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Coburg checkt US-Anlagen, während Amerika schläft

Kaeser Kompressoren: Weltweiter Teleservice erhöht die Verfügbarkeit
Coburg checkt US-Anlagen, während Amerika schläft

Andreas Dreilich ist einer von mehreren Technikern in der Kaeser-Teleservice-Zentrale in Coburg. Er empfängt Störsignale von Druckluftstationen aus der ganzen Welt und reagiert umgehend darauf. Diesem Wartungssystem gehört die Zukunft, sagen die fränkischen Kompressorenbauer.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß olaf.stauss@konradin.de

Das Telefon läutet. „Vor zehn Minuten hat Ihre Kompressorenstation gemeldet, dass der Druck im Netz abfällt. Schauen Sie doch mal nach, ob irgendwo ein Schlauch gerissen ist.“ Der Betreiber ist verblüfft. Hat die Druckluftanlage lange reibungslos funktioniert, rechnet er nicht mit einem solchen Anruf, und erst recht nicht so kurz nach einer Störung. Vielleicht denkt er gar nicht mehr an den Teleservice-Wartungsvertrag, den er mit der Kaeser Kompressoren GmbH in Coburg abgeschlossen hat. Was ist passiert in den zehn Minuten zwischen dem Auftreten der Störung und dem Telefonanruf des Kaeser-Mannes?
Die in der Druckluftstation installierte Verbundsteuerung „Sigma Air Manager“ registriert, dass der Netzdruck einen vordefinierten Schwellenwert unterschreitet. Darauf schickt sie eine SMS an die Coburger Teleservice-Zentrale mit der Störmeldung „Druck tief“. Der Zentralrechner in Coburg „routet“ die Message an die zuständige Kaeser-Niederlassung durch. Dort geht auf dem Bildschirm des Monteur-Disponenten ein Pop-up auf. Beim nächsten Blick auf den Bildschirm sieht er den Alarm. Jetzt loggt er sich via Internet-Browser in die Station des Betreibers ein und prüft den Betriebszustand. Dabei stellt er fest: Die Kompressoren laufen normal, aber der Druck sinkt trotzdem weiter. Also muss der Fehler in der Druckluftverteilung liegen. Es wird Zeit, nachzufragen, und er greift zum Telefonhörer …
Eine solche Störmeldung gehört zum Teleservice-Alltag. Dennoch ist das Problemnicht leicht zu lösen. Denn der Fehler tritt nicht in der Station auf, sondern irgendwo im Druckluftnetz. Wäre er in der Station zu suchen, könnte der Service-Mann auf eine Fülle von Daten zugreifen wie Druck-, Temperatur-, Leistungskurven oder Schaltsequenzen und könnte daraus auf die Ursache schließen. Aber wenn ein Schlauch im Druckluftnetz gerissen ist, hilft ihm das nicht weiter. Dann muss jemand nachsehen. Ganz heikel wird es, wenn die Störung nachts auftritt: Nun rührt sich das Handy des Kaeser-Technikers, der gerade Notdienst hat. Auch er wählt sich – von zu Hause aus – via Browser in die Station ein und macht sich ein Bild von der Lage. Ist der Betriebszustand in Ordnung und im Werk niemand zu erreichen, schaut er nach, wie schnell gemäß Wartungsvertrag reagiert werden muss. Reicht es bis morgen oder nicht? Gegebenfalls steigt er ins Auto, um den Fall vor Ort zu lösen.
Mehr als 100 Stationen überwachen die Coburger bislang auf diese Weise, darunter eine hohe Anzahl von Contracting-Stationen, die sie als Eigentümer selbst betreiben. Stolz sind sie, dass nach oben keine Grenzen gesetzt sind: Die technische Basis für das Teleservice-System bildet die Steuerung Sigma Control, die Kaeser seit 1998 als „PC im Kompressor“ in alle Maschinen mit Leistungen zwischen 2,2 und 450 kW einbaut.
Über 100 000 Kompressoren im Markt seien inzwischen damit ausgerüstet. „Und es werden täglich mehr“, sagt Helmut Zähler, Manager Service Support. „Um einen Kompressor oder eine Station in den Teleservice einzubinden, müssen wir nur ein Modem anschließen. Alles andere haben wir schon – die komplette Infrastruktur.“
Zähler will so viele Stationen und Einzelmaschinen wie möglich ans Netz bekommen. Sinn und Zweck sei es, die Druckluftversorgung für die Anwender verfügbarer und kostengünstiger zu machen, und zwar durch zielgenaue Wartungen in größeren Zeitabständen als bisher. Deswegen sollen sich die Stationen auch selbst melden, wenn Wartungen anstehen oder Störungen auftreten. „Das Teleservicekonzept wird unseren Handelspartnern ebenfalls zur Verfügung stehen“, fügt Zähler hinzu. „Daran arbeiten wir gerade.“
Mit jeder neuen Teleservice-Station steigt der Datenverkehr. Das ist den Fachleuten klar. Ihr System funktioniert daher weitgehend automatisch. Pressesprecher Michael Bahr nennt die Devise, nach der es aufgebaut ist: „Alles was sich standardisieren lässt, machen wir zentral von Coburg aus.“ Augenfälliges Beispiel dafür ist das neue Distributionszentrum, das Bahr von seinem Fenster aus sieht. Der quaderförmige Bau mit „Kaeser“-Aufschrift erinnert an den Dagobert-Duck’schen Geldspeicher und ermöglicht den Nachschub für rund 50 000 Material- und Ersatzteilenummern. Schaltet ein Disponent einer deutschen Kaeser-Niederlassung einen Service-Auftrag „scharf“, werden die Teile von hier aus just in time auf den Weg geschickt.
Die Zentrale legt auch die Wartungsintervalle fest – für weltweit alle Anlagen. Erlauben die Messwerte ein Verlängern der Service-Intervalle, speist ein Mitarbeiter des 70 Mann starken Service-Support in Coburg die neuen Werte ins SAP-System ein. Etwa dann, wenn die Betriebstemperatur-Kurve nur sehr flach ansteigt. Die Support-Techniker schließen daraus, dass die Filter langsamer verschmutzen als erwartet. Von der Anpassung der Service-Vorgaben bemerkt der Monteur-Disponent in der Niederlassung nichts. So oder so fordert ihn das System rechtzeitig auf, einen neuen Wartungstermin zu vereinbaren.
Selbst der Monteur vor Ort verlässt sich auf die Zentrale: Vor jeder Wartung lädt er einen Arbeitsplan vom Server herunter, der ihm sämtliche Aufgaben an der Station detailliert auflistet. Dazu haben alle 300 Kaeser-Servicetechniker in der Welt einen schwarzen Koffer mit den nötigen Utensilien erhalten („feingetunt“ für ihren Standort, wie es in Coburg heißt): Notebook, Browser mit voreingestellten Zugangsdaten und Mini-Drucker, der auf Laufschienen platziert ist, damit er ins kompakte Case zurückgeschoben werden kann. Mit diesem Set kann sich der Monteur in jede Druckluftstation einwählen, die er betreut. Auch ein Handy gehört zur Ausrüstung. Besonders wichtig ist aber die Telefonnummer mit Coburger Vorwahl, wenn’s vor Ort brenzlig wird und guter Rat teuer ist. Sie führt direkt zum Service-Support.
Dort sitzt Andreas Dreilich mit Headset, einer der Hotliner. Hoch konzentriert. Mit großen Augen blickt er über den PC weg in die Ferne – wo sein Ansprechpartner über das technische Problem spricht, das er für ihn lösen soll. „Damit ist der Analogeingang 3 der Sigma Control gemeint“, erklärt Dreilich seinem Gegenüber. Der Monteur-Disponent aus der westdeutschen Niederlassung will wissen, was sich hinter „Drahtbruch A03“ verbirgt – eine von Hunderten von Meldungen, die die Steuerung Sigma Control auswerten kann. Dreilich weiß Rat: „Daran hängt ein Messfühler PT100, der die Verdichtungsendtemperatur misst. Vielleicht ist er defekt oder hat einen Wackelkontakt.“ Der Monteur sollte also in jedem Fall einen Austauschfühler und ein neues Anschlusskabel ins Auto legen. Ob der Tipp weiter hilft? „Zu 99 Prozent reicht das aus. Trotzdem kommt es natürlich vor, dass der Monteur nochmal anrufen muss.“
Schnelligkeit ist oberstes Gebot im Service Support. Andreas Dreilich (33) kennt sich bis ins Detail mit den Kaeser-Verdichtern und -Steuerungen aus. Seit 1992 im Unternehmen, bildete er sich nebenberuflich zum Elektrotechniker weiter und wechselte 1996 in den Service. Dreilich ist für Nordamerika zuständig. Technische Probleme, die bei US-Monteuren auftreten, landen alle auf seinem Bildschirm. „Morgens sichte ich zuerst sämtliche E-Mails. Da uns die Amerikaner wegen der Zeitverschiebung telefonisch nur schlecht erreichen, ist meine persönliche Vorgabe die, möglichst alle Anfragen noch am gleichen Tag zu beantworten, egal wie viele es sind.“
Auch wenn viele Betreiber noch zurückhaltend auf Angebote reagieren: Im Teleservice sehen die Coburger die Zukunft. „Es wird normal werden, sich mit dem Rechner in eine Maschine einzuloggen“, sagt Service-Leiter Helmut Zähler. Er vergleicht die Erfindung des Teleservice mit der des Telefons. „Am Anfang konnte man fast niemand anrufen. Trotzdem besitzt heute jeder mindestens einen Apparat.“ Und Michael Bahr ergänzt: „Wenn die Leute erst einmal merken, dass damit ein Zeit- und Kostenvorteil verbunden ist, kommt es zum Durchbruch.“
Andreas Dreilich indes kann nichts aus der Ruhe bringen. Schnelle Einsätze kennt er auch aus der Freizeit, in der er bei der Freiwilligen Feuerwehr mitmischt. Kritisch wird’s für ihn nur, wenn Alarme aus beiden Welten zusammenfallen. Das passierte prompt, als er zum ersten Mal das Kaeser-Notdienst-Handy zur Übung mitnahm. Normalerweise genügt den Anrufern eine kurze, telefonische Auskunft. Nicht diesmal. „Während unserer Übung mit schwerem Atemgerät klingelte es gleich dreimal“, erinnert sich Dreilich. „Ich rief den Händler sofort zurück. Montagabends um halb acht brauchte er unbedingt einen 37-kW-Schraubenkompressor, der bis zum Schichtbeginn am Morgen installiert sein musste.“ Und er bekam ihn. Mit den Logistik-Kollegen setzte Dreilich alle Hebel in Bewegung. Pünktlich um sechs Uhr morgens lief die Maschine im Münchener Werk des Kunden. Feuerwehreinsatz beendet.
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