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Vorteilhafte Generalüberholung statt Neuinvestition

Durch Retrofit größere Typenvielfalt und deutlich höhere Ausbringung
Vorteilhafte Generalüberholung statt Neuinvestition

Im Rahmen eines Retrofit-Projekts der Firma Arburg hat der Maschinenbauer Burkhardt+Weber mit einem neuen Magnetspann-Vorrichtungskonzept ein Sonder-Bearbeitungszentrum modernisiert. Dabei konnte die Ausbringung um 30 Prozent gesteigert werden.

„Trotz erfreulicher Wachstumsraten und einer zunehmenden Automatisierung in unserer mechanischen Fertigung haben wir die Frage nach der Investition in ein neues Bearbeitungszentrum relativ schnell mit einem klaren Nein beantwortet“, erinnert sich Siegfried Finkbeiner, der Produktionsleiter der Arburg GmbH & Co. KG an die Anfangsphase des Retrofit-Projekts. Das Unternehmen in Loßburg im Nordschwarzwald gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Kunststoffspritzgießmaschinen. Arburg-Maschinen kommen in den unterschiedlichsten Branchen zum Einsatz, so zum Beispiel bei der Produktion medizinischer Einwegartikel wie Spritzen oder Infusionsprodukten. Die Automobilindustrie verarbeitet auf Arburg-Maschinen unterschiedliche Kunststoffe, unter anderem zu Regen- und Lichtsensoren oder Airbag-Komponenten.

„Meine Vorstellung war es, die beiden seit Ende der 80er-Jahre sehr zuverlässig arbeitenden Sonder-Bearbeitungszentren von Burkhardt+Weber von Grund auf zu modernisieren – mit der klaren Vorgabe einer größeren Typenvielfalt und einer deutlich höheren Ausbringung“, fasst Finkbeiner das Pflichtenheft für Burkhardt+Weber in einem Satz zusammen. Bis dato hatten die Loßburger auf der BW-Fertigungsanlage alle Maschinengrundgestelle für die Arburg-Maschinen bearbeitet.
Aufgrund der soliden mechanischen Grundstruktur des Bearbeitungszentrums lag eine Generalüberholung mit modernen Antriebs- und Steuerungskomponenten auch für die Retrofit-Experten von Burkhardt+Weber auf der Hand.
Gemeinsam mit den Verantwortlichen von Arburg haben die Reutlinger Maschinenbauer ein passendes Retrofit-Konzept entwickelt, das innerhalb eines straffen Zeit- und Kostenrahmens umgesetzt werden musste. Sie hatten dabei immer das Ziel vor Augen, die bestehenden Engpässe in den Herstellungsabläufen bei Arburg durch höhere Ausbringung bei unverändert hoher Qualität zu beseitigen.
Vor dem Umbau war die BW-Anlage klassisch als Doppelfahrständermaschine aufgebaut. Mittig befand sich ein großer Aufspanntisch in den Abmessungen 4000 mm x 1500 mm, auf dem Paletten im Wechselverfahren aus einem Palettenspeicher aufgeschoben werden konnten. An jeder der äußeren Längsseiten war eine 3-Achseinheit mit einer 4000 mm langen X-Achse installiert. Jede 3-Achseinheit war mit einem 25 kW Schwenkkopf für die Horizontal- und Vertikalbearbeitung sowie einem Werkzeugspeicher für 40 Werkzeuge ausgerüstet.
Der stabile Aufspanntisch sollte nach dem Umbau auf jeden Fall erhalten bleiben. Komplett ersetzt werden sollten hingegen die beiden Fahrständereinheiten, und zwar durch leistungsstarke 3-Achseinheiten mit schnellen Verfahrachsen, modernen drehmomentstarken Schwenkspindeln und vergrößerten Werkzeugmagazinen. Das Umbaukonzept sah außerdem die Implementierung einer Siemens Sinumerik NC-Steuerung der neuesten Generation vor. Die gesamte Fertigungseinheit sollte zusätzlich um eine Palettenablage ergänzt und die Gesamtergonomie der Anlage verbessert werden.
Um Zeit und Kosten zu sparen, griffen die Konstrukteure des Maschinenbauers Burkhardt+Weber bei der Modernisierung der beiden Fahrständereinheiten auf vorhandene Komponenten der Standard-Bearbeitungszentren zurück. Die BW-Plattform-Strategie hatte sich hier wieder einmal bewährt und sicherte eine minimale Entwicklungszeit unter Einsatz modernster Technologie. Um die tatsächliche Umbauzeit zu verkürzen, haben die Retrofit-Experten beide Einheiten komplett in Reutlingen vorgefertigt und getestet. Jeweils ausgerüstet mit einem 2,5 s schnellen Horizontal- und Vertikalschwenkkopf (8000 min-1 und 37 kW bei 100 %), beachtlichen 1490 Nm Drehmoment und 60 m/min schnellen Vorschubachsen haben sie der Forderung nach deutlich kürzeren Prozesszeiten Rechnung getragen.
Völlig neu entwickelt haben die Fachleute die zugehörigen Kettenmagazine mit Spezial-Werkzeugwechslern, die mit einer Kapazität von jeweils 60 Werkzeugen die Anforderungen an eine vollautomatische Zerspanung und an die gestiegene Variantenvielfalt bei Arburg zu erfüllen hatten.
Der gezielte Einsatz neuer, innovativer Komponenten hat die Maßhaltigkeit der Maschinengestelle deutlich erhöht. Dazu zählen unter anderem die Siemens 840D Steuerung, die Möglichkeit der Bedienung über mehrere umschaltbare Bedientafeln, eine digitale Antriebstechnik, Absolutwert-Messsysteme, Werkzeugkegelreinigung, Werkzeugbruchkontrolle, ein Tool-Dialog-System und eine elektronische In-Prozess-Messung. Die Programmierung und die Bedienung der Anlage konnten vereinfacht und die Ersatzteilversorgung mit Original-BW-Teilen für die Zukunft gesichert werden.
Wesentlicher Bestandteil des Modernisierungskonzepts war die Verbesserung der Ergonomie durch schnelleres Ein- und Umrüsten. Deshalb haben die BW-Vorrichtungsexperten das bisherige Konzept der hydraulischen Spannungen aufgegeben und stattdessen eine völlig neuartige, in der Breite automatisch verstellbare Spannvorrichtung mit Magnetspanntechnik entwickelt. Mit dieser Spannvorrichtung kann der Maschinenbediener bei Arburg unterschiedliche Gehäusebreiten und -längen automatisch zentrieren und optimal verzugsfrei spannen. Die elektromechanisch verstellbaren Seitenwangen schalten über eine Drehmomentbegrenzung ab, sobald die Magnetpolpaare anliegen. Im Anschluss werden die Magnetpolpaare elektrisch umgepolt und verriegeln sich selbst. Die Maschinengestelle bleiben durch die permanent magnetischen Kräfte sicher und verzugsfrei gespannt.
Der Einsatz war es Wert, das Ziel ist erreicht. „Wir schaffen mit der modernisierten BW-Anlage eine um 30 Prozent höhere Ausbringung, und das bei deutlich größerer Typenflexibilität“, fasst Arburg-Produktionsleiter Siegfried Finkbeiner das erfolgreiche Retrofit-Projekt zusammen.
Auch bei Burkhardt+Weber fällt das Fazit positiv aus. Die vorgegebene Umbauzeit konnte durch die kooperative Planungsphase und die Vorfertigung der wichtigen Maschinenkomponenten sogar unterschritten werden. Sicher hat dazu auch die enge, offene Zusammenarbeit mit den technisch versierten Experten von Arburg beigetragen.
Norbert Kraas Journalist in Tübingen
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