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So geht das!

Industrie 4.0: Das Was ist klar, das Wie entscheidet
So geht das!

So geht das!
Im Coworking Space sitzt und arbeitet der Vertriebler neben dem Controller und dem Produktionsplaner – und plötzlich gehen Effizienz und Commitment, Innovativität und Produktivität durch die Decke. Bild: kantver/Fotolia
Industrie 4.0? Anforderungen, Strategie und Roadmap sind in gut geführten Unternehmen längst aufgestellt. Bleibt nur noch die Frage: Und wie realisieren wir das jetzt?
Die erste Antwort lautet: Kulturbewusst! Besser: Kulturverändernd. Führungskulturen nach dem Paradigma „Command & Control“ – Oben weist an, Unten führt aus – erreichen die 4.0-Transformation nicht schnell und vor allem nicht friktionsfreundlich genug.
Change the Culture! Wenn Maschinen dank Industrie 4.0 im Netzwerk organisiert sind, muss das auch für die Managementstrukturen im Unternehmen gelten. Viele Geschäftsleitungen fordern deshalb schon seit längerem: „Stellt die Abteilungsegoismen ab!“ Allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Deshalb starten Unternehmen Kulturprojekte. Nicht wie in der alten Kultur „auf Kommando“, sondern Top Down. Das heißt: Die Geschäftsführung verlangt die neue Netzwerkkultur nicht von der Belegschaft, sondern macht sie vor. Es gibt Unternehmen, in denen sich Vorstände nicht im Einzelbüro einschließen, sondern im Gemeinschaftsbüro managen. Bei der Teambank hat der Vorstand der Belegschaft das Du angeboten. Das sind deutliche Symbole, aber, wie der Bürospruch sagt: Cool kann man nicht kaufen! Die Abschaffung des Krawattenzwangs hilft, aber man sollte mehr tun. Indem man etwa die Need-to-know-Kultur abschafft. Statt „Die müssen nur wissen, was sie wissen müssen“ sagt die neue Industrie-4.0-Kultur: Je mehr einer weiß, desto besser macht er seinen Job im Wertschöpfungsnetzwerk. Apropos Netzwerk.
Weg mit den Wagenburgen! Wer über Industrie 4.0 diskutiert, redet meist über Technologie, IT und Strategie (das Was). Dass diese drei 4.0-Treiber häufig von Abteilungswagenburgen (dem Wie) ausgebremst werden, wird oft übersehen. Die Firma zerfällt in Funktions-Silos mit dicken Trennwänden, die nur unter bürokratischen Alpträumen zu überwinden sind, geschweige denn so agil und flexibel agieren, wie es Startups und digitale Riesen vormachen. Das ist zugegebenermaßen etwas überspitzt formuliert. Aber: Allen, denen Industrie 4.0 gelingt, haben die Wagenburg-Mentalität durch das neue Prozess-Paradigma ersetzt. Der kundenzentrierte, effiziente, agile und flexible Auftragsprozess von A bis Z steht im Fokus – und nicht die jeweils auftragsbearbeitende Abteilung. Das heißt manchmal: Umziehen! Wieso?
Networking! Viele Firmen brechen ihre Silos auf und managen und fertigen im Netzwerk und mit Prozessorientierung. Das Wie variiert dabei: In einigen Firmen müssen, dürfen, sollen sich die Mitarbeiter jeden Tag neu ihren Arbeitsplatz, also ihren Schreibtisch, suchen. Andere haben ihre Bürolandschaft als Coworking Spaces rekultiviert. Da sitzt und arbeitet der Vertriebler dann neben dem Controller und dem Produktionsplaner – und plötzlich gehen Effizienz und Commitment, Innovativität und Produktivität durch die Decke. Weil die Angehörigen aller Abteilungen ohne lästiges formales Sitzungs-tagesordnungsgerüst frei miteinander reden können. Ist das räumlich nicht machbar, gibt es genügend andere Varianten. Es sollte aber immer beachtet werden: wenn ich mit stringenter Prozessorientierung fertigen möchte, muss ich meine Mitarbeiter auch räumlich zusammenbringen und frei miteinander konferieren lassen.
Fail Fast: Intelligent irren! Überall, wo Industrie 4.0 angeschoben wird, werden Fehler gemacht – selbst von den Best in Class! Man könnte fast sagen: Die Klassenbesten machen die meisten Fehler. Und das mit Absicht. Warum? Hier taucht ein weiterer Kulturaspekt auf: Sie pflegen die Kultur des Fast Failure. Diese sagt: Veränderung bringt nicht nur Fehler mit sich, sie erfordert sie geradezu. Im Silicon Valley ist „Fail fast! Fail often!“ ein Mantra. Hierzulande nicht. Wir gehen gerne auf Nummer sicher. Wer jedoch keine Fehler machen darf oder möchte, bremst seine Migration und Transformation aufs Tempo einer Wanderdüne. Deutsche Gründlichkeit und umsichtiges Sicherheitsdenken sind wichtig – aber nicht, wenn uns die Konkurrenz überholt! Die Kunst des Fehlermachens besteht darin, erstens „schnell“ Fehler zu machen und – dank offener Netzwerk-Kommunikation – schnell aus ihnen zu lernen. Und zweitens mit seinen Fehlern nicht das Schiff zu versenken, sondern Fehler-Experimente mit geplant limitiertem Umfang zu konzipieren, sozusagen in „Sandkastengröße“.
Kooperieren! Viele Firmen bauen 4.0-Kompetenz in Technologie und IT auf. Das ist grundlegend, nicht jedoch ausreichend: Mit der Geschwindigkeit der Marktinnovationen werden viele nicht mithalten können – dafür fehlen Geld und Leute. Strategisch entscheidend sind deshalb echte Kooperationen mit Startups und Technologiepartnern. Und auch der Einkauf von Komponenten und Systemen bei 4.0-Lieferanten: Der Einkauf 4.0 für die Industrie 4.0 wird zur Managementaufgabe. Gerade der Einkauf hat einen wichtigen Anteil an der Entwicklung von Geschäftsmodellen für Marktinnovationen, die dabei untrennbar miteinander verknüpft sind.
Agiler statt (nur) effizienter! So seltsam es klingt: Industrie 4.0 wird vielerorts verschenkt. Weil man damit Produktivitäts- und Effizienzpotenziale heben möchte, die man auch mit professionellem Shop-Floor- und Lean Management hätte heben können/müssen. Den weitaus größeren Nutzen liefert Industrie 4.0 nämlich für die Beherrschung von Komplexität und Dynamik. Industrie 4.0 kann Flexibilität und Wandlungsfähigkeit von Industrieprozessen dramatisch verbessern, um mit Produkten schneller am Markt zu sein und immer individuellere Kundenwünsche schneller zu befriedigen. Wenn ein Unternehmen sich für mehr Agilität befähigt– und nicht, um Effizienzversäumnisse der Vergangenheit auszubügeln.
Natürlich gibt es weitere Fragen. Je mehr das Was der Industrie 4.0 klar wird, desto wichtiger wird das Wie – und andere Fragepronomen. Etwa: Wie viel Industrie 4.0 hätten Sie denn gerne? Wie viel tut Ihrer Firma gut? Das wird zu selten gefragt. Aber das ist wieder eine andere Frage.
Prof. Dr. Michael Henke, Institutsleiter, Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund
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