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Böse Buben machen um die kleinen Betriebe keinen Bogen

Sicherheit im Unternehmen: Wirtschaftskriminalität nimmt weiter zu
Böse Buben machen um die kleinen Betriebe keinen Bogen

Der Mittelstand hat Nachholbedarf, wenn es um die Sicherheit im Unternehmen geht. Wirtschaftskriminalität ist keine Randerscheinung: Sie erstreckt sich vom einfachen Diebstahl bis zur Werksspionage. Chefs müssen gemeinsam mit den Mitarbeitern die richtige Abwehrstrategie entwickeln.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de

Nein, es spricht kein Unternehmer gerne über das Thema. Und wenn, dann hinter vorgehaltener Hand: Die Verblüffung sei groß gewesen, als er auf der Messe den Komponenten begegnete, berichtet der Chef eines Sondermaschinenbauers aus dem Saarland. Sie sahen den seinen zum Verwechseln ähnlich. Es könnte der Vertriebsingenieur dahinter stecken, der das Unternehmen vor einiger Zeit verlassen hat, mutmaßt er. Vielleicht gibt es auch ein anders Know-how-Leck. Dem Geschäftsführer wird bewusst: Warum sollen böse Buben gerade um seinen kleinen Betrieb einen Bogen machen?
„Mittelständler machen sich zu wenig Gedanken um das Thema Sicherheit“, weiß Dr. Berthold Stoppelkamp, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft e.V. (ASW) in Berlin. Während Großunternehmen über ausgeklügelte Sicherheitskonzepte verfügen, fehlen bei den Kleinen zuweilen die einfachsten Maßnahmen, um das Unternehmen vor Kriminalität zu schützen. „Es würde oft schon helfen, die Mitarbeiter für das Thema zu sensibilisieren“, betont Stoppelkamp. Meist fehlen selbst einfache Anweisungen an die Angestellten, wie ungewollter Know-how-Abfluss, Diebstahl oder Betrug im Betrieb verhindert werden können.
Die Schäden für die deutschen Unternehmen durch Wirtschaftskriminalität – allein für den Bereich Know-how-Gefährdung – sind enorm. Eine Studie des Sicherheitsforums Baden-Württemberg und der Universität Lüneburg aus dem vergangenen Jahr überraschte selbst die Fachleute: Unter 400 befragten Technologie-Unternehmen aus dem Ländle waren schon zwei Drittel Opfer eines „unfreundlichen Informationsabflusses“ geworden. Auf die Republik hochgerechnet, sei dies ein Gefährdungspotenzial von 50 Mrd. Euro. Besonders im Visier von Wirtschaftskriminellen sind Unternehmen mit Auslandsgeschäften. Überproportional vertreten sind zudem kleine, innovative Betriebe mit einem großen Wettbewerbsvorteil.
Werden Unternehmen nach Risiken befragt, nennen sie am häufigsten
  • Diebstahl und Unterschlagung
  • Veruntreuung und Vertrauensbruch
  • Computer-und Internetkriminalität
  • Wettbewerbsdelikte
  • Produkt und Markenpiraterie
  • Korruption und Bestechung.
Für Fachleute wie Stoppelkamp ist dabei erstaunlich, dass die Firmen kaum etwas dagegen tun. Sie geben laut der baden-württembergischen Studie nur 0,1 % des Umsatzes für Sicherheitsmaßnahmen aus. Nur bei nur jedem zweiten Schadensfall ergreifen sie Maßnahmen, um der Ursache nachzugehen. Nur in 8 % der festgestellten Fälle schalteten die Unternehmer Sicherheitsbehörden oder externe Sicherheitsberater ein.
Fest im Bewusstsein der Unternehmer verankert sind die Gefahren durch eigene, unehrliche Mitarbeiter sowie durch die Computerkriminalität. „Das steht bei allen oben auf der Agenda“, weiß ASW-Geschäftsführer Stoppelkamp. Bei der IT-Sicherheit drohen den Unternehmen unterschiedliche Gefahren: Vom Hobby-Hacker über den Wettbewerber bis zu ausländischen Geheimdiensten.
Laut der vor wenigen Tagen veröffentlichten Sicherheits-Enquête der Fachzeitschrift WIK, des Organs des Dachverbandes ASW, nimmt die Gefährdung durch Wirtschaftskriminalität insgesamt weiter zu. Fachleute sehen die Gründe dafür in der Globalisierung, dem weltweiten Austausch von Waren und Informationen. Dies erhöht die Gefahr für High-Tech-Unternehmen, ins Visier von Konkurrenten oder Schlapphüten zu geraten.
Der Verlust von Know-how beschränkt sich wohlgemerkt nicht auf technische Daten: Angebotsdetails und Preisinformationen sind bares Geld wert. Im Anlagenbau und bei den Multis geht es teils zu wie in James-Bond-Filmen, wenn man den Angeboten von Sicherheitsdienstleistern glauben schenkt. Sie empfehlen abhörsichere Besprechungsräume, begeben sich in der Chefetage auf Wanzenjagd und durchleuchten Mitarbeiter.
Schwer tun sich Chefs, wenn sie zudem der Alltagskriminalität in der Firma auf die Schlichte kommen wollen: Diebstahl im Lager, Unterschlagung, Spesenbetrug, Korruption. Es ist ein emotionales Problem: Welchem vertrauensvoll erscheinenden Mitarbeiter im Betrieb mag man schon einen Diebstahl zutrauen?
Die Motive der Mitarbeiter sind vielfältig. „Die Risiken, den Arbeitsplatz zu verlieren, sind gestiegen, die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber ist deshalb nicht mehr so groß wie früher“, nennt ASW-Geschäftsführer Stoppelkamp einen möglichen Grund.
So stehen die Unternehmenschefs vor dem Dilemma, vorbeugend alle Mitarbeiter einbeziehen zu müssen, wenn sie systematisch gegen Kriminalität im Unternehmen vorgehen wollen. Genau dazu rät Unternehmensberater Roger Odenthal. „Ein verantwortungsbewusstes Management entzieht sich diesen Ungerechtigkeiten nicht durch Untätigkeit, sondern versucht, diese zu mildern“, sagt der Autor des Buches ‚Kriminalität am Arbeitsplatz‘.
Mitarbeiter hätten sogar Verständnis dafür: „Zuverlässige Mitarbeiter erwarten Kontrollen und deren Ergebnisse als Belohnung für regelkonformes Verhalten.“ In Unternehmen mit hohem Warenumschlag gehörten Kontrollen schon lange zum betrieblichen Alltag und zahlten sich auf Heller und Pfennig aus.
Berater Odenthal erinnert an prominente Beispiele: Es sei schließlich vor zehn Jahren dem Banker Nick Leeson gelungen, durch verschleierte Spekulationsverluste in Höhe von 1,4 Mrd. US-$ seinen Arbeitgeber in den Ruin zu treiben. Zur gleichen Zeit gelang es einer Teilzeitkraft im Hewlett- Packard-Werk Böblingen, ohne großen Aufwand innerhalb eines halben Jahres 24 700 Speicherplatten im Wert von 50 Mio. Euro zu entwenden.
Instrumente, um Kriminalität einzudämmen gibt es zur Genüge: umfassende Risikomanagement-Systeme, DV-gestützte, statistische Verfahren und Kennzahlenvergleiche, um Unregelmäßigkeiten aufzudecken, sowie regelmäßige Stichproben.
Hat ein Unternehmer Verdacht geschöpft, muss er meist Profis zur Hilfe rufen. Manfred Lotze, Geschäftsführer des Detektiv-Instituts Kocks GmbH aus Düsseldorf, berichtet davon, dass gut 90 % der erfolgreichen Ermittlungen den Anfangsverdacht bestätigen.
Laut Lotze, dessen Institut sich auf Ermittlungen „rund um den Tatort Arbeitsplatz“ spezialisiert hat, rechnen sich die Kosten. Beispiel Trennungskriminalität: Gelingt es nachzuweisen, dass ein ehemaliger Mitarbeiter gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot verstößt, spart das dem Unternehmer richtig viel Geld: zum einen den verhinderten Schaden, zum anderen die hohe Entschädigung, die er dem Ex-Mitarbeiter für die Karenzzeit sonst hätte zahlen müssen. „Außerdem sind Detektivkosten erstattungsfähig“, betont der Ermittler. Das heißt: Wer beim Krankfeiern erwischt wird, darf den Detektiv, der ihn überführt hat, selbst bezahlen.
Dabei sind erste Schritte gar nicht schwer, um Kriminalität vorzubeugen. „Mit einem einfachen Verhaltenskodex von fünf Punkten ist schon viel erreicht“, rät Verbandsgeschäftsführer Stoppelkamp. Darin kann festgehalten sein, wie sich Mitarbeiter in puncto Sicherheit zu verhalten haben, welche Geschenke sie annehmen dürfen, wie sie mit Daten umzugehen haben und welche Informationen schützenswert sind. Es geht laut Stoppelkamp darum, bei allen das Bewusstsein für Gefahren zu schärfen. Und: „Allen muss klar sein, dass sie ihren Arbeitsplatz gefährden, wenn sie sich nicht an die Regeln halten.“
Literaturtipp: Seite 49
Gefährdung der Unternehmen wächst ständig
Kosten für den Detektiv rechnen sich

So wird Ihre Firma sicherer
  • Mitarbeiter für Gefahren von Betriebsspionage durch Konkurrenz oder Dienste sensibilisieren
  • Keine offene Präsentation sensibler Daten bei Messen, Seminaren, Schulungen oder in der Freizeit
  • IT-Sicherheitssysteme gegen Hacker
  • Verantwortlichkeiten festlegen, wenn es um geheime Firmeninformationen geht
  • Permanente Mitarbeiterschulung, um den Sicherheitsgedanken im Betrieb zu vertiefen
  • Gesundes Betriebsklima schaffen, um Gefahren durch so genannte Innentäter zu minimieren
  • Mitarbeiter sensibilisieren für die Gefahren bei der Anbahnung neuer Geschäftskontakte
  • Arbeitsrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen das Schutzkonzept ankündigen und umsetzen
  • Sicherheitsinformationen bei kompetenten Partnern einholen. Links zu regionalen Sicherheitsverbänden: www.asw-online.de
Quelle: ASW
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