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Bunte Bauteile kommen ohne Kratzer aus der Presse

Dortmunder Forschungszentrum ist eine Investition in die Zukunft
Bunte Bauteile kommen ohne Kratzer aus der Presse

Die Oberfläche von Blechen soll künftig bereits der Stahlhersteller veredeln. Das erspart dem Verarbeiter teure und aufwendige Prozesse. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, hat Thyssen Krupp das Dortmunder Oberflächen Centrum gegründet.

Klaus Vollrath ist freier Journalist in Herne

Die Arbeitsteilung zwischen Hersteller und Verarbeiter von Stahlblechen verschiebt sich zunehmend in Richtung „finish first, fabricate later“. Davon ist zumindest Dr.-Ing. Karl-Ulrich Köhler überzeugt. Das Vorstandsmitglied der Thyssen Krupp Stahl AG (TKS), Duisburg, geht davon aus, „dass Stahlhersteller zukünftig vermehrt Bleche mit fertigen Lackierungen versehen werden“. Der Endverarbeiter könne sie dann ohne weitere Oberflächenbehandlung zum endgültigen Bauteil verarbeiten. Der vom Stahlhersteller aufgebrachte Lack muss deshalb so beschaffen sein, dass er alle Bearbeitungsschritte wie Schneiden, Umformen oder Fügen ohne Schaden übersteht. Für den Verarbeiter hat das zahlreiche Vorteile. So kann er auf die aufwendige und teure Lackierstufe ganz verzichten.
Mit schlichtem Korrosionsschutz habe dies kaum noch zu tun, erläutert Köhler. Oberflächen sollen nicht nur dekorativ wirken, sondern sich auch durch Eigenschaften wie Kratzfestigkeit und Verschleißbeständigkeit auszeichnen. „Bei kaltgewalzten Stählen machen oberflächenveredelte Feinbleche schon jetzt einen Lieferanteil von 75 Prozent aus“, weiß der Manager. Die Kunden, etwa aus der Automobil-, Bau- oder Hausgeräteindustrie, stellen dabei immer höhere Anforderungen an Qualität und Eigenschaften der Beschichtung.
Als Investition in die Zukunft hat TKS deshalb mit der Dortmunder Oberflächen Centrum GmbH (DOC) ein in Europa nach eigenen Angaben bisher einzigartiges Kompetenzzentrum auf dem Gebiet der Oberflächentechnik für Stahl konzipiert. Zusammen mit Partner SMS-Demag AG, Düsseldorf, der mit 25 % am DOC beteiligt ist, wurden insgesamt rund 40 Mio. DM in neue Gebäude und Anlagen auf dem Gelände der Dortmunder Westfalenhütte investiert.
Die Einrichtungen umfassen neben einem vorhandenen Bürogebäude ein zweigeschossiges Technikum mit zahlreichen Labors sowie zwei Versuchshallen. Rund 80 Mitarbeiter sollen Verfahren zur Reinigung, Gasphasen- und Plasmabeschichtung sowie zur Strahlenhärtung organischer Beschichtungen von Stahlband untersuchen. Hierfür wurde eine moderne Bandbehandlungsanlage errichtet, in der diese Verfahren aufgrund der hohen Durchlaufgeschwindigkeit von bis zu 60 m/min unter Bedingungen erprobt werden, die denen der industriellen Fertigung recht nahe kommen. Die Abscheidung von Schichten aus der Gasphase im Hochvakuum bietet nach Aussage von Köhler völlig neue Freiheitsgrade bei der Auswahl der Beschichtungsstoffe und -systeme. In Kombination mit den üblichen Bandveredelungen sollen sich damit beispielsweise Korrosionsschutzschichten mit gezielter Konzentrationsverteilung erzeugen lassen. Durch diese Technik seien deutlich dünnere Schichten möglich, die gleichzeitig einen besseren Korrosionsschutz aufweisen und sich besser verarbeiten lassen.
„Durch gezielten Einsatz der Plasmatechnologie wird es möglich, Schichten und Bandoberflächen regelrecht zu designen“, eröffnet TKS-Manager Köhler. Damit könne man beispielsweise bisher nicht darstellbare Zwischenschichten herstellen, die einen besonders guten Verbund mit nachfolgenden Lacken ermöglichten. Weiterhin werde man gezielt Oberflächenstrukturen im Nanobereich einstellen, um besondere Eigenschaften wie beispielsweise einen „Easy-to-clean“-Effekt zu bewirken.
Die über 76 m lange, modular aufgebaute Anlage für die Oberflächenbehandlung von Stahlband, die allein rund 15 Mio. DM gekostet hat, ist denn auch das Kern- und Paradestück des Forschungszentrums. Sie wurde mit einer ganzen Palette modernster Einrichtungen zur Reinigung und Oberflächenveredelung ausgestattet. Allein die umfangreiche Vorreinigung umfasst vier Stufen. Dazu gehören Hochdruck- und Ultraschallreinigung sowie eine abschließende Plasma-Feinreinigung unter Hochvakuum.
Darüber hinaus verfügt das DOC über große, gut ausgestattete Labors. Den Dortmunder Forschern steht neben einem kompletten Email-Labor auch eine Feuerbeschichtungsanlage oder eine vollautomatische Zehn-Zonen-Anlage zur Verfügung, um Spritz-Tauch-Phosphatierungen aufzubringen. Eine Anlage für die praxisnahe Simulation von Reinigungsbehandlungen durch Bürsten und Spritzen ist ebenso vorhanden wie ein Korrosionslabor mit Salzsprüh- und Klimawechselkammern. Zu den Paradestücken gehört eine Raster-Kelvin-Sonde, mit deren Hilfe sich Korrosionsmechanismen untersuchen lassen.
Als weiteres Novum in der deutschen Forschungslandschaft mieteten sich in den Räumen des Oberflächen Centrum auch das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) aus Dresden und das Institut für Schicht- und Oberflächentechnik (IST), Braunschweig, ein. Die beiden Institute haben am neuen Standort ihrerseits rund 5 Mio. DM in eigene Forschungseinrichtungen investiert und wollen hier bis zu 20 Mitarbeiter beschäftigen. Mit dieser Beteiligung verfolgt die Fraunhofer-Gesellschaft ein neuartiges Konzept, indem man erstmals mit eigener Ausrüstung innerhalb eines Unternehmens tätig wird. Damit wollen die Fraunhofer-Forscher einen kontinuierlichen, schnellen Zugang zu industriellen Problemstellungen erreichen. Ihre Ergebnisse wollen die Institute nicht nur dem Thyssen-Krupp-Konzern und dessen Kunden, sondern auch anderen Unternehmen anbieten.
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