Die Betriebskosten zu senken ist das Ziel beim Modernisieren der Druckluftanlage. Doch auf welchem Weg? Der folgende Leitfaden benennt alle Fragen, die vor der Entscheidung für Neukauf oder Contracting zu klären sind.
Gerard Hurink ist Geschäftsführer und zugleich Berater bei dem Ingenieurbüro für Druckluftberatung und -planung Ece International VOF in Hardenberg/NL
Als Energieträger ist Druckluft immer noch ein unbekanntes Medium: Aus Marktbefragungen in der Industrie geht hervor, dass 90 % der Endverbraucher nicht genau wissen, wieviel Strom die Druckluftanlage verbraucht und welche Kosten daraus entstehen. Und das, obwohl die Gesamtaufwendungen zu 65 % Energiekosten sind. Der Rest verteilt sich auf Kapital- und Instandhaltungskosten.
Dieser unbefriedigende Zustand ist darum erklärlich, weil die Druckluftkosten meist in die Gesamtenergiekosten einfließen. Gemessen wird lediglich der Gesamtstromverbrauch, an dem die Drucklufterzeugung mit einem unklaren Anteil beteiligt ist. Die Entscheidungsträger in den Unternehmen (Planer, Management oder Geschäftsführung) kennen deswegen keine Details der eigenen Druckluftkosten.
Hier ist Abhilfe angebracht. Bevor die Geschäftsleitung über eine Modernisierung der Anlage oder über Druckluft-Contracting nachdenkt, sollte sie die
– Höhe des aktuellen Druckluftverbrauchs untersuchen,
– die dafür anfallenden Energiekosten,
– die jährlichen Wartungs- und Instandhaltungskosten sowie
– die Kapitalkosten, wobei ebenfalls die Ersatzinvestitionen berücksichtigt werden müssen.
Außerdem sollte geklärt werden, ob nicht der Verbrauch gesenkt werden kann: In den Betrieben gehen in der Regel 15 bis 40 % der Luft über Leckagen verloren!
Was ist zuerst zu tun? Grundlage für Maßnahmen sollte eine detaillierte Druckluft- und Energieverbrauchsmessung sein, aus der sich die aktuellen Verbräuche und Kosten ermitteln lassen. Diese Messung könnte ein Hersteller aus der Druckluftbranche oder ein externes Büro durchführen. Sie muss den tatsächlich benötigten Anlagen- und Netzdruck sowie die Luftqualität erfassen. Daraus lässt sich der Energieverbrauch in „kWh/m³“ ermitteln. Zusätzlich erfährt der Betreiber den Durchschnitts- und Gesamt-Druckluftverbrauch. Sind die Stromkosten (DM/kWh) bekannt, kann er daraus die aktuellen Energiekosten errechnen.
Im zweiten Schritt sollten die gesamten Kosten für Wartung und Instandhaltung zusammengetragen werden. Am besten wird ein Zeitraum von fünf Geschäftsjahren betrachtet, in dem auch die Kosten für größere Reparaturen sichtbar werden. Ebenfalls zu berücksichtigen sind die Kosten für das Wartungs- und Aufsichtspersonal.
An letzter Stelle steht die Analyse der Kapitalkosten. Als Basis dienen die Aufwendungen für Ersatzinvestitionen: Mit Hilfe einer Abschreibungszeit (von meist zehn Jahren) und dem geltenden Zinssatz lassen sich daraus die Kapitalkosten ermitteln. Lieferanten und Druckluftberater können hier Hilfestellung leisten.
Die Ergebnisse eignen sich als Basis für eine Projektausschreibung mit zwei alternativen Lösungsansätzen: Zum einen der Kauf einer Anlage, beispielsweise verbunden mit dem Abschluss eines Fullservice-Vertrages über zehn Jahre, und zum anderen ein Contracting-Modell. Es ist zu empfehlen, das Angebot mehrerer Lieferanten mit unterschiedlichen Contracting-Modellen zu vergleichen.
Damit in der Projektauswertung nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden, muss die Ausschreibung präzise Vorgaben machen. Wichtig ist auch, dass alle Anbieter die zulässigen Toleranzen der jeweiligen Normen einhalten.
Die Eckdaten sollten in der Ausschreibung einheitlich festgelegt sein:
– Durchschnittlicher Druckluftverbrauch pro Stunde (m³/h),
– Jahres-Betriebsstunden der Druckluftversorgung (Bh/a),
– Druckluftverbrauch im Jahr (m³/a) = durchschnittlicher Stundenverbrauch Jahres-Betriebsstunden,
– Minimal benötigter Netzdruck (bar)
– Anzahl der Verdichteranlagen und Liefermengen
– Luft- oder wassergekühlte Anlagen?
– Schalldämmung
– Welche Druckluftqualität: Ölfrei? Trocken? Drucktaupunkt?
– Aufstellungsdetails, Kompressorraum, Belüftung u.a.
– Fullservice (zum Beispiel 10-Jahres-Vertrag)
– Laufzeit eines Contractingvertrages
Wenn es um eine eigene Investition geht, können sämtliche Kompressorenhersteller angefragt werden. Auch für Druckluft-Contracting gibt es inzwischen mehrere Ansprechpartner. Neben den traditionellen Druckluftherstellern gehören reine Contractingfirmen, Energieagenturen, Energieversorgungsunternehmen (EVU) und Gaslieferanten dazu.
Bei Contracting-Modellen muss besonderer Wert auf die Frage gelegt werden, wer den Strom für die Anlage liefert. Der Energiemarkt steht heute unter starkem Druck. Die Liberalisierung ist voll im Gange. Es wird täglich über die Strompreise verhandelt. Da die Energiekosten erheblich gesunken sind und sich vermutlich weiter bewegen, ist es wichtig, dass das Mittel der Strompreisverhandlung nicht aus der Hand gegeben wird. Im Klartext bedeutet dies für den Endverbraucher, dass er den Strom selbst liefert und dem Contractor über eine geeichte Energiemessung zur Verfügung stellt. Für die Abrechnung gibt es zwei Möglichkeiten:
- 1. Der Contractor braucht den Strom nicht zu bezahlen, gibt aber eine Garantie für den spezifischen Energieverbrauch pro Kubikmeter Druckluft ab (kWh/m³).
- 2. Der Contractor kauft den Strom vom Druckluftanwender zu einem definierten kWh-Preis und verrechnet ihn mit den vereinbarten Kosten für die Drucklufterzeugung. Daraus ergibt sich ein fixer Preis pro Kubikmeter Druckluft (DM/m³).
In beiden Fällen ist gewährleistet, dass die Kubikmeter-Kosten für den Endverbraucher transparent und klar definiert sind. Es treten keine unliebsamen Überraschungen auf. Allerdings sind nicht alle Contracting-Anbieter bereit, eine klar definierte Garantie abzugeben.
Die EVU haben ein starkes Interesse daran, Druckluft in Kombination mit Strom zu liefern. Dieses Angebot bietet ihnen die Chance, den Kunden auch beim Stromgeschäft an sich zu binden. Der Verbraucher sollte daher auf der Hut sein, dass er nicht etwa günstige Druckluft mit einer zu teuren Stromversorgung erkauft. Beide Preise sind Verhandlungssache – ein willkommenes Detail in der Liberalisierungszeit.
Erdgas und Strom werden über geeichte Meßgeräte geliefert und meist monatlich abgerechnet. Genau so soll es auch bei der Druckluftabrechnung sein. Inzwischen ist es möglich, die verbrauchte Druckluftmenge über Geräte zu messen, die von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig (PTB) geeicht worden sind.
Druckluft-Contracting ist ein wirkungsvolles Mittel, den Energieverbrauch und damit die Betriebskosten zu senken. Die Garantie für einen bestimmten spezifischen Energieverbrauch (kWh/m³) oder einen niedrigen Druckluftpreis (DM/m³) sorgt meist dafür, dass erhebliche Energiemengen eingespart und der CO2-Ausstoß vermindert werden. Um hohe Energiekosten zu vermeiden, ist der Contractor daran interessiert, die Wartung einwandfrei durchzuführen. Wird beispielsweise die Filterwartung vernachlässigt, steigen die Druckverluste und damit der Energieverbrauch.
Als Alternative zur eigenen Investition bietet sich neben Contracting eine weitere Möglichkeit an – Outsourcing. Hier übernimmt ein Druckluftlieferant die bestehende Anlage zu einem bestimmten Restbuchwert. Anschließend liefert er Druckluft über geeichte Energie- und Mengenmessungen zu einem vorab vereinbarten Kubikmeter-Preis. Auch in diesem Fall sollte eine Vorab-Messung die Basis von Verhandlungen sein. Die Kenntnis der Energie- und Instandhaltungskosten ist ebenfalls wichtig.
Noch eine weitere Alternative gibt’s: Altanlage outsourcen
Druckluft-Contracting und Outsourcing bieten neben dem bereits Besprochenen noch weitere Vorteile:
– Keine eigenen Investition: Das Unternehmen kann die freigestellten Gelder in die Produktion investieren.
– Konzentration auf eigene Aktivitäten und Kernkompetenzen.
– Fixkosten erleichtern die Kalkulation der monatlichen und jährlichen Betriebskosten.
– Manche Contractoren praktizieren Fernüberwachung, 24 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche. Dies erhöht die Verfügbarkeit.
– Ständig kontrollierter Energie- und Druckluftverbrauch durch monatliche Abrechnung.
Die heutige Wirtschaftslage verlangt volle Konzentration auf effiziente Produktion. Spezialisierte Firmen könnten die Druckluftversorgung übernehmen. Die Unterstützung durch externe Berater bietet dabei wertvolle Hilfe.
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Benutzeridentifizierung und Zugangskontrolle verbessern Sicherheit und Transparenz im Flottenmanagement
Teilen: