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Überall unkompliziert laden

Wesentliche Voraussetzung für die E-Mobilität ist eine flächendeckende Ladeinfrastruktur
Überall unkompliziert laden

Trotz aller Unkenrufe kommt Bewegung in die Elektromobilität. Das Angebot von Hybrid- und E-Fahrzeugen wächst und an einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur wird mit Nachdruck gearbeitet. Ziel ist es, dem Nutzer von E-Fahrzeugen unabhängig vom vertraglichen Stromversorger oder Betreiber in Europa zu jeder Zeit ein problemloses Laden zu ermöglichen.

Das von der Bundesregierung im „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“ festgelegte Ziel, bis zum Jahr 2020 rund eine Million Elektrofahrzeuge aus deutscher Produktion in Verkehr zu bringen, scheint Skeptikern wie Ferdinand Dudenhöffer zu hoch gesteckt. „Nach meiner Einschätzung wird es nicht klappen, die Elektromobilität in den nächsten zehn Jahren in Deutschland zum Laufen zu bringen“, ist der Autoexperte von der Uni Duisburg überzeugt. Doch trotz bislang schwacher Verkaufszahlen glaubt Bundeskanzlerin Angela Merkel an die Zukunft des Elektroautos in Deutschland. „Das Ziel ist und bleibt: Wir wollen bis 2020 eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen bringen”, sagte sie zum Auftakt der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt am Main.

Und tatsächlich nimmt das Zukunftsprojekt Elektromobilität trotz bisher noch weitgehend fehlender Akzeptanz beim potenziellen Kunden langsam Fahrt auf. Zwar verhindert der Preis des Elektroautos wegen der teuren Batterien noch eine schnellere Entwicklung der E-Mobilität, aber hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen für den Markthochlauf, der nach den Plänen der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) 2015 starten soll. Dabei ist die Ladeinfrastruktur eine wichtige Voraussetzung für die Ausbreitung der Elektromobilität. Dass sich hier etwas bewegt, belegt eine aktuelle Studie des Marktforschungsunternehmens Frost & Sullivan. Danach befindet sich der europäische Markt für Ladeinfrastruktur im Aufwind: Die Marktforscher rechnen mit einem jährlichen Wachstum von über 113 %. So soll die Zahl der Ladestationen in Europa von 7250 im Jahr 2012 auf voraussichtlich über 3,1 Mio. bis 2019 anwachsen. Frankreich, Deutschland, Norwegen und Großbritannien dürften den Markt durch ihre hohe Akzeptanz von Elektrofahrzeugen in diesen Ländern anführen. Die Verfügbarkeit einer Ladeinfrastruktur spielt eine entscheidende Rolle für die Beibehaltung der Wachstumsdynamik von Elektrofahrzeugen. Dies beinhaltet wiederum einen einfachen Zugang zu Ladestationen, der die Angst vor der Reichweitenbegrenzung aufheben kann, und gewährleistet, dass Fahrer von Elektrofahrzeugen längere Zeit fahren können.
Das Aufladen erfordert künftig aber auch eine deutliche Verhaltensänderung des Fahrers. Klaus Rowecki, Offer Manager EVlink Elektromobilität der Schneider Electric GmbH in Ratingen, macht das mit dem Leitspruch seines Hauses deutlich: „Ich halte nicht mehr an um zu laden, sondern ich lade, wenn ich halte.“ Demzufolge muss sich der Nutzer die Frage stellen, in welchen Fällen er wo das Auto laden soll. „Heute stellt sich klar heraus, dass die Mehrzahl aller Ladevorgänge zu Hause im Carport oder in der Garage erfolgen wird“, berichtet er. Denn wenn der Nutzer die Zeit habe, über Nacht zu laden, könne man locker mit 10 oder 14 Ampere arbeiten und die Ladezeit voll ausschöpfen. „Bei anderer Verweildauer, wie zwei Stunden beim Einkaufen, eine Stunde im Parkhaus oder vier Stunden auf dem Firmenparkplatz, habe ich natürlich ganz andere Anforderungen an die Stärke der Beladung“, stellt er fest.
Grundsätzlich hänge die Ladezeit davon ab, welche Ladetechnik im Fahrzeug verbaut sei, erklärt Stefan Gattwinkel, Leiter Entwicklung Ladesysteme bei der Mennekes Elektrotechnik GmbH & Co. KG in Kirchhundem. Bei relativ einfacher Ladetechnik mit einphasiger Ladung aus der Schuko-Steckdose, im Bereich von 3,7 kW, müsse eine 20-kW-Batterie schon einige Stunden am Netz hängen. „Mittlerweile gibt es Fahrzeuge mit dreiphasigem Lader und einer Ladeleistung bis zu 22 kW, da wird das ganze Szenario in einer Stunde abgewickelt“, weiß er. Und mit hochstromigen Ladestationen, die bei entsprechender Spannung bis in Bereiche von 200 Ampere vordringen könnten, ließe sich die Ladezeit gar auf eine viertel Stunde reduzieren. Allerdings sei dazu eine Gleichstromversorgung notwendig, wobei die Ladetechnik nicht mehr im Auto, sondern in die Ladestation verlegt werde.
Den jetzt schon erreichten Stand der Technik belegt Rowecki mit den Schnellladestationen von Schneider Electric: „Diese Stationen können im DC-Bereich oder auch im AC-Bereich mit 63 Ampere oder 43 Kilowatt Autos in 20 Minuten zu 80 Prozent aufladen.“ Bei der Schnellladung gehe man heute nicht mehr auf 100 %, das mache keinen Sinn, weil sich die Ladehysterese abflache und dann mehr Zeit benötigt werde.
Hinsichtlich der Technik der Ladestationen bieten große Marktplayer wie Mennekes oder Schneider Electric für alle denkbaren Fälle, sei es zu Hause, auf dem Firmenparkplatz oder öffentlich in Parkhäusern oder Parkplätzen, angepasste und ausgereifte Lösungen an. Speziell bei öffentlichen Ladesystemen gelte es, eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, berichtet Christoph Lübke. „Das reicht von der mechanischen Stabilität über den Anprallschutz bis hin zum Korrosionsschutz“, erklärt der Produktmanager Ladesysteme bei Mennekes. Vandalismus sei ebenfalls ein großes Thema. Daher gelte es, über die Schlagfestigkeit den Schutz der eingebauten Geräte zu garantieren. „Unsere Ladesteckdose ist im öffentlichen Bereich verriegelt, damit nicht Schmutz, Kaugummi oder sonstige Dinge eingeführt werden können; gegen Sprayer-Attacken verwenden wir Folien und bei Lacken Material, das leicht zu reinigen ist“, spricht er verschiedene Maßnahmen an.
Auch für die Ladesteckdose muss ein hoher Schutzgrad garantiert sein. So darf keine schädliche Menge Feuchtigkeit eindringen, keine Feuchtigkeit an die Kontakte gelangen und eine Berührung mit den Kontakten muss ausgeschlossen sein. Mit der im Januar dieses Jahres ausgesprochenen Empfehlung der EU-Kommission in Brüssel, den von Mennekes entwickelten Typ 2 auf der Infrastrukturseite als Ladesteckdose in ganz Europa einzusetzen, ist ein wichtiger Schritt zu einem einheitlichen Ladesteck-Vorrichtungssystem getan. Wenn das europäische Parlament diese Empfehlung im Dezember bestätigt, kann die lange Diskussion über unterschiedliche Auffassungen der Länder in Sachen Sicherheit beendet werden. Dann erhalten Italien und Frankreich auf einer einheitlichen Basis lediglich noch einen sogenannten Shutter als Vorsatz. „Im Markt hat diese Empfehlung der EU-Kommission schon eine deutliche Gewichtung“, stellt Lübke fest, „sie hat schon jetzt die Nachfrage nach der Ladesteckdose Typ 2 verstärkt.“
Jedoch müssen, um Ladestationen im öffentlichen Bereich betreiben zu können, weitere Herausforderungen überwunden werden. Schließlich beziehen sie die Energie aus dem Versorgungsnetz von Gebäuden. Daher müssen diese Säulen mit einem Netzübergabepunkt ausgestattet sein. Dabei ist zu gewährleisten, dass in Zeiten von Lastspitzen hinreichend Energie für den Verbrauch im Gebäude und für die Ladesäulen zur Verfügung steht. „Ist das bei Lastspitzen nicht gewährleistet, hat man automatisch ein Auslastungsproblem oder es löst eine Sicherung aus und es kommt zu einem Blackout“, beschreibt Rowecki die Situation. Das Gebäude müsse daher auch mit dem Netz so verbunden sein, dass die gesamte Energiebilanz noch stimme. Das könne nur mit einem konsequenten Energiemanagement und einem intelligenten Netz gelöst werden.
Voraussetzung für das Laden an einer öffentlichen Ladestation ist ein Vertrag mit dem Betreiber oder einem Energieversorger, ähnlich wie beim Handy. Will der Nutzer an einer Ladestation laden, muss er sich über seine Kundenkarte, eine RFID-Karte, über sein Mobiltelefon per SMS oder über andere Funktionen identifizieren. Was geschieht aber, wenn keine Ladesäule des eigenen Stromanbieters in Sicht ist oder der Nutzer im Ausland nachladen muss? Für solche Fälle gilt es, einheitliche Standards zu schaffen, die den Nutzer davon befreien, ganze Bündel verschiedener Versorgerverträge oder Karten mit sich herumzuführen. Fahrer von Elektrofahrzeugen sollen künftig überall schnell und einfach laden können, ohne sich Gedanken machen zu müssen, welcher Anbieter die jeweilige Ladestation betreibt. Dazu gehören auch eine einheitliche Identifizierung an der Ladestation sowie eine transparente Abrechnung durch den individuellen Vertragspartner.
Zur Umsetzung dieser Forderung sind erste wichtige Schritte getan. So bietet zum Beispiel die Hubject GmbH in Berlin – ein von BMW, Bosch, Daimler, EnBW, RWE und Siemens 2012 gegründetes Joint Venture – eine Plattform, die Ladesäulen verschiedener Anbieter in ganz Europa im Sinne automatisierter Ladestromabrechnung vernetzt. Ende Mai haben die Betreiber die E-Roaming-Plattform in Gang gesetzt und damit den Weg zu einem europaweiten Netzwerk unterschiedlicher Ladestationsbetreiber geöffnet.
Erwähnenswert sind auch Initiativen wie Ladenetz.de, eine Kooperation von Stadtwerken zur Einführung, Weiterentwicklung und Förderung von Elektromobilität. Auch hier soll ein flächendeckendes kommunales Netz von Ladestationen und Dienstleistungen aufgebaut werden. „Die IT so in Szene zu setzen, dass sie vom Nutzer nicht mehr bemerkt wird, das ist eine der größten Herausforderungen für die Elektromobilität überhaupt“, ist Klaus Rowecki überzeugt.
Wenn, wie von der Regierung geplant, bis zum Jahr 2020 rund eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren sollen, müssen noch etliche Hemmnisse mit Nachdruck beseitigt werden. „Die ganze Vernunft, die sich hinter dem Thema E-Mobilität verbirgt, ist beim Endkunden noch gar nicht angekommen“, ist Rowecki überzeugt. Wichtig werde es sein, dem Endkunden sichtbare Erfolge für die Umwelt, für sein Wohlergehen und seinen Geldbeutel zu vermitteln. Aber auch die Politik müsse sich zu einer direkteren Förderung ähnlich wie in Frankreich durchringen. „Wir würden gerne mit der Energiewende mehr Druck aufbauen auf das Thema und für mehr Autos Ladelösungen aufbauen“, erklärt er. Unternehmensflotten könnten hier einen schnellen und breiteren Einstieg ermöglichen. „Denken Sie nur an die vielen Tausend Paket-Lieferwagen“, führt Rowecki ein Paradebeispiel an, „die tuckern vor sich hin und keiner fährt am Tag mehr als 80 Kilometer.“ Hier liege ein Ansatz für die E-Mobilität, der vorangetrieben werden sollte und „da sind wir mit Nachdruck dabei.“
Mit Blick in die Zukunft und auf eine konsequentere Nutzung der E-Mobilität richtet Rowecki an die Verkehrsteilnehmer die Frage: „Ist das überhaupt vernünftig, ein Lebendgewicht von 70 bis 90 Kilogramm über 700 bis 800 Kilometer mit einem Auto, das rund 1,3 Tonnen wiegt, durch den Wind zu schieben?“ Könnten die Menschen nicht durch moderne IT-Technik und durch Vernetzungen eine bessere, multimodale Mobilität hinbekommen?
Könnte man nicht sagen: „Ich fahre mit dem Pedelec bis zur Bahnstation, fahre dann mit dem Zug, der schon hundert Jahre elektrisch fährt, die 500 Kilometer zu meinem Zielort und buche dort ein Elektromobil, mit dem ich die letzten 30 Kilometer fahre.“ Für Rowecki ist das die Vernetzung verschiedener Mobilitätsarten. „Da müssen wir eigentlich hin“, lautet sein Credo.
Dr. Rolf Langbein Fachjournalist in Rottenburg
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