Nach dem Produktionsstopp wegen fehlerhafter Teile will Bosch die Qualitätssicherung verbessern. Unklar sind die Folgen der Rückrufaktion.
Thomas Baumgärtner ist Journalist aus Kusterdingen
Bosch tritt die Flucht nach vorne an. Der seit dem vergangenen Jahr weltweit größte Zulieferer von Automobilteilen will aus dem Vorfall um fehlerhafte Dieseleinspritzpumpen gestärkt hervorgehen. „Wir können das nutzen, um bei unseren Mitarbeitern das Qualitätsbewusstsein erneut zu sensibilisieren“, versucht Franz Fehrenbach, Vorsitzender der Bosch-Geschäftsführung, der Panne Positives abzugewinnen. Im Einkauf soll es jetzt stärkere Kontrollen geben.
Bei den Dieseleinspritzpumpen der jüngsten Generation waren bei der fertigungsbegleitenden Belastungsprüfung Probleme entdeckt worden: Die Pumpen, die den Kraftstoff mit bis zu 1600 bar in das Einspritzsystem drücken, wiesen eine verminderte Lebensdauer von nur rund 30 000 Kilometern Laufleistung auf. Ursache war ein Teil, das der Zulieferkonzern selbst von einem Unterlieferanten bezog. Bosch stoppte daraufhin die Produktion und informierte die Automobilhersteller. BMW und Mercedes mussten die Produktion von Dieselfahrzeugen zeitweise stoppen.
Laut Mercedes-Chef Eckhard Cordes sind 30 000 bereits produzierte Fahrzeuge betroffen. „Ein Drittel davon ist in Kundenhand, ein Drittel steht noch im Werk, ein weiteres Drittel bei den Händlern und Importeuren“, so Cordes. Ausgelieferte Fahrzeuge würden zurückgerufen und mit neuen Pumpen ausgestattet.
Bei Bosch legt man Wert auf die Feststellung, dass sich die Probleme bei den Pumpen nur auf den Prüfständen gezeigt hätten. „Aus der Fahrpraxis sind keine daraus resultierenden Mängel an den Einspritzpumpen bekannt“, heißt es in einer Mitteilung. Zwischenzeitlich hat der Zulieferer die Produktion von Hochdruckpumpen für Common-Rail-Dieseleinspritzsysteme „in vollem Umfang wieder aufgenommen“, so Boschsprecher Richard Backhaus gegenüber dem Industrieanzeiger.
Die Schadensbegrenzer bei Bosch sind bemüht, das funktionierende Krisenmanagement hervorzuheben: Schließlich habe man „in intensiver Zusammenarbeit“ mit den Automobilherstellern und den Vorlieferanten das Problem schnellstmöglich analysiert. „Der Fertigungsstandard bei den Lagerbuchsen wurde sichergestellt und die Funktionsfähigkeit der Common-Rail-Hochdruckpumpen in umfangreichen Dauerlauftests erfolgreich nachgewiesen.“
Offen ist, wer die Kosten für Umrüstaktionen und Produktionsstillstände zu tragen hat. Zur Höhe möglicher Forderungen ist aus dem Hause Bosch nichts zu erfahren. „Das ist noch zu früh“, meint Sprecher Backhaus. Aber man werde „alle gerechtfertigten Regressansprüche erfüllen“.
Dabei dürften nicht nur die Common-Rail-Pumpen zu Buche schlagen. Auch General Motors startete jüngst eine Rückrufaktion wegen fehlerhafter Bosch-Teile. Bei in den USA verkauften Autos muss der Bremskraftverstärker überprüft werden.
Bosch setzt sich damit in diesem Jahr an die Spitze der unrühmlichen Liste von Rückrufen. Sie wird von Jahr zu Jahr länger. Für das Jahr 2003 meldete das Kraftfahrt-Bundesamt 144 Rückrufe. Die Liste für 2004 liegt noch nicht vor, dürfte aber nach Experteneinschätzung länger sein. 1,4 Millionen Autofahrer waren 2003 betroffen. „Es besteht die Gefahr, dass der Kunde der erste Testfahrer ist und damit als Versuchskaninchen auf Mängel stößt“, beklagt Wolfgang Meinig von der Forschungsstelle Automobilwirtschaft in Bamberg. Der Präsident des deutschen Automobilverbandes VDA, Bernd Gottschalk, spricht dagegen von einer „statistisch verzerrten Zahl“, weil häufiger gleiche Teile in verschiedene Fahrzeugvarianten eingebaut würden.
„Autos werden keineswegs immer schlechter oder unsicherer“, pflichtet Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer bei. Der Grund für die steigende Zahl der Rückrufe seien die wachsende Modellvielfalt und die vielen Innovationen. „Je mehr man in ein Auto einbaut, umso mehr kann auch kaputt gehen.“ Da Neuwagen immer mehr Elektronik enthielten, wachse gerade in diesem sensiblen Bereich die Gefahr von Defekten.
Nach einer Studie des Instituts Center of Automotive Research (CAR) gehen derzeit 60 % der Rückrufe auf Mechanik-Probleme zurück, 40 % auf die Elektronik. Das Verhältnis werde sich künftig auf 50:50 verschieben. Die Studie zeigt, dass praktisch kein Hersteller von Rückrufen verschont bleibt. Spitzenreiter von Sommer 2002 bis 2004 war der Autohersteller Renault mit 18 Rückrufen. Auf Platz zwei folgte BMW mit zehn Aktionen, auf Platz drei der japanische Autobauer Nissan mit neun.
Die Zahl der Fahrzeugrückrufe nimmt konstant zu
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