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Audi beschafft elektronisch mit System

Katalogsoftware: Lieferanten müssen sich anpassen
Audi beschafft elektronisch mit System

Lieferanten der Audi AG müssen sich umstellen. Auch dann, wenn sie sogenannte nichtproduktive Güter liefern. Denn die Ingolstädter beschaffen ihre Verbrauchsmaterialien jetzt über ein kataloggestütztes System. Geringere Beschaffungskosten und weniger Lieferanten sollen die Folge sein.

Jürgen Saarmann ist freier Fachjournalist in Kronberg im Taunus

Die Beschaffung von Verbrauchs- und Investitionsgütern ist eine komplexe, zeitraubende und häufig auch kostspielige Angelegenheit. Marktforscher sprechen von Kosten zwischen 50 und 250 Euro pro Einkaufsprozess – selbst wenn es sich lediglich um ein paar Bleistifte oder Quittungsblöcke handelt. Der Kaufpreis ist dabei das geringste Übel. Den Löwenanteil der Kosten verursachen die internen Abläufe: Zeit, die Mitarbeitern zwischen Anforderer, Abteilungsleiter, Einkäufer und Lagerist verloren geht. Hinzu kommen nicht genutzte Preisvorteile durch die Schwierigkeit der Anforderer, Vergleiche zwischen Angeboten anzustellen, und durch das sogenannte „Maverick Buying“, das heißt der Beschaffung an bestehenden Rahmenverträgen vorbei.
„Uns ging es zunächst darum, die immensen Rationalisierungspotenziale zu nutzen, die im Beschaffungsbereich für nichtproduktive Güter schlummerten“, sagt Dr. Peter Richard, IT-Manager B2B-Marketplace bei Audi. „Wir wollten eine gerichtete Kommunikation mit unseren Lieferanten über ein einheitliches Portal implementieren.“ Dieses Portal sollte die Lieferanten in die Lage versetzen, sich mit ihren Produkten als Zulieferer einzutragen und an Ausschreibungen oder Auktionen teilzunehmen.
Bisher wurde die Beschaffung von C-Materialien – also Bürobedarf ebenso wie medizinisches Material, Möbel für die Ausstattung der Arbeitsplätze oder Steuergeräte für Maschinen – zum Teil auf klassische Weise, zum Teil auch über den „Electronic Supplier Link“ abgewickelt. Dabei handelte es sich um eine elektronische, java-basierende Informationsplattform für Lieferanten, über die Bedarfe ausgeschrieben werden können, um Angebote für bestimmte Güter einzuholen. Nachdem der Lieferant diese Information erhalten hatte, lieferte er sein Angebot schriftlich bei der Einkaufsabteilung ab, wo dann darüber entschieden wurde.
Ein Katalog als zentrale Artikeldatenbank
Das strategische Ziel ist es nun, alle im Konzern benötigten Produkte in einem umfassenden Online-Katalog verfügbar zu haben, aus dem die autorisierten Anforderer bei Audi von ihrem Arbeitsplatz aus jederzeit das gerade Benötigte auswählen und bestellen können. Zugleich wollte man diese Vereinheitlichung des Angebots dazu nutzen, die Anzahl der Lieferanten zu reduzieren und damit mehr Übersichtlichkeit, Vergleichbarkeit und natürlich Verhandlungsspielräume zu schaffen.
„Wir definierten vier Teilprojekte: Catalogue Buying, Online-Verhandlung, E-Capacity Management, das für den Kapazitätsabgleich mit den Lieferanten zuständig sein sollte, und IT-Infrastruktur“, sagt Richard. Das eigens gegründete Projektteam untersuchte in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung A.T. Kearney die Ist-Prozesse und erstellte eine Analyse, aus der sich die Optimierungspotenziale herausschälten. Auf dieser Basis wurden die Soll-Prozesse definiert – „wegen der großen Anzahl der Mitglieder und der aufgabenbedingt unterschiedlichen Sichtweisen eine Herausforderung“, wie der Einkaufsmanager anmerkt. Die Revision verlangte naturgemäß maximale Prozesssicherheit und die Buchhaltung (Kreditoren) anstelle der klassischen Rechnungstellung die Einführung des Gutschriftverfahrens, der Einkauf und die Logistik legten größten Wert auf einfache Handhabung für die Anforderer.
Auch bei der Suche nach den für die Umsetzung geeigneten Partnern gab es unterschiedliche Präferenzen. Im Rahmen des Catalogue Buying entschied man sich für ein Zweier-Gespann von Spezialisten: Ariba für die E-Procurement-Lösung und Peregrine Systems als Lieferant der Software für den elektronischen Katalog. „Wir hatten ein Pflichtenheft erstellt, das neben der Funktionalität der Software-Produkte wegen des absehbaren internationalen Einsatzes die verfügbaren Sprachversionen, aber auch die Zukunftsfähigkeit der Produkt- und Dienstleistungsanbieter und die geplanten Entwicklungen berücksichtigte“, beschreibt IT-Manager Richard.
Schließlich sei es ja nicht nur um die Einrichtung und Pflege eines zentralen Katalogs für alle C-Materialien gegangen, „sondern auch um die Einbindung in unsere bestehenden Systeme und um die Möglichkeit, bereits hier Workflows zu definieren“, so Richard.
Nachdem das System implementiert und in das vorhandene Umfeld eingebunden war, musste es mit den erforderlichen Informationen gefüllt werden. Eine neue Rolle für den Einkäufer: Er musste jetzt mit dem Lieferanten Kontakt aufnehmen und ihn bitten, alle Produktdaten in möglichst guter Qualität in elektronischer Form zu liefern – „eine weitere Herausforderung“, erinnert sich Richard. „Gerade für Unternehmen mit einer Vielzahl von Produkten ist es nicht ganz einfach, Stringenz in ihren Informationen zu wahren.“ Die vom Lieferanten eingehenden Daten wurden an Peregrine Systems weitergegeben und dort auf Syntax und Redundanz geprüft. Anschließend ging das verifizierte Informations-Kompendium gemäß definiertem Workflow an den Einkäufer zurück, der die Einträge nochmals überprüfte und gegebenenfalls freigab. Damit war das Angebot für den Online-Katalog akzeptiert und stand für die Anforderer im Konzern zur Verfügung.
Allerdings war gleichzeitig zu klären, welcher Anforderer welche Befugnisse haben sollte. Ein weiterer Workflow, der definiert werden mußte: Sollte für jeden Berechtigten ein eigenes Profil angelegt werden, das festlegte, über welche Summen er im Rahmen von welchen Kostenstellen verfügen und für welche Materialgruppen er eine Befugnis erhalten sollte? Audi löste das Problem auf elegantere Art: „Wir haben ein Berechtigungssystem, das selber wächst“, sagt Richard. Im System ist die Unternehmenshierarchie abgelegt. Jeder interessierte Nutzer kann einen Zugang für das Beschaffungssystem beantragen und kann dann seine – auch in anderen Systemen verwendete – User-ID und das Passwort zum Systemzugang verwenden. Danach kann er sein eigenes Berechtigungsprofil erstellen – das aber durch den Kostenstellenverantwortlichen und den Vorgesetzten bestätigt werden muss. Erst nachdem diese – online – zugestimmt haben, kann der Nutzer im Rahmen seines Profils mit Hilfe des Katalogs bestellen. Die Zugangsdatenbank wird immer auf dem Laufenden gehalten durch die Kopplung mit dem HR-System, das Daten über ausscheidende Mitarbeiter oder über Umzüge innerhalb des Konzerns zuliefert.
Nach einer Einführungsfase arbeiten heute 4000 Mitarbeiter mit dem System – „was eine merkliche Reduktion der Beschaffungkosten mit sich brachte“, so der Kommentar von Richard.
Die Akzeptanz ist nach Angaben von Audi sehr groß: etwa 100 Transaktionen würden derzeit täglich ausgeführt.
Um auch die Anforderung von „exotischen“ Gütern – wie die Bestellung eines Geburtstagsblumenstraußes – zu realisieren, arbeitet Audi mit Peregrine Systems jetzt noch daran, eine sogenannte Freitext-Bestellung zu ermöglichen. Damit sollen auch Güter beschafft werden können, die nicht im Katalog verzeichnet sind.
Industrieanzeiger
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