ohnehin als Inbegriff des elektromotorisierten Sportflitzers gilt und Stromautos durch diesen salonfähig geworden sind. Ob unter eigenem Namen vermarktet – wie Karabag (auf Basis des Fiat 500), importiert wie der indische Reva von der Würzburger Smiles AG, oder umgebaut wie der auf dem Suzuki Splash basierende Stromos von German E-Cars: Es sind vor allem die Pioniere der Elektromobilität, die derzeit mit Nischenprodukten den noch sehr bescheidenen Markt besetzen.

Vom gesteigerten Interesse am emissionsfreien oder wenigstens C02-reduzierten Fahren könnten die kleinen, unabhängigen Hersteller und Vertriebsorganisationen durchaus profitieren. Viel Zeit bleibt den Pionieren jedoch nicht. Seit Autokonzerne rund um den Globus die Elektrifizierung des Antriebsstrangs vehement vorantreiben, flankiert von satten Förderprämien der Politik, bläst den Nischenkönigen schon bald der raue Wettbewerbswind ins Gesicht. Während Hersteller wie Nissan, Mitsubishi und Citroën bereits im Vorjahr erste reinelektrische Serienfahrzeuge der neuen Generation ins Rennen schickten, plant die etablierte OEM-Riege erste Produktoffensiven in den Jahren 2012 und 2013.
Noch hinkt Deutschland als Produktionsstandort massenmarkttauglicher Stromer der ausländischen Konkurrenz weit hinterher. Die ersten E-Mobile, die keine umoperierten Benzindroschken sind, sondern von Anfang an um die Elektrotraktion herum entwickelt wurden, sollen im Jahr 2013 die Bänder des BMW-Werks in Leipzig verlassen. Bis dato investiert die BMW Group laut Firmenangaben 400 Mio. Euro und schafft rund 800 neue Arbeitsplätze. Unter der Submarke BMWi produzieren die Bayern in Sachsen das vollelektrische Stadtauto BMW i3 und den Elektrosportwagen BMW i8, der als Plug-in-Hybrid den eigenentwickelten Elektroantrieb mit einem Verbrennungsmotor kombiniert.
Entstehen soll „ein Serienauto, das dank extremem Leichtbau und geringerem Batteriegewicht die Reichweite des Elektro-Minis erreicht“, nennt Project-i-Projektleiter Ulrich Kranz die Besonderheit. Den elektrischen Aktionsradius des umgebauten Mini E gibt der Hersteller mit bis zu rund 250 km an. BMW denkt aber nicht nur über das Elektroauto nach, sondern auch, wie es genutzt werden kann. „Unsere Kunden erwarten von uns ein vernetztes Auto als Standard, das sich problemlos in vorhandene Infrastrukturnetze integrieren lässt“, formuliert Kranz den hohen Anspruch.
Die Konkurrenz will dem nicht nachstehen. So kündigte Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Einweihung zweier Mercedes-Benz-Windkanäle neulich in Sindelfingen an, die eigenen Fahrzeuge so grün zu machen, „dass unsere Wettbewerber gelb vor Neid werden“. Auch Martin Winterkorn, Chef der Volkswagen AG, hat genaue Vorstellungen, wie er den Konzern in puncto nachhaltige Mobilität aufstellen will: „Das Herz unserer Marke schlägt in Zukunft elektrisch. Unser Ziel ist es, bis 2018 Marktführer auch im Bereich der Elektromobilität zu sein.“
Zu diesen Machtansprüchen gesellen sich Ankündigungen von Audi, Toyota, Ford, Opel & Co., die den Markt der Elektromobile beträchtlich erweitern werden. Angesicht des noch begrenzten Angebots könnten die kleineren, unabhängigen Anbieter durchaus das erwachende Interesse an der nachhaltigen Mobilität auf sich ziehen. Gewiss reichen ein Aixam Mega e-City oder das vormals von der französischen Manufaktur Heuliez gebaute Raumwunder Friendly, das seit kurzem von einem Joint Venture mit dem Namen Mia zu neuem Leben erweckt und demnächst in Serie produziert wird, optisch nicht an einen eRuf-Porsche oder an den schicken Fisker Karma heran, den der amerikanische Elektrohybridhersteller beim finnischen E-Mobil-Pionier Valmet produzieren lässt. Diesen hochpreisigen, oft weit über 100 000 Euro teuren Sportboliden ist aber zugute zu halten, dass sie das Image der Stromer nachhaltig geprägt haben. Teslas zweisitziger Elektro-Roadster war nur der Anfang. Mit der Fließhecklimousine Model S greifen die Amerikaner jetzt die Oberklasse an – mit einem Preis, der angeblich unter 50 000 Euro liegen soll.
Zugleich wird der Markt von immer mehr Modellen durchdrungen. Ans untere Ende der Preisskala reiht sich Honda künftig gleich mit mehreren Baureihen kleinerer Stromer und Plug-in-Hybride ein, wenn auch zunächst nur Käufer in Japan und den USA zum Zuge kommen. Indem die Autokonzerne nach und nach alle automobilen Segmente ausfüllen, verliert der E-Modus zusehends an Exklusivität.
Wer indes seine Nische „konsequent besetzt, wird auch künftig auf diesem Markt seine Chancen haben“, ist sich Peter Grett sicher. Jetzt gehe es darum, diese Nischen zu finden und zu besetzen, rät der Experte, der seit vielen Jahren auf dem Gebiet alternativer Antriebssysteme unterwegs ist. Den kleineren Herstellern steht nach Meinung Gretts nur mehr ein Zeitfenster von zwei bis drei Jahren offen. Danach hätten die OEMs nahezu jede Marktnische fest im Griff. Andererseits könnten auch kleinere Anbieter von der Beschleunigung profitieren. Denn jeder von den OEMs ins Marketing investierte Euro dürfte sich auf die Marktentwicklung durchschlagen.
Der Markt für Elektrofahrräder hat dies vorweggenommen. Bevor Yamaha in Japan vor sieben Jahren eine großangelegte Marketingaktion lancierte, war die Technik zwar vorhanden, doch keinen interessierte das. Heute, rechnet Peter Grett hoch, würden dort jährlich bis zu 450 000 E-Bikes verkauft. „Einer musste die Kampagne starten, von der letztendlich der ganze Markt profitierte“, zieht der Branchenkenner eine Parallele.
Eine ähnliche Leitfunktion für den deutschen Elektroautomobilmarkt weist er dem hierzulande stark beworbenen Opel Ampera zu, dessen Pendant in den USA der Chevrolet Volt ist. In dessen Range-Extender-Konzept, in dem ein Verbrennungsmotor den Strom erzeugt, um den elektrischen Antrieb aufrecht zu erhalten, vermutet Grett „einen Meilenstein“. Wenn denn auch andere OEM werblich in die Offensive gingen, würde das Interesse der Kunden wachsen. Wer dann die Nischen konsequent besetze, so der Öko-Fachmann, habe durchaus Chancen.
In diesen Bereich vorgestoßen ist auch das in Aachen gegründete Unternehmensnetzwerk StreetScooter. Mit zahlreichen mittelständischen Automobilzulieferern haben RWTH-Wissenschaftler um Prof. Dr.-Ing. Achim Kampker das Konzept eines preisgünstigen, produzierbaren Elektroautos entwickelt. Das vor knapp drei Jahren gestartete E-Mobil-Konzept firmiert jetzt unter „Concept Zeitgeist“. Im Jahr 2013 soll das Vorhaben in Gestalt eines rein batteriebetriebenen stadtorientierten Serienfahrzeugs auf die Straße kommen, formuliert Kampker das Ziel. Demnächst auf der IAA in Frankfurt wird das Konsortium einen Prototypen präsentieren.
„Eine kleine Vorserie soll bis Ende 2012 aufgebaut werden“, nennt Kampker den Zwischenschritt, ab 2013 könnte jährlich eine Serie von rund 2000 Fahrzeugen produziert werden. Ohne die Batterie veranschlagt Kampker den Preis für das Elektroauto auf 5000 Euro. Insgesamt dürften die Kosten dann bei 12 000 bis 14 000 Euro liegen, rechnet er hoch. Denn nur ein kostengünstiges Elektroauto werde akzeptiert.
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