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Ausprobieren, wie die Technik „schmeckt“

„Taste“ hilft, Mädchen für Industrieberufe zu gewinnen
Ausprobieren, wie die Technik „schmeckt“

Ausprobieren, wie die  Technik „schmeckt“
Eine zentrale Rolle bei „Taste“ spielen die Beobachter, die auf Schlüsselqualifikationen achten (Bild: Life e.V.)
Zugegeben: Der Aufwand ist hoch, wenn man „Taste“ mit den üblichen Hochglanz-Broschüren der Initiativen für Mehr-Mädchen-in-technische-Berufe vergleicht. Aber angesichts der kommenden geburtenschwachen Jahrgänge wird auch die mittelständische Industrie nicht umhin kommen, ihre Bemühungen um weibliche Fachkräfte zu erhöhen.

Peter Becker ist Journalist in Berlin

Ungewöhnlich ist die Methode, die das Projekt „Taste“ des Berliner Frauenbildungsträgers Life e.V. entwickelt hat. Keinesfalls nämlich sucht es in den neunten Schulklassen nach denjenigen Mädchen, die sich durch eine besondere Affinität zur Technik auszeichnen. Vielmehr will es bei den jungen Damen Schlüsselqualifikationen aufspüren, die sie als spätere Fachkräfte in einem technischen Beruf brauchen würden. Diese Kompetenzen werden trickreich anhand von praktischen Aufgaben aufgespürt, besser gesagt: im Prozess geweckt und dann auch noch gefördert.
„Taste“, ausgeschrieben: Technik Ausprobieren Stärken Entdecken, dauert eine Woche. An einem Tag geht es um eine mögliche Eignung für einen technischen Beruf zum Beispiel in der Industrie. Ein weiterer Tag widmet sich dem Handwerk, an einem anderen steht die IT-Branche im Mittelpunkt. Am vierten Tag schließlich geht es darum, wie „es sich anfühlt“, als Neuling in einem Betrieb in ein funktionierendes Team zu kommen. Der fünfte Tag schließlich wertet die Erfahrungen ausführlich aus und gibt Empfehlungen für die berufliche Orientierung.
An der Entwicklung der vier Tagesmodule waren Firmenvertreter und einschlägige Wissenschaftler beteiligt. Herausgekommen ist zum Beispiel in einem Modul die Aufgabe, aus Einzelteilen wie Räder, Lenkstange, Sattel oder Gepäckträger das Fahrrad zusammenzubauen. Wie die Mädchen die Aufgabe bewältigen, lässt Rückschlüsse über ihre Fähigkeit zum Verstehen einerseits von Einzelkomponenten und andererseits vom Gesamtzusammenhang zu. Diese Fähigkeit, so die an der Entwicklung beteiligten Vertreter der Industrie, sei für die Berufe dort sehr wichtig.
„Die Mädchen schaffen das“, sagt Annemarie Cordes, Initiatorin und Leiterin des Projekts. Um eventuell vorhandenen Begabungen Rechnung zu tragen, gibt es in jedem Modul unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Gewürzt sind die Aufgaben durch betriebsnahe Umstände: Im IT-Modul heißt das beispielsweise, dass technische Störungen die Aufgabe verkomplizieren.
Beobachtung steht im Mittelpunkt des „Taste“-Konzepts, das den klassischen Assessment-Gedanken verfolgt. Dafür sollten zwei Beobachter(innen) pro Teilnehmerin zur Verfügung stehen. Diese Assessoren, so der Fachbegriff, müssen eine Schulung durchlaufen, damit sie ihre Rolle als Spürhunde für Schlüsselkompetenzen wahrnehmen können.
Sie richten ihr Augenmerk zum Beispiel auch auf Exaktheit bei der Arbeit (ob die Werkzeuge wieder an ihren Platz zurückgelegt werden), auf Problemlösungskompetenz (ob nur ein einziger Weg verfolgt oder ob Alternativen überlegt werden) oder auf Teamfähigkeit (ob die Teilnehmerinnen sich untereinander austauschen oder nicht). „An Kleinigkeiten kann der geschulte Blick viel erkennen“, erläutert Projektleiterin Cordes. „Ob jemand in der Schlange vor der Bohrmaschine wartet oder lieber einen anderen Arbeitsschritt einlegt, lässt viel erkennen über Arbeitssystematik und Zeiteinteilung.“
Indem die Teilnehmerinnen von Anfang an wissen, worauf die Assessoren achten, lenken sie alsbald selber ihren Blick darauf und sind sich spätestens nach dem Gespräch am letzten Tag klarer über sich selbst und ihre beruflichen Neigungen geworden. „Die Mädchen wachsen in der Assessment-Woche“, so Annemarie Cordes, „viele sagen: Jetzt bin ich aufgewacht, um mir einen Beruf zu suchen.“ Andere waren allein schon beeindruckt davon, dass sich die Assessoren so viel Zeit für sie nahmen – was, am Rande bemerkt, gar kein gutes Licht wirft sowohl auf die Familien als auch auf die Schule.
Zum Abschluss der „Taste“-Woche gibt es für die Teilnehmerinnen, die allein in Berlin inzwischen rund 120 zählen, ein Zertifikat. Betriebe berichten, dass die dort getroffenen Beurteilungen ihnen bei der Auswahl von Bewerberinnen sehr helfen würden.
Informationen unter anderem über regionale Ansprechpartner und die Kosten für die Assessoren-Qualifizierung auf der Homepage: www.taste-for-girls.de
Konzept verfolgt den klassischen Assessment-Gedanken
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