Die Zuverlässigkeit von Produkten zählt für Kunden zu den kaufentscheidenden Qualitätsmerkmalen. Wie stetig steigende Garantie- und Kulanzaufwendungen zeigen, reicht dazu ein präventives Qualitätsmanagement nicht mehr aus. Präventiv absichernde müssen daher mit reaktiv korrektiven Qualitätsprozessen gekoppelt werden.
Das Aachener Qualitätsmanagement Modell bildet den Ordnungsrahmen für eine solche Kopplung. Sein zentrales Element ist der Quality Stream, der sich aus der Quality Forward und der Quality Backward Chain zusammensetzt. Dabei umfasst die Quality Forward Chain sämtliche Aktivitäten zur Schaffung und Absicherung der Produktqualität. Dagegen verantwortet die Quality Backward Chain unter kontinuierlicher Einbeziehung von produktübergreifenden externen und internen Daten korrektive Maßnahmen für im Markt und in der Entstehung befindliche Produkte.
Das Kernelement des reaktiven Qualitätsmanagements ist das Complaint Management. Dessen übergeordnetes Ziel ist es, die GuK-Aufwendungen zu senken. Auf Basis dieses Ziels lassen sich für das Complaint Management im Wesentlichen folgende operative Aufgaben ableiten
- Fehler aus den zur Verfügung stehenden Felddaten identifizieren,
- Fehler schnellstmöglich und nachhaltig beseitigen und
- die generierten Informationen so einsetzen, dass die Produktreife benachbarter und
- zukünftiger Produktgenerationen verbessert wird.
Diese Aufgaben sind, insbesondere bei innovativen und technologisch anspruchsvollen Produkten, wie sie in Hochlohnländern überwiegend produziert werden, nur interdisziplinär zu lösen. Dabei müssen Experten unterschiedlicher Fachrichtungen zielgerichtet zusammenarbeiten; dies auch über Abteilungs- oder Werksgrenzen hinweg.
Werden die an der Wertschöpfungskette ausgerichteten Organisationseinheiten mit der Fehleranalyse und Fehlerbeseitigung beauftragt, stellt das einen latenten Interessen- und Ressourcenkonflikt für eine Organisation dar. Diesen Herausforderungen muss mit einer neuen Verantwortlichkeits- und Organisationsstruktur für die Quality Backward Chain begegnet werden. Eine zentrale Einheit, zum Beispiel eine Clearing Stelle, kann die Verantwortung und Steuerung der Complaint Prozesse übernehmen. Die zentrale Analyse und Auswertung der Felddaten durch die Clearing Stelle ermöglicht eine Fokussierung der Fachabteilung auf die Ursachenanalyse und die Lösungsentwicklung. Damit werden ein effizienter Ressourceneinsatz und eine stringente Prozessstruktur sichergestellt.
Die zentrale Steuerung der an der Fehlerbeseitigung beteiligten Fachabteilungen unterstützt ein transparentes Prozesscontrolling. So können organisatorische Schwachstellen, Ressourcenengpässe und Kompetenzdefizite im Complaint Management der Quality Backward Chain aufgezeigt und im Anschluss beseitigt werden. Durch dieses Vorgehen wird eine abteilungsübergreifende Verbesserungskultur etabliert, die eine ursachenorientierte Fehlerbeseitigung ermöglicht.
Die adressatengerechte Verknüpfung der Felddaten, der identifizierten Fehler, der ermittelten Fehlerursachen und der generierten Lösungen zu einem Quality Chain Fusion Set (QCF-Set) ist eine der wesentlichen Aufgaben der Clearing Stelle zur Erhöhung des Reifegrads benachbarter und zukünftiger Produktgenerationen. Das QCF-Set bildet standardisiert die Fehlerhistorie und die Lessons-Learned des Complaint Managements ab. Damit stellt es ein Verbindungselement zwischen der Quality Backward und der Quality Forward Chain dar. Die QCF-Sets stellen neben vielen anderen eine Möglichkeit zur Operationalisierung von produktgruppenübergreifenden Qualitätsregelkreisen dar. Auf Basis dieser Regelkreise kann die Prozess- und Produktqualität eines Unternehmens kontinuierlich weiterentwickelt und damit die Produktion in Hochlohnländern gesichert werden.
Referent:
Prof. Robert Schmitt
WZL/Fraunhofer IPT
Clearingstelle
vermeidet Konflikte
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