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Berufskolleg schickt Lehrlinge ins Ausland

Schule als Dienstleister für kleinere Unternehmen
Berufskolleg schickt Lehrlinge ins Ausland

Berufskolleg schickt Lehrlinge ins Ausland
Gerd Hülsenbeck ist Studiendirektor am Berufskolleg Witten und Initiator des Projekts und an der Schule zu erreichen unter Tel. (02302) 920-0,Fax (02302) 920 -200
Viele große Konzerne entsenden ihre Lehrlinge schon in der Ausbildung ins EU-Ausland. Wie auch kleine oder mittlere Unternehmen den Aufwand stemmen können, zeigt das Projekt des Wittener Berufskollegs.

Peter Becker ist Journalist in Berlin

Als Gerd Hülsenbeck Werbung für seine Idee machte, stieß er bei den großen Firmen in Witten und Umgebung nur auf Ablehnung. Die hatten sein Vorhaben, Azubis für ein Praktikum nach Großbritannien zu schicken, schon in Eigenregie realisiert. Dann aber konnte der Studiendirektor einige kleinere Unternehmen für sein Projekt gewinnen und inzwischen hat das Berufskolleg der Stadt schon eine ganze Klasse für Industriekaufleute mit der Zusatzqualifikation „EU” eingerichtet. Sie gehen während ihrer Ausbildung in eine Firma und auf ein College in Großbritannien.
Der Fall hat Seltenheitswert, und die Idee konnte nur realisiert werden, weil es in Hülsenbeck einen geradezu Besessenen gab. Er warf nämlich die traditionellen Berührungsängste zwischen Schule und Betrieb über Bord und organisierte sein Vorhaben im Sinne einer Dienstleistung für jene Firmen, die aus eigener Kraft nicht in der Lage wären, ihre Azubis ins Ausland zu schicken. Einen Teil der Mittel organisierte Hülsenbeck beim EU-Programm „Leonardo”, was die finanzielle Belastung für alle Beteiligten erträglich hielt (siehe „Nachgefragt”).
Für rund vier Monate gehen die jungen Leute in ihrem zweiten Ausbildungsjahr auf die Insel. Dort machen sie ein Praktikum in einem Industriebetrieb und besuchen an einem halben Tag in der Woche ein College, an dem sie später eine Prüfung über ihr Wirtschaftsenglisch ablegen werden. Untergebracht sind sie in Familien, was laut Hülsenbeck entscheidend ist für den Erfolg des Auslandsaufenthalts.
Für den Abschluss nimmt zusätzlich zur Collegeprüfung entweder die Londoner Handelskammer oder die University of Cambridge eine Sprachprüfung ab. Darüber hinaus testet die IHK Bochum, ob die Azubis zum Beispiel in der Fremdsprache ein Fachgespräch führen oder einen Geschäftsbrief schreiben können. Wichtig für alle Beteiligten ist solch eine Zertifizierung, wie Hülsenbeck betont.
Ausgewählt für das Projekt wurden ausschließlich Azubis mit (Fach-)Abitur. Kandidaten mit Fachoberschulreife müssen eine Zugangsprüfung ablegen. Die Ausbildungszeit kann auf Grund der erhöhten Anforderungen nicht unter drei Jahre verkürzt werden, so die Erfahrung aus dem Projekt.
Inzwischen hat sich das Modell herumgesprochen. Auch Betriebe aus anderen Regierungsbezirken schicken ihre Azubis nach Witten.
„Azubis mit Auslandserfahrung sind selbstständigere Mitarbeiter”
Das Projekt aus Witten, das Azubis für vier Monate nach Großbritannien schickt, hilft kleineren Betrieben. Gerd Hülsenbeck erläutert wieso.
Was hat ein kleineres Unternehmen von Azubis mit Auslandserfahrung?
Mitarbeiter mit Auslandserfahrung sind erheblich selbstständiger bei der Arbeit als gewöhnliche kaufmännische Angestellte. Sie sind offener gegenüber den Anforderungen am Arbeitsplatz. Neuerungen zum Beispiel sehen sie eher als Herausforderung denn als unüberwindbare Schwierigkeit. Wie die Erfahrung zeigt, werden sie auf Grund ihrer Sprachenkompetenz bei Anfragen aus dem Ausland immer herangezogen.
Wie sieht es auf der Seite der Kosten aus?
Natürlich muss der Lehrbetrieb die Ausbildungsvergütung auch während der vier Monate im Ausland bezahlen. Die Firma in Großbritannien zahlt den Praktikanten üblicher Weise nichts. Wir haben von „Leonardo” rund 55 000 Euro Förderung für 22 Teilnehmer bekommen, so dass jeder nur noch 300 Euro bezahlen musste.
Und wenn es keine EU-Mittel gibt?
In einem Jahr hatten wir schon den Fall. Da haben wir dann die Zeit auf der Insel auf drei Monate verkürzt. Die Kosten wurden zu je einem Drittel von den Eltern, vom Betrieb und von dem Förderverein der Schule übernommen.
Auf Fördermittel darf solch ein Projekt also nicht bauen?
Förderung beinhaltet immer Unsicherheit. Zum einen müssen wir an der Schule die EU-Klassen schon einrichten, bevor wir wissen, ob die EU Geld geben wird. Zum anderen müssen wir bei jeder Antragstellung uns etwas Innovatives einfallen lassen, weil „Leonardo” es so vorschreibt.
Das Gespräch führte Peter Becker
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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