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Auch bei 20 000 Umdrehungen lösen sich die Magnete nicht

Spindel mit Synchronmotor steigert Output von Produktionsmaschinen
Auch bei 20 000 Umdrehungen lösen sich die Magnete nicht

Bis zu 80 % mehr Leistung, nur ein Drittel der Beschleunigungszeit – dafür bekam die Motorspindel mit Synchronmotor der Franz Kessler GmbH den baden-württembergischen Innovationspreis.

Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de

Wir haben unsere Motorspindel speziell für Produktionsmaschinen ausgelegt, die sehr schnell arbeiten und ständige Werkzeugwechsel erfordern“, sagt Eckhard Herwanger, Geschäftsführer der Bad Buchauer Franz Kessler GmbH. „In solchen Maschinen muss der Motor in extrem kurzer Zeit bremsen und beschleunigen – wie ein nervöses Rennpferd.“ Ein Jahr lang arbeiteten die Kessler-Entwickler an diesem Produkt und wurden für das Ergebnis 2002 mit dem Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg belohnt.
Der eingebaute Synchron-Motor – den die Bad Buchauer selbst entwickelt haben, wie Herwanger betont – unterscheidet das neue Produkt von anderen Spindeln. Er baut sein Magnetfeld über Permanentmagnete auf und nicht durch Induktion, wie es bei Asynchronmotoren der Fall ist. Da die Vorteile der Synchron-Bauart, wie etwa eine höhere Leistungsdichte, schon länger bekannt sind, werden solche Motoren für Spindeln mit niedriger Drehzahl bereits ausgiebig genutzt. Die neue Spindel von Kessler hingegen beschleunigt mit ihrem Synchronmotor in 0,6 s bis auf die maximale Drehzahl von 20 000 min-1 und soll mit ihrer Leistung vergleichbare Produkte mit Asynchronmotor um bis zu 80 % übertreffen.
Das preiswürdige Verdienst der Bad Buchauer liegt dabei in der Befestigung der Magnete und der Gesamtkonzeption von Motor und Spindel, die ein besonders hohes Beschleunigungsvermögen aufweisen soll. In ersten Versuchen wurden beim Herstellen von Gewinden Drehzahlen von über 8000 min-1 erzielt, so Herwanger. Auf Details aber will der Geschäftsführer nicht genauer eingehen, denn die Innovation ist nicht durch ein Patent geschützt. Nur soviel verrät er: „Sagen wir einfach, die Magnete sind in die Welle integriert, so dass man eigentlich schon gar nicht mehr von einem eigenen Rotor reden kann.“
Für die prämierte Spindel sieht Herwanger einen deutlichen Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb. Eine solche Kombination von kompakter Bauform, Beschleunigung und brauchbarem Drehmoment, mit dem sich bis zu 5000 cm³ Aluminum pro Minute zerspanen lassen, gebe es seines Wissens bisher nicht am Markt.
Mit neuen Ideen für die Spindeln haben die Motorspezialisten schon einmal gute Erfahrungen gemacht und einen großen Erfolg eingefahren. 1994 bekamen sie zum ersten Mal den Innovationspreis für eine Spindel, die sie speziell für die Anforderungen im Werkzeug- und Formenbau entwickelt hatten. Führende Hersteller wie Deckel Maho, Hermle und Huron nutzten die Spindel für erfolgreiche Maschinen, die sie mitten in der Strukturkrise des Werkzeugmaschinenbaus auf den Markt gebracht hatten, da völlig neue Konzepte für den Werkzeug- und Formenbau erforderlich waren.
Auch im aktuellen Fall hoffen die Entwickler bei Kessler auf einen ähnlichen Erfolg, denn sie haben sich wieder auf die Anforderungen einer Branche konzentriert: In Produktionsmaschinen, wie sie bei den Zulieferern der Automobilindustrie betrieben werden, lohne sich der Einsatz ihrer Spindeln mit Synchronmotor besonders. Die Spindel selbst sei dabei gar nicht so viel teurer als die herkömmlichen Varianten mit Asynchronmotor. Aber die Synchronmotortechnik und das elektronische Sicherheits-Equipment verursachten zusätzliche Kosten. „Bei so einer schnell drehenden Einheit müssen sie alle ,Was-wäre-wenn-Fälle’ abdecken“, erläutert Herwanger. Das rechne sich nur bei einer Maschine mit entsprechendem Ausstoß. „Für eine Universalmaschine ist der Asynchronmotor ohne Frage die wirtschaftlichere Lösung.“
Was die Bauweise mit Synchronmotor bringt, haben die Kessler-Mitarbeiter bereits bei Tests an verschiedenen Maschinen in der eigenen Produktion nachgewiesen. „Mit einem Trockenschwimmkurs können Sie schließlich keinen überzeugen“, sagt Herwanger.
Der Tuttlinger Werkzeugmaschinenbauer Chiron-Werke GmbH & Co. KG, der bei seinen Maschinen besonderen Wert auf die schnellen Werkzeugwechsel legt, stellte für die Tests in Bad Buchau ein Bearbeitungszentrum der Reihe FZ-15 zur Verfügung. „Wir konnten die Chiron-Mitarbeiter schon im Vorfeld überzeugen, dass unsere Spindel gerade für ihre Maschinen eine zukunftsweisende Komponente sein würde “, sagt der Spindelexperte. Die Tuttlinger waren mit den Testergebnissen schließlich so zufrieden, dass sie ihren Kunden die Maschine heute mit der neuen Spindel anbieten.
Erfahrungen im Motorenbau werden für Spindeln genutzt
In solchen Spezialentwicklungen sieht Herwanger die größte Stärke seines Unternehmens. „Weil wir ursprünglich aus dem Motorenbau kommen, können wir diese Erfahrungen einbringen und unsere Produkte auf individuelle Anforderungen hin entwickeln.“ Um dieses Ziel zu erreichen, halten die Mitarbeiter bei Kessler auch engen Kontakt zu den Herstellern weiterer Komponenten. Die Lageraußenringe beispielsweise müssen beim Hochfahren der Spindel einer Beschleunigung von 6 bis 7 g standhalten. „Auch darin steckt Entwicklungsarbeit, die allerdings nicht bei uns im Hause geleistet wurde“, sagt der Kessler-Chef.
Die verschiedenen Synchronmotoren, die in Bad Buchau bisher entwickelt wurden, lassen sich nach Angaben des Geschäftsführers sogar noch weiter optimieren. Wenn die Ingenieure sie geschickt gestalten, könnten sie das doppelte Drehmoment liefern. Interessenten für solche Speziallösungen gibt es immer wieder. „Man muss allerdings dazu sagen, dass diese Spindeln ihren Preis haben“, sagt Herwanger. Obwohl die Bad Buchauer die Informationen zu den bisher entwickelten Produkten in Katalogen zusammengestellt haben, verkaufen sie die Spindeln in der Regel so, dass sie immer an die Anforderungen der Maschine angepasst sind.
Das Wissen der Entwickler will der Spindelhersteller zukünftig in den Dienst der Maschinenbauer stellen. Sogar noch mehr als bisher, denn der Trend, Komponenten zu integrieren, setzt sich nach Ansicht des Fachmannes fort: „Wir werden zukünftig noch größere Subsysteme anbieten.“ Denkbar sei beispielsweise ein Paket aus Spindel und Schwenkeinheit für die Komplettbearbeitung, in der Torquemotoren die Spindeleinheit positionieren. Auch forderten immer mehr Hersteller, dass die Systemlieferanten Überwachungsfunktionen in die Komponenten integrieren, mit denen die Maschine einfacher zu warten ist. „Erforderlich wird so ein Systemangebot, weil die Globalisierung einen großen Teil der Energie in einem Maschinenbauunternehmen bindet“, sagt Herwanger. Bisher hätten viele Maschinenbauer ihre Spindeln sogar noch selbst entwickelt. Der Trend gehe aber auch in diesem Bereich dahin, das komplette System von Zulieferern einzukaufen. „In diese Bresche sind wir gesprungen und nehmen den Entwicklern Arbeit ab.“ Auch wenn die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung zurzeit nicht sehr erfreulich sei, steige in manchen Ländern wie beispielsweise China bereits die Nachfrage.
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