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Spezialstähle: Zäher, fester, robuster – modular justiert

Spezialstähle
Zäher, fester, robuster – modular justiert

Anwendungsspezifische Werkstoffe sind gefragt, um den Bedarf von Premiumherstellern zu decken. Sehr stark in diese Richtung hat sich Steeltec entwickelt. Ein Highlight ist die XTP-Technologie, die Hochleistungsstähle ohne teure Legierungselemente verfügbar macht.

Guido Olschewski
Leiter Qualität und Entwicklung bei Steeltec

Auf den ersten Blick ist Steeltec mit anderen global agierenden Spezialstahlanbietern vergleichbar. Ein zentraler Unterschied, den das Unternehmen der Schmolz+Bickenbach-Gruppe ausmacht, ist der selbst auferlegte Anspruch, über den eigenen Tellerrand als Stahlhersteller zu schauen und die Einsatzbedingungen des Stahls bei jeder Kundenanfrage mitzudenken und zu berücksichtigen: von der Stahlherstellung über die Verarbeitungsprozesse bis zum Praxiseinsatz als Hightech-Komponente in der Automobilindustrie, im Maschinenbau und in Hydraulikanwendungen. Diese Fähigkeit ist das Ergebnis intensiver technologischer Entwicklungen seit vielen Jahren.

Heute zählt Steeltec mit rund 550 Mitarbeitern in der Schweiz, in Deutschland, Dänemark, Schweden und in der Türkei zu den führenden Herstellern von Spezialblankstahl in Europa. Zum Produktportfolio gehören hoch- und höherfeste Spezialstähle, hochwertige Blankstähle, Spezialvergütungsstähle, Automaten- und Einsatzstähle sowie Edelbaustähle. Der Vertrieb erfolgt weltweit über das Sales & Services-Netzwerk der Schmolz+Bickenbach-Gruppe.

Steeltec identifiziert zukünftige Herausforderungen durch kontinuierliche Trendanalysen und entwickelt schon heute mit Forschungsinstituten anforderungsgerechte Lösungen. Moderne Mobilitätskonzepte führen zu steigenden Ansprüchen an die Festigkeit von Hightech-Werkstoffen – hohe Festigkeiten sind ein Schlüsselattribut, um die Wirkungsgrade zu steigern oder Bauteile kompakter und damit leichter zu konstruieren. Bereits mit den hochfesten Stahlsorten ETG mit Festigkeitswerten zwischen 800 und 1150 MPa verschafft das Unternehmen seinen Kunden Handlungsspielraum. Die ETG-Stähle verfügen schon im Lieferzustand über sehr hohe Festigkeiten und gute Zerspanungseigenschaften. Gegenüber konventionellen Vergütungsstählen sparen Anwender dadurch Zusatzoperationen wie Härten, Richten, Schleifen und Entgraten. Die Prozesskosten sinken.

2005 hat Steeltec neue Maßstäbe bei hoher Festigkeit gesetzt: Die höherfesten HSX-Stähle weisen werkstoffspezifisch Festigkeiten bis zu 1400 MPa auf und sind dennoch gut zerspanbar. Hochbelastete Bauteile werden dadurch noch stabiler. Diese Weiterentwicklung verdankt sich auch der intensiven Zusammenarbeit mit Swiss Steel: Das Schwesterunternehmen produziert das warmgewalzte Vormaterial, das in den Ziehereien von Steeltec zu Blankstahl verarbeitet wird. Das gezielte Modifizieren der Legierungsbestandteile bei der Stahlschmelze und der Prozessparameter auf der Walzstraße stellt wichtige Weichen für die Herstellung von anwendungsspezifischen Spezialstahllösungen. Steeltec hat seine Stahlprodukte umfassend charakterisiert und eine Dokumentation der Prozessparameter mit ihrer Wirkungen auf die Stahleigenschaften vorgenommen. Im Ergebnis gibt es für Steeltec nur noch wenige weiße Flecken auf der Entwicklungslandkarte.

Modularität sorgt für hohe Flexibilität

Mit dem HSX 90 baute Steeltec 2014 seine Position als Lösungsanbieter weiter aus. In Trendanalysen hatte der Stahlhersteller branchenübergreifend einen Bedarf erkannt, der nach wie vor besteht und den bisher kein Werkstoff erfüllen konnte: nach Bauteilen, die kompakt, druckdicht und langlebig sind. Hochfeste Stähle sind gefordert, die bauteilspezifisch auch für das Zerspanen, Schweißen und Kaltformen geeignet sind. Für Konstrukteure bedeutete die Werkstoffauswahl häufig Kompromisse. Typische Anwendungsbeispiele sind dünnwandige Bauteile, die in Assistenz- und Sicherheitssystemen sowie in modernen Motoren von Pkw im Einsatz sind.

Diese müssen oft sowohl Druckbeaufschlagung als auch Quer- und Längsbelastungen standhalten. Eine große Zuverlässigkeit und Beständigkeit in der Anwendung bieten Werkstoffe, die ein reines und homogenes Gefüge und eine hohe Isotropie der Eigenschaften mitbringen. Das trifft auf bainitische Stähle wie den HSX 90 zu. Es handelt sich dabei um einen modularen Entwicklungswerkstoff, der in Zusammenarbeit mit dem Kunden anforderungsgerecht in seinen Stahleigenschaften eingestellt wird. So entstehen individuelle und innovative Lösungen. Die Zugfestigkeit bewegt sich zwischen 700 und 1000 MPa, während die Bruchdehnung zwischen 10 und 20 % variieren kann. Bereits im Lieferzustand bringt der Spezialstahl hohe Festigkeiten mit und ist dennoch gut zerspanbar. Gleichzeitig eignet er sich für das Kaltformen, zum Beispiel von Gewinden, und das Schweißen.

Um die Vorteile der Modularität für das Fertigungsverfahren zu nutzen, variiert Steeltec unter anderem die Dehnung. Eine Schneckenwelle etwa, die in der Förder- und Antriebstechnik zum Einsatz kommt, wird häufig durch spanabhebende Verfahren hergestellt. Durch Reduzierung der Dehnung wird die Zerspanbarkeit verbessert. Bei Schneckenwellen, die per Kaltformung gefertigt werden, ist wiederum eine hohe Dehnung des Werkstoffs gefordert. Mit seiner Lösungskompetenz leistet das Unternehmen einen Beitrag zu einer wirtschaftlichen Fertigung und leistungsfähigen sowie langlebigen Produkten.

Energie + Kraft = ultrafeinkörniger Stahl

Know-how und State-of-the-Art-Verfahren sind untrennbare Voraussetzungen, um Stahlanwendern den technologischen Vorsprung am Markt zu sichern. Steeltec ist noch einen Schritt weitergegangen und hat gemeinsam mit Forschungsinstituten und einem Anlagenhersteller die sogenannte Xtreme Performance (XTP) Technology entwickelt und 2016 in Betrieb genommen. Das Ziel lautet: zäher, fester, robuster. Eine exzellente Zähigkeit des Stabstahls verhindert, dass er bei schlagender Belastung bricht. Für die Widerstandskraft des Stabes bei Quer- und Längszugbeanspruchung ist eine hohe Festigkeit unerlässlich. Stahl mit einem extrem hohen Niveau beider, eigentlich gegenläufiger Eigenschaften ist jedoch eine Seltenheit. Sinkt zudem die Umgebungstemperatur in den tiefen Minusbereich, lässt die Zähigkeit des Werkstoffs häufig nach. Bauteilversagen ist die Folge. Bei hochbelasteten Bauteilen, wie Bolzen und Schrauben für Baumaschinen oder Schneeraupen, Federbügel für Lkw und Wellen in Getriebe- und Elektromotoren, ist Prozesssicherheit jedoch oberstes Gebot.

Mit XTP Technology behandelter Stahl lässt Anwender auf ganz neue, hochleistungsfähige Stahllösungen für dynamische Belastungen und Technologielebenszyklen bauen – ohne den Einsatz von teuren Legierungselementen. Die dynamische Belastbarkeit steigt um mindestens 10 %. Die hohe Zähigkeit des Stabstahls verhindert, dass er bei schlagender Belastung bricht. Dabei hält das Material auch Tiefsttemperaturen bis −101 °C stand. Das bedeutet mehr Flexibilität im Design und mehr Freiheit in der Konstruktion. Bauteile werden widerstandsfähiger, unter anderem gegen Rissbildung, oder lassen sich ohne Kräfteverlust redimensionieren.

Das Verfahren ist anwendbar auf eine Vielzahl von Stählen, etwa auf unlegierten und mikrolegierten Stahl oder Vergütungsstahl. Das Ergebnis der Hochumformung des Stahls mit kontrollierter Temperaturführung ist eine gezielte Kornfeinung, mit der das Verhältnis von Festigkeit und Zähigkeit verbessert wird. Im Vergleich zu marktüblichen Verfahren unterschreitet Steeltec mit dieser weiterentwickelten Technologie die konventionell erreichbaren Korngrößen: Beispielsweise wurden beim mikrolegierten 38MnVS6 Korngrößen von 2,8 µm erreicht. Das Korn ist noch nicht einmal halb so groß wie das mit dem marktüblichen thermomechanischen Verfahren erzeugte.

Steeltec stellt die Austenitisierungs- und Umformtemperatur sowie den Umformgrad für jeden Fertigungsauftrag individuell ein, sodass einzelne Stahlsorten gezielt bearbeitet werden können. Ihre mechanisch-technologischen Kennwerte sowie die Korngröße des Stahls werden in diesem Schritt bestimmt – abhängig davon, was der Werkstoff im Einsatz leisten muss. Als Lösungsanbieter investiert das Unternehmen kontinuierlich in die Optimierung von Prozessen, Prüfmethoden und Technologien, um bestehende technische Grenzen zu überwinden und Kunden die anwendungsspezifisch stärkste Blankstahllösung zu ermöglichen.


Xtreme Performance Technology (XTP)

XTP entfaltet durch kontrolliertes Einstellen von Temperatur, Umformgrad und Abkühlgeschwindigkeit bisher ungenutzte Eigenschaftsreserven von Standardwerkstoffen – ohne teure Legierungselemente. Je nach Bedarf werden Kombinationen von sehr hoher Festigkeit und guter Zähigkeit möglich, ebenso wie eine Variante mit extrem gesteigerten Zähigkeitseigenschaften. Das gelingt durch Einstellen außergewöhnlich feinkörniger Stahlgefüge mit Korngrößen unter 5 µm.

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