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Alt-68er in drei Monaten komplett aufgerüstet

Lohnfertiger lässt betagtes Tischbohrwerk überholen
Alt-68er in drei Monaten komplett aufgerüstet

Mit der maßgeschneiderten Modernisierung eines 30 Jahre alten Tischbohrwerks sparte der Lohnfertiger Ludwig Lehner rund eine Million Mark. Obendrein konnte der Betrieb dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Frank Fahrni ist Mitarbeiter bei der Hellwig GmbH in Herford

Neue Anlage oder Modernisierung? Vor dieser existenziellen Frage stand der Werkzeug- und Maschinenbauer Ludwig Lehner GmbH in Rimschweiler bei Zweibrücken – einem kleinen Dorf unweit der französischen Grenze. In der Fertigungshalle stehen neben modernen Bearbeitungszentren auch Maschinen wie das konventionelle 30 t schwere Tischbohrwerk von Collet & Engelhard, Baujahr 1968. Die Anlage ist platzsparend um rund einen Meter versenkt. Das Tischbett befindet sich teilweise unter dem Boden des Hallenmittelgangs. Die Unternehmensleitung musste sich entscheiden: Soll diese Anlage durch eine Neumaschine ersetzt oder das vorhandene Bohrwerk modernisiert werden?
Vor einer Umrüstung steht immer die gleiche Frage im Raum: Lohnt sich das Unterfangen? Um dies zu klären, müssen eine Reihe von Punkten untersucht werden:
– Kann die betagte Maschine mit einer interpolationsfähigen CNC-Bahnsteuerung betrieben werden?
– Haben alle notwendigen Achsen bereits Kugelrollspindeln?
– Gibt es Spiel zwischen Antriebsmotor und Schlitten?
– Reicht das vorhandene Schmiersystem?
Von diesen Kriterien hängt es ab, wie teuer die Modernisierung wird und ob sie sich überhaupt noch rentiert.
Als konstruierender und entwickelnder Lohnfertiger für Zerspanungsleistungen muss der Betrieb die technische Einrichtung darauf ausrichten, Einzelteile zu fertigen. Um nur wenige Wiederholteile wirtschaftlich fertigen zu können, kommt es nicht darauf an, die schnellste Maschine zu besitzen. Das insgesamt schnellste Verfahren ist entscheidend.
Da der eigentliche Zerspanungsprozess im Durchschnitt nur 30 % der Gesamtzeit in Anspruch nimmt, sind Arbeitsvorbereitung und Spannvorgang wichtig. Schließlich kommt es nicht auf die isolierte Betrachtung der kalkulierten Stundensätze an. Hier geben die Auftraggeber oft unrealistische Durchlaufzeiten vor. Es macht einen Unterschied, ob das gleiche Teil in einer Großserie oder im Falle des Lohnfertigers als Einzelteil oder in der Kleinstserie produziert wird. Denn hier lässt sich zum Beispiel der Programmieraufwand nicht auf große Stückzahlen umlegen. Deshalb spricht Geschäftsführer Jürgen Lehner gelegentlich auch von der Umrüstung von CNC auf manuelle Steuerung. Vor diesem Hintergrund sollten durch die Modernisierung der Maschinenstundensatz und die Zeitvorgaben an diesem Tischbohrwerk-Arbeitsplatz reduziert werden.
Zunächst sprachen technische Überlegungen für die Umrüstung: Das im „Querformat“ eingepasste Fundament, die hohe Stabilität der alten Collet & Engelhard und das Mehrbahnen-Führungsbett boten günstige Voraussetzungen für den weiteren Einsatz dieser Maschine.
Betriebswirtschaftlich betrachtet sah die Sache etwas anders aus: Etwa 1,5 Mio. DM würde eine vergleichbare Neumaschine kosten, rund ein Drittel dieser Summe wäre für die Modernisierung aufzubringen. Da die Stundensätze nach unten gedrückt werden sollten, hatte der weitere Einsatz der steuerlich abgeschriebenen alten Maschine natürlich seine Vorteile.
Reizvoll für Jürgen Lehner war auch die Möglichkeit, mit dem Modernisierer seiner Wahl zusammen zu arbeiten. Er konnte nämlich 8 bis 10 % des Gesamtaufwands im Gegenwert von rund 50 000 DM selbst einbringen. Erforderliche Teile wurden selbst gefertigt und Konstruktionsleistungen übernommen. Nach Ansicht des Firmenchefs ist für eine derartige Zusammenarbeit gegenseitiges Vertrauen wichtig, um spätere Schuldzuweisungen bei technischen Problemen auszuschließen.
Mit der Hellwig GmbH als Partner sah sich Jürgen Lehner auf der sicheren Seite. Bereits sein Vater hatte mit dem Herforder Modernisierer gute Erfahrungen gemacht. Auch als ständiger Servicepartner für Revisionsarbeiten an den konventionellen und gesteuerten Bohrwerken der Lehner GmbH hatte sich der Dienstleister über Jahre bewährt. Darüber hinaus war es für Jürgen Lehner wichtig, seinen vor Ort ansässigen Hauselektriker mit in das Projekt einzuspannen. Der Elektrohandwerker, der jedes Kabel im Betrieb kennt, sollte später mit der überholten Maschine vertraut sein.
Wesentlich für die Entscheidung contra Neumaschine war auch die Tatsache, dass das Umrüsten sehr schnell über die Bühne ging. Nur drei Monate waren für das gesamte Maßnahmenpaket bis zur erneuten Inbetriebnahme angesetzt. Allein der Fundamentneubau hätte im Falle einer Neumaschine mehrere Wochen in Anspruch genommen. Zusätzlicher Zeitaufwand wäre für Lehner auch in die Phase der Inbetriebnahme und Schulung geflossen. Im Pflichtenheft stand deshalb, dass das Bedienen der umgerüsteten Maschine vergleichbar sein sollte zu dem einer Fräsmaschine, die bereits im Einsatz ist. Die Maschinenführer sollten nicht umlernen müssen, sondern das erneuerte Bohrwerk sicher beherrschen und sofort produktiv arbeiten können.
Schalttafelaufbau und Bedienoberfläche sollten kundenspezifisch angepasst sein. Dem kamen die Ingenieure und Techniker von Hellwig nach. Die Bedienung sollte genau auf die Bedürfnisse des Lohnfertigers zugeschnitten sein. Entsprechend der Kundenvorgaben wurde ein neues Bedienpult am ergonomisch günstigsten Platz installiert. Bei der manuellen Bedienung entspricht die modernisierte Anlage einer Zayer-Fräsmaschine, die von den gleichen Lehner-Mitarbeitern betreut wird. Zum Einrichten der Maschine steht eine normale Tastatur sowie ein tragbares Handbedienteil mit Handrad zur Verfügung. Zusätzliche Bedienelemente für den konventionellen Betrieb unterstützen den Anweder. Hierzu gehören Taster, Wahlschalter, grafische Maschinensymbole oder erklärende Texte.
Neue Vorschubantriebe an allen lagegeregelten Achsen
Die modernisierte Maschine ist jetzt mit einer CNC-Steuerung ausgestattet. Zu diesem Zweck mussten neue Vorschubantriebe an allen lagegeregelten Achsen, an Planschieber sowie am Rundtisch eingebaut werden. Die Hauptspindel erhielt einen neuen AC-Spindelanbetrieb und einen inkrementalen Drehgeber. Hellwig Elektrotechnik konzipierte und baute zudem einen komplett neuen Schaltschrank für Leistungsteil, Logikeinheit, CNC- und SPS-Steuerung.
Mit der neuen Steuerung können jetzt auf der alten Maschine Wiederholteile wesentlich kostengünstiger gefertigt werden. Für Lehner ist es wesentlich, dass die CNC-Maschine ohne Umwege über das Programmierbüro fertigen kann: Denn viele Teile, die im Unternehmen produziert werden, brauchen keine kostenaufwendige, externe Steuerungsprogrammierung und auch keine zeitintensive Optimierung. Etwa 40 bis 50 % der Fertigung läuft in Einfachzyklen und lediglich 50 bis 60 % der Bohraufträge sind wirklich CNC-tauglich. Auf komplexe WOP-Programme ist der Wirtschaftsingenieur schlecht zu sprechen. Die Lösung, die er jetzt hat, ist ihm die liebste: CNC oder manuell.
Hin und wieder kommt es vor, dass kundenseitig erstellte Zeichnungen Fehler enthalten, die erst an der Maschine bemerkt werden. Für die Reparatur ist dann das Know-how der Facharbeiter gefragt. Die Facharbeiter bei Lehner sind in der Lage, einen Großteil der Produkte schneller über die manuelle Steuerung fertigen können, als dies eine CNC-gesteuerte Maschine könnte. Der Mann an der Maschine ist sein eigener Programmierer so lange er schneller ist als die Standard-CNC-Arbeitsweise. Erst wenn komplexere Bohrbilder und Bohrfolgen erforderlich sind, werden die Vorteile der externen Programmierung genutzt.
Fazit: Entscheidend für den Auftraggeber war, dass die Maschinenauslegung entsprechend der betrieblichen Anforderungen gestaltet werden konnte. Die auf die Belange des Lohnfertigers zugeschnittenen Bedienmöglichkeiten sowie das im Vergleich zur Neumaschine um 2/3 niedrigere Investment erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit der Lehner GmbH. Dass die Auslagen zudem durch Eigenleistung gedrückt werden konnten, war ein willkommener Nebeneffekt. Wichtig war auch, dass während der gesamten Überholungs- und Modernisierungsphase ein Experte von Hellwig vor Ort mit dabei war, um den reibungslosen Ablauf des Projekts zu sichern.
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