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Beispiel Flugzeug-Schalldämpfer

Kreative Lösungen mit Technischer Keramik
Beispiel Flugzeug-Schalldämpfer

Zwischen einem keramischen Flugzeug-Schalldämpfer und einem keramischen Maschinenbauteil gibt es kaum Unterschiede: Werden Konstruktion und Fertigung gezielt auf die Anwendung zugeschnitten, entfaltet die Keramik ihre Stärke und kann beeindruckende Innovationen auslösen.

Dr. Michael Zins ist Geschäftsführer der Technologie-Agentur Struktur-Keramik (Task) GmbH in Aachen, Privatdozent Dr. Christos Aneziris ist Oberingenieur beim Institut für Keramische Komponenten im Maschinenbau (IKKM) der RWTH-Aachen

Technische Keramiken haben in Bereichen wie Verschleißschutz, Hochtemperaturanwendungen und Schneidkeramik enorme Entwicklungen durchlaufen. Doch viele Einsatzgebiete bleiben immer noch verschlossen, weil die Anwender nicht die notwendigen Kenntnisse haben, um erfolgreich keramikgerechte Konstruktionen zu erstellen.
Wer die spezifischen Anforderungen betrachtet und entsprechend konstruiert, erhält Bauteile mit
– hoher Härte und Festigkeit,
– großem Verschleißwiderstand,
– guter Korrosionsbeständigkeit,
– geringem spezifischen Gewicht,
– hoher chemischer Beständigkeit und
– niedriger bis hoher elektrischer und thermischer Leitfähigkeit.
Die große Auswahl an Werkstoffen und Fertigungstechnologien ermöglichen das Maßschneidern der Keramiken. Ein herausragendes Beispiel liefern die Projektarbeiten am Institut für Keramische Komponenten im Maschinenbau (IKKM), Aachen, über „Funktionshohlräume“: Wie im VDI-Bericht 1472 veröffentlicht, entwickeln die Wissenschaftler zur Zeit einen neuartigen Flugzeugschalldämpfer, der eine poröse keramische Monolithstruktur (Ökopor) als Absorptionsmaterial einsetzt. Die gezielt erzeugte, definierte Porosität soll das akustische Absorptionsverhalten spürbar verbessern. Tests haben bereits gute Ergebnisse gebracht: Mit dem keramischen Vorschalldämpfer sinkt der Schalldruckpegel bei Frequenzen oberhalb 700 Hz um bis zu 15 dBA gegenüber bisherigen Lösungen. Helmholtz-Resonatoren in den äußeren Kammern tun ein Übriges und reduzieren zusätzlich die Pegelspitzen bei Frequenzen zwischen 400 und 700 Hz, so dass der Gesamtschalldruckpegel der Anlage um 7,2 dBA sinkt. Die Druckverluste im Abgasstrom betragen lediglich noch 67 % im Vergleich zu den Werten der Referenzanlage herkömmlicher Bauart.
In dieser Anlage wird der Vorschalldämpfer hohen thermischen, mechanischen und chemischen Beanspruchungen ausgesetzt. Letztlich kann ihnen nur eine speziell zugeschnittene Keramik standhalten. Testläufe auf einem Motorenprüfstand haben die Eignung des dafür konzipierten Materials bereits nachgewiesen. Eine Kenngröße für die Festigkeit des hochporösen Werkstoffes ist die mittlere Kaltdruckfestigkeit: Sie liegt bei Ökopor mit 6,4 bis 6,6 MPa um ein Vielfaches höher als bei derzeit verfügbaren Materialien. Ökopor kann mit einer offenen Porosität von über 40 % direkt im Abgasstrom eingesetzt werden.
Keramik findet sich in Schuss-sicheren Westen und Rohrkrümmern
Natürlich handelt es sich bei der Schalldämpfung für den Flugzeugmotor nur um eine Nischenanwendung. Im Rahmen von Kooperationen wird jedoch eine möglichst vielfältige Vermarktung des Werkstoffansatzes angestrebt. Eine Kontaktstelle wie die Technologie-Agentur Struktur-Keramik (Task) GmbH in Aachen spielt dafür eine wichtige Rolle. Es gilt weitere Anwendungen zu erkennen und konsequent umzusetzen. Für Ökopor ist beispielsweise auch ein Einsatz in der Chemie und Umwelttechnik oder in der Kfz-Industrie denkbar.
Unter dem Oberbegriff Technische Keramik sind im wesentlichen vier Werkstoffgruppen zusammengefasst. Die silikatkeramischen Werkstoffe sind dadurch gekennzeichnet, dass sie SiO2 als wesentliche chemische Komponente enthalten. Sie werden überwiegend im Bereich Gebrauchs-, Bau- und Feuerfestkeramik eingesetzt. Aber auch die klassischen Elektro-, Labor- und Chemiekeramiken bestehen zum größten Teil aus diesen Werkstoffen, zu denen Steinzeug, Porzellan, Steatit und Schamotte gehören.
Die größte Gruppe unter den technischen Keramiken bilden die oxidkeramischen Werkstoffe. Ihre extreme Bindungsfestigkeit ermöglicht die höchsten Korrosions- und Temperaturbeständigkeiten. Aluminiumoxid als wichtigster Vertreter ist in Form von Standardplatten verfügbar, mit denen große Flächen vor Verschleiß geschützt werden. Beispielsweise in Förderanlagen ließen sich Rutschen und Rohrkrümmer ohne solchen Schutz nicht dauerhaft betreiben. Die Platten werden aber auch in Anwendungen wie Schusssicheren Westen und Fahrzeugpanzerungen eingesetzt.
Ein weiteres Beispiel für Oxidkeramiken ist Zirkonoxid (ZrO2). In verschiedenen Modifikationen wird es sowohl in mechanisch hochbeanspruchten Kleinteilen eingesetzt wie in großen und besonders korrosionsbeständigen Bauteilen der Stahlindustrie. Der Werkstoff eignet sich auch für Verbindungen mit Stahl, beispielsweise durch Schrumpfen und Löten, da er einen vergleichbaren Ausdehnungskoeffizienten besitzt.
Bei den Oxidkeramiken existieren darüber hinaus eine Vielzahl von Mischkeramiken. Ein Beispiel ist Alu-miniumtitanat als stöchiometrische Mischphase von Aluminiumoxid und Titanoxid. Offene Porosität, niedrige Wärmeleitfähigkeit und geringe Ausdehnungskoeffizienten führen zu einer hohen Thermoschockbeständigkeit. Sie erlaubt es, die Bauteile mit flüssigen Aluminium-Schmelzen zu umspritzen. Auf diese Weise lassen sich komplexe Hohlräume für den Gasstrom in Zylinderköpfen ebenso herstellen wie Laufbuchsen in Kolbenpumpen. Anwender aus der Aluminiumindustrie haben dieses Potential bisher noch nicht vollständig ausgenutzt.
Einen stark wachsenden Anteil zeigen die nichtoxidkeramischen Werkstoffe. Hervorzuheben sind die Nitride mit ihrer hohen Dauerfestigkeit, zum Beispiel Siliziumnitrid, und die Karbide mit ihren Hochtemperatureigenschaften wie Siliziumkarbid. Die Nichtoxide lassen sich in neutraler und reduzierender Atmosphäre bis nahe an den Schmelzpunkt von über 2000 °C einsetzen. In oxidierender Atmosphäre gilt 1300 °C jedoch häufig als Grenztemperatur. Für den Einsatz bei höheren Temperaturen bis über 1600 °C sowie in Säuren und Laugen nutzt man aus, dass sich oxidische Schutzschichten bilden, die eine Zerstörung der Grundmaterials verhindern.
Ein großer Anteil des produzierten Siliziumkarbids wird wegen seiner enormen Härte als hochwertiges Schleifmittel verwendet. Hinzu kommen Hochtemperaturanwendungen wie Wärmetauscher und Brenner oder extrem verschleißfeste Düsen, zum Beispiel für die Rauchgasreinigung.
Die Siliziumnitride werden verstärkt für mechanisch hoch beanspruchte Bauteile wie Umformwerkzeuge und Ventile eingesetzt. Die Biege-festigkeit liegt teils über 1000 MPa, und durch die mögliche Flächenpressung von bis zu 2800 MPa erreicht man Sicherheit gegen Oberflächenzerrüttung. Die optimierten Fertigungstechnologien der letzten Jahre erlauben viele neue wirt- schaftlichen Anwendungen.
Die vierte Gruppe bilden die sogenannten verbundkeramischen Werkstoffe. Darunter sind mehrphasige, makroskopisch homogene Kombinationen verschiedener Werkstoffe zu verstehen. Beispiele sind siliziuminfiltriertes Siliziumkarbid oder Aluminiumoxid, das mit Siliziumkarbidfasern verstärkt wurde. Speziell in diesem Bereich entstehen derzeit Mischkeramiken auf Basis von Al2O3 und ZrO2, die entweder extrem hohe Festigkeit, Korrosions- oder Thermoschockbeständigkeit besitzen.
Das Plasmaspritzen ermöglicht neuartige Werkstoffkombinationen für komplexe Bauteile: Gradierte Werkstoffe lassen sich ebenso realisieren wie keramisch-metallische Verbundelemente. Die Nanotechnologie bietet darüber hinaus die Möglichkeit, Rohstoffe für keramische Bauteile maßzuschneidern. Allerdings geschieht dies noch in kleinem Maßstab: Sinnvoll sind bisher Pulverchargen bis zu 50 kg.
Der Treffpunkt Keramik der Task GmbH bietet sich als zentrale Informationsstelle an, um die Möglichkeiten des Werkstoffes kennen zu lernen. Die Dauerausstellung in Aachen enthält über 1000 Anwendungsbeispiele von rund 40 Industrieunternehmen. Die Task führt gemeinsame, werkstoffbezogene Präsentationen auf verschiedenen Messen wie der Hannover Messe oder der Materialica durch, um neuen Anwendern maßgeschneiderte Lösungen zu ermöglichen.
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