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„Anbieter müssen zunehmend in den Märkten der Anwender ausstellen“

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„Anbieter müssen zunehmend in den Märkten der Anwender ausstellen“

„Anbieter müssen zunehmend in den Märkten der Anwender ausstellen“
Paul E. Schall, Geschäftsführender Gesellschafter der P. E. Schall GmbH in Frickenhausen (Bilder: Industrieanzeiger): „Ausländische Besucher der Leitmessen kommen vorwiegend aus Europa, kaum noch aus Asien oder Amerika.“
Anlass der Präsenz von Paul E. Schall in der Tagespresse ist die Verlegung seiner Messen ab 2007 nach Stuttgart. Wir dagegen wollten wissen, wie er die Entwicklung seiner Messen und die der Messen allgemein unter Einfluss der Globalisierung beurteilt und wo Veranstalter Schall künftige Akzente setzen wird.

Das Gespräch führte Chefredakteur Dr. Rolf Langbein Rolf.Langbein@konradin.de

Herr Schall, welche Veränderungen bringt die Verlegung Ihrer Messen von Sinsheim nach Stuttgart für Ihre Aussteller? Werden die Messen weniger heimelig und teurer?
Wir sind schon einmal mit der Fakuma in Friedrichshafen von einem kleinen Gelände in ein neues Gelände umgezogen. Meines Erachtens haben sich die Aussteller dort genau so wohl gefühlt wie vorher. Allerdings war das ein Umzug mitten in der Stadt. Von Sinsheim nach Stuttgart sind das Welten. Wir werden in einer anderen Liga spielen, mit einer Top-Infrastruktur und jedweder Möglichkeit der Anbindung in Europa. Kostenmäßig wird es keine so großen Sprünge geben. Wir bleiben da im Rahmen der deutschen Gesellschaften.
Ihre großen Messen haben sich aus kleinen Zellen an kleinen Messeplätzen entwickelt. Werden solche Entwicklungen auf dem großen Messegelände in Stuttgart noch möglich sein?
Sicher wird man noch kleine Messen aufbauen können, wenn man sie parallel zu den großen veranstaltet. Allerdings glaube ich, dass es nicht mehr so viele Neuentwicklungen geben wird. Der Kuchen ist weitestgehend verteilt. Neue Technologien wie die Nanotechnologie werden sich nicht so schnell entwickeln, dass in überschaubarer Zeit große Messen daraus entstehen könnten. Große Messen fangen bei mir oberhalb 15 000 Quadratmeter an.
Tritt bei der Anlagerung kleiner an große Messen nicht ein Zielgruppenkonflikt auf?
Das ist schon richtig, dass die Zielgruppen unterschiedlich sein können. Aber solange die Messen räumlich getrennt sind, spielt das keine Rolle. Nur wenn die kleine in die große Messe integriert ist, kann das ein Problem werden.
Wenn Sie Ihre wichtigen Messen in Stuttgart ansiedeln, könnte da nicht auch die sehr erfolgreiche Fakuma von Friedrichshafen nach Stuttgart kommen?
Im Moment nein, muss ich da ganz klar sagen. Wir haben Verträge mit Friedrichshafen, die wir einhalten werden. Aber wir werden auch stets die Wünsche der Aussteller akzeptieren. Sollten die Ausssteller zu irgendeinem Zeitpunkt den Wunsch hegen, Friedrichshafen zu verlassen, dann müssten wir andere Messeplätze aussuchen, vielleicht auch Stuttgart.
Mit der Automatica in München und der Motek haben wir zwei Messen, die sich mit der Automatisierung in der Montage beschäftigen. Halten Sie es für denkbar, dass die beiden einmal zusammenkommen werden?
Es gibt ja das schöne Sprichwort: Berg und Tal kommen nicht zusammen, aber die Menschen. Vielleicht gibt es Möglichkeiten. Die Automatica ist eine junge Messe. Deren Veranstalter und auch wir wissen noch nicht, wohin die Reise gehen wird. Geht es in Richtung totale Automatisierung? Die Motek ist eine reine Montagemesse, die sich auch zu einer Komponentenmesse entwickelt hat. Sie spricht den Einkäufer und den Konstrukteur ebenso an wie den Anwender von Montage und Handhabung.
Aber der Rhythmus der Messen ist verschieden: Die Automatica alle zwei Jahre, die Motek jährlich. Wird sich daran etwas ändern?
Zurzeit nicht.
Immer mehr Messen erhalten Parallelveranstaltungen im Ausland. Der Anbieter geht zum Anwender. Der AUMA sieht aber keinen Rückgang bei den ausländischen Besuchern, eher Zuwachs. Stellen Sie das auch fest?
Mit Verlaub gesagt, das ist dummes Gerede. Wo kommen denn die Besucher auf den Leitmessen her? Die kommen aus Europa. Potenzielle Käufer wollen die Produkte, die sie kaufen wollen, in ihrem Land sehen. Das heißt, der Aussteller muss nach Amerika, muss nach China gehen. Und spätestens in zwei Jahren auch nach Indien, ob er will oder nicht. Der Inder kommt nicht zu uns, nicht mehr. Wir in unserem Haus konzentrieren uns völlig auf den europäischen Markt. Der ist sehr interessant.
Eine eben erschienene Studie belegt, dass für deutsche Unternehmen der europäische Osten eine höhere Bedeutung hat als China und Indien. Sehen Sie das ähnlich und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
Spontan möchte ich sagen, dass ich das ähnlich sehe. Wir haben zu diesen Ländern eine größere Nähe. Wir können dort den Aufbau begleiten, ohne damit rechnen zu müssen, dass gleich alles kopiert wird. Bevor wir diese Länder den Asiaten und Tigern überlassen, sollten wir versuchen, im neuen Europa bis zum Ural unsere Geschäfte zu machen. Die Asiaten werden uns in unseren Märkten in Europa das Leben noch heiß genug machen.
Gibt es beim Messeveranstalter Schall konkrete Vorstellungen darüber, in welche Länder man in Europa gehen wird?
Im Moment nicht, denn die großen Gesellschaften haben natürlich sämtliche Märkte schon abgegrast. Außerdem haben wir im deutschen Markt zurzeit genügend Arbeit. Da muss man keine großen Experimente machen.
In letzter Zeit entstehen fast inflationär Kongressmessen, also kleine überschaubare Ausstellungen an der Peripherie von Kongressen. Halten Sie das für ein Konzept der Zukunft?
Kongressmessen sind für mich keine positive Entwicklung. Ich behaupte nach wie vor, dass unsere Messen nicht stark geredet werden müssen. Sie brauchen ein gutes Thema, einen guten Markt und sollten einen guten Prozentsatz der Marktführer aufweisen, dann stimmt das Konzept. Alles andere hieße, die Leute an der Nase herumzuführen. Ein Gutes an der Messe ist doch auch, den Wettbewerber zu treffen und auch einmal mit ihm zu reden. Wenn ein ausländisches Unternehmen jetzt den Versuch startet, kleine lokale, technische Messen zu etablieren, so ist das meines Erachtens nach Quatsch.
Wo liegen denn weitere Entwicklungen im Messegeschäft und was erwarten die Aussteller heute?
Sicher wird der Dienstleistungsbereich noch stärker gefordert sein als bisher. Da wird das Internet eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. Nicht als Ersatz, sondern als nützliche Ergänzung.
Und woran denken Sie dabei? Was bietet der Messeveranstalter Schall im Internet?
Wir haben zum Beispiel zur Motek eine virtuelle Messe im Internet angeboten. Hier hat der Aussteller mit einem virtuellen Messestand eine ideale Ergänzung zu seinem Messeauftritt und verlängert diesen auf 365 Tage. Flankierende Werbemaßnahmen in Fachzeitschriften und in Internet-Suchmaschinen haben dazu beigetragen, dass hohe Kontaktzahlen zustande kamen. Die virtuelle Messe hat rund 1,5 Millionen Zugriffe gebracht.
Welche weiteren Möglichkeiten sehen Sie im Internet?
Informationen und Anmeldeformulare für die Aussteller und elektronische Kataloge, das sind Dinge, die schon laufen. Aber der Aussteller wünscht sich zum Beispiel noch mehr Informationen über die Besucher. Terminals für die elektronische Besuchererfassung mit Fragen zur Herkunft und den Erwartungen des Besuchers könnten dazu beitragen, den Ausstellern eine Reihe gezielter Informationen an die Hand zu geben. Aber auch Informationen zum kulturellen und kulinarischen Angebot am Messestandort werden zunehmend von Ausstellern und auch Besuchern erwartet.
Werden diese Dienstleistungen bezahlt?
Der Zutritt zur virtuellen Messe ist gekoppelt mit dem Eintrag in den Katalog und ist kostenpflichtig. Dafür kann der Aussteller über den Zeitraum eines Jahres ständig sein Angebot in der virtuellen Messe aktualisieren, aber auch das Angebot seines Wettbewerbs beobachten. Der übrige Service, über den wir gesprochen haben, wird vom Veranstalter erwartet.
Herr Schall, es wird viel über die Nachfolgeregelung im Mittelstand gesprochen. Auch Sie sind ein mittelständischer Unternehmer im Übergabealter. Gibt es da schon konkrete Vorstellungen? Könnte die Messe Stuttgart da eine Rolle spielen?
Das würde ich so nicht sagen. Zuerst einmal werde ich solange arbeiten wie es geht. Wenn ich dann keine Lust mehr haben sollte, können wir immer noch über den künftigen Weg nachdenken. Aber da habe ich ja noch eine junge Frau, die auch noch etwas arbeiten will. Mit ihrer Hereinnahme in die Geschäftsführung ist zumindest ein Teil der Nachfolge geregelt. Ich glaube, man sollte alles auf sich zukommen lassen und nicht planen, was in zehn oder 15 Jahren sein könnte. Käufer wird es immer geben, wenn das Unternehmen gut dasteht.
Industrieanzeiger
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