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Bewährte Technik modernisieren

Leichtere Instandhaltung und höhere Leistung durch Retrofit
Bewährte Technik modernisieren

Die Streck-Biege-Richtanlage bei Wieland entsprach nach 38 Jahren nicht mehr heutigen Anforderungen. Nach der Modernisierung erreicht die Anlage eine höhere Geschwindigkeit und weist eine bessere Produktivität auf.

Christine Gassel Freie Journalistin in München

Produktivität und Lebenszykluskosten von Fertigungsanlagen stehen in Zeiten immer schärferen Wettbewerbs zunehmend im Fokus der Betriebsbetrachtung. Dies gilt auch für Maschinen, die seit Jahrzehnten treu ihren Dienst tun, für die jedoch die Ersatzteilbeschaffung schwierig bis unmöglich geworden ist oder deren Effizienz gemessen am technischen Fortschritt und an neuen Vorschriften nicht mehr ausreicht. Eine Neuanschaffung bedeutet allerdings eine hohe Investition, die mit Einarbeitung, Eingewöhnungszeiten und Produktionsausfall während der Installationsphase verbunden ist. Als Alternative, um die Anlage technisch auf den neuesten Stand zu bringen, bietet sich die Aufrüstung der bestehenden Geräte an, bei der nur einzelne Komponenten optimiert werden.
Entscheidung für die Modernisierung
So entschied sich auch die auf Kupfer- und Kupferlegierungshalbzeuge spezialisierte Wieland-Werke AG in Vöhringen, ihre in die Jahre gekommene Streck-Biege-Richtanlage fachgerecht überholen zu lassen. Innerhalb von nur sechs Monaten setzte der Metallband-Experte Burghardt + Schmidt GmbH aus Remchingen ein entsprechendes Modernisierungskonzept von der kundenindividuellen Produktentwicklung über die Beschaffung der Komponenten bis zur Installation vor Ort um. Die Maschine arbeitet seither mit höherer Geschwindigkeit, weist eine bessere Produktivität auf und lässt sich wesentlich leichter warten.
Bänder, Drähte und Rohre aus Kupfer-, Messing- oder Bronzelegierungen sowie daraus gefertigte Gleitlager und andere Systembauteile sind die Kernkompetenz der Wieland-Werke AG. Um dabei höchsten Anforderungen an Oberflächenqualität und -planheit genügen zu können, müssen die Bänder präzise gewalzt und gerichtet werden. Unerwünschte Formabweichungen sind damit auf ein Minimum reduziert. Im Werk Vöhringen bei Ulm wird dafür seit 1976 eine Streck-Biege-Richtanlage eingesetzt, ein Richtsystem mit je vier Brems- und Zugrollen. 2006 stellte das Unternehmen jedoch fest, dass diese altbewährte Maschine den Ansprüchen nicht mehr genügte.
„Zum einen konnten neuere Sicherheitsvorschriften zum Berührungsschutz nicht mehr erfüllt werden“, erklärt Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Benischke, Leiter Zentrale Planung Walzgruppe. „Zum anderen ließ sich der Betrieb nicht auf längere Sicht gewährleisten, weil zum Teil die Ersatzteile der elektrischen Ausrüstung nicht mehr verfügbar waren. Zudem kam es häufiger zu Ausfällen und der Aufwand zur Störungsbehebung war unverhältnismäßig hoch.“ Dennoch waren die mechanischen Bestandteile an sich noch in gutem Zustand, weshalb sich das Unternehmen gegen eine Neuanlage entschied. „Die mit der Aufrüstung mögliche Kosteneinsparung gegenüber einer Neuanschaffung gab hierfür den Ausschlag“, erinnert er sich.
Die Ziele der Modernisierung waren schnell formuliert: Die Anlage sollte mechanisch modernisiert und ihre Leistung gesteigert werden. Und da die Bandgeschwindigkeit gesteigert werden sollte, mussten auch die Leistungen der Ab- und Aufhaspel sowie der Bremswalzen erhöht werden. Grundlegende Anlagenparameter wie das Einsatzspektrum für Dicken von 0,1 bis 0,8 mm und Breiten von 70 bis 420 mm oder die Streckgrenze von maximal 630 N/mm² galt es jedoch zu erhalten. Der Auftrag für die notwendige Erneuerung der Elektro-Technik wurde an DAA Delta Technik GmbH, den Kooperationspartner von Burghardt + Schmidt, vergeben. Dieser setzte ein umfangreiches Maßnahmenpaket von der Demontage der alten Schaltschränke über die komplette Neuverkabelung bis hin zur Integration einer Visualisierung auf WinCC-Basis um.
Präzise Bandkantenregelung für bessere Planheit und Produktivität
Der Weltmarktführer für Streck-Biege-Richtanlagen Burghardt + Schmidt empfahl dazu den Austausch aller vorhandenen Antriebe an Haspeln und Walzen durch Drehstrommotoren. „Damit wird nicht nur der Wartungsaufwand geringer, auch lässt sich so die Bremsenergie zurückspeisen und somit die Energieeffizienz verbessern“, erläutert Volker Lüdecke, technischer Leiter des Unternehmens. Zum Anschluss der neuen Motoren mussten neue Sockel gesetzt, die bisherigen Kupplungen mit Bremstrommeln gegen solche mit Bremsscheiben ersetzt und statt der vorhandenen Backenbremsen als Stillstandsbremsen Bremszangen verbaut werden. Außerdem wurden entsprechend der veränderten Ausgangsbedingungen Getriebe mit neuen Übersetzungen sowie an den Haspel eine Zwischenwelle mit einer zweiten Kupplung installiert.
Damit gewährleistet ist, dass das Metallband jederzeit exakt positioniert wird und mittig in die Richtanlage einläuft, sollte außerdem der bislang feststehende Aufhaspel mit einer Bandkantenregelung nachgerüstet werden. Zu diesem Zweck wurde zunächst die Unterseite der Haspel umgearbeitet, um dort Linearführungen anbringen zu können. Die eigentliche Kantenregelung mitsamt Lichtband montierten die Experten in ein Gestell, das sie hinter dem Überbrückungstisch vor der letzten Umlenkrolle zum Aufhaspel platzierten. Zur präzisen Steuerung bei der Positionierung mit einer Toleranz von weniger als 1 mm für die geregelte Kante bauten sie einen Linear-Wegaufnehmer an die Haspel an und haben ihn mit einem digitalen Bandlaufregler verbunden. Verschoben wird das Band dann mittels Hydraulikzylindern mit ± 100 mm Hub. Als Fixpunkt für das Band musste zudem eine 250 mm-Umlenkrolle zwischen der Bandkantenerfassung und dem Aufhaspel in die Anlage integriert werden. Sie wurde im Hinblick auf die Mitarbeitersicherheit ebenso wie auch die Bogenzahnkupplungen mit Schutzvorrichtungen versehen. Zudem wurden die notwendigen Schläuche und Rohre samt Ventilblöcken zur hydraulischen und pneumatischen Versorgung der neuen oder veränderten Anlagenteile gelegt.
Für die gesamte Modernisierung – von der Bestellung bis zum Probebetrieb – hatte Wieland ein enges Zeitfenster von sechs Monaten vorgeschrieben. „Vor allem galt es, die Stillstandszeit für den konkreten Umbau der Richtmaschine kurz und die damit verbundenen Ausfallkosten gering zu halten“, erklärt Lüdecke. Um dies zu gewährleisten, beschaffte Burghardt + Schmidt alle zum Umbau benötigten Materialen im Vorfeld und montierte die Baugruppen soweit möglich im eigenen Werk vor. Dies sparte bei der Demontage und Aufarbeitung der Anlage vor Ort Zeit. „Der Kernstillstand betrug drei Wochen“, bestätigt Benischke, „auch insgesamt gesehen verlief das Projekt reibungslos.“ Die Mitarbeiter des Kupferspezialisten wurden schon während der Inbetriebnahmephase in die Veränderungen der Bedienabläufe der Anlage eingewiesen. Da sie auch bereits in die Planung des neuen Konzepts miteinbezogen worden waren, verlief die Umstellung ohne größere Schwierigkeiten.
Die Investition hat sich mehr als gelohnt
Inzwischen tut die runderneuerte Streck-Biege-Richtanlage bei der Wieland-Werke AG bereits seit mehreren Jahren wieder zuverlässig ihren Dienst – mit gesteigerter Leistung und Produktionsqualität. „Durch die Bandkantenregelung hat sich zum Beispiel das Wickelergebnis des Bandes verbessert“, berichtet Benischke. Gleichzeitig erhöhen die Regelung sowie der stärkere Bandzug die Planheit des gerichteten Metallbands. Darüber hinaus konnten Ausfallquote und -dauer deutlich reduziert werden, nicht zuletzt da Ersatzteile für die neuen Systembestandteile leichter verfügbar sind. Auch helfen die neue, hochwertigere Dokumentation und die verbesserte Visualisierung bei der Fehlersuche und vereinfachen die Bedienung. Die Investition in die bald 38 Jahre alte Anlage hat sich dadurch mehr als gelohnt. •
Industrieanzeiger
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