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Daimler entsorgt den Flickenteppich

Einheitliches System für alle Engineering-Prozesse
Daimler entsorgt den Flickenteppich

PLM | Mit der größten IT-Umstellung seit Jahrzehnten hat Daimler im gesamten Konzern eine neue CAD-Software eingeführt. Damit legt der Autobauer auch die Grundlage für Industrie 4.0.

Markus Strehlitz Journalist in Mannheim

Die Situation der IT im Engineering-Bereich erinnert zur Zeit häufig noch an die der betriebswirtschaftlichen Software vor vielen Jahren. Früher gab es viele Einzellösungen für die unterschiedlichen Bereiche: Software für die Materialwirtschaft, das Finanz- und Rechnungswesen oder die Personalwirtschaft. Mittlerweile arbeiten die meisten Unternehmen mit einem umfassenden ERP-System (Enterprise Resource Planning), das alle notwendigen Funktionen abdeckt.
Im Engineering-Umfeld nutzen Firmen derzeit noch viele kleine Software-Tools. Eine Einheitlichkeit hält erst langsam Einzug. Die ist jedoch notwendig, um durchgängige Prozesse zu schaffen. Nur so können etwa Produktentwicklung und Fertigung frühzeitig zusammenarbeiten – auf der Basis einheitlicher Daten und Systeme.
NX ersetzt Catia
Den Software-Flickenteppich im Engineering-Bereich durch eine übergreifende Lösung zu ersetzen, war einer der Gründe, weshalb Daimler konzernweit das CAD-Programm NX von Siemens eingeführt hat. Im Projekt mit dem Namen PLM2015 ersetzte der Autobauer die seit vielen Jahren genutzte Konstruktions-Software Catia V5 von Dassault Systèmes durch das Siemens-System. Michael Gorriz bezeichnet das Projekt als die größte IT-Umstellung der vergangenen Jahrzehnte. Gorriz war bis vor kurzem CIO bei Daimler und als solcher für das Gelingen von PLM2015 federführend verantwortlich.
NX dient nun als einheitliches CAD-Werkzeug für alle Geschäftsbereiche. Insgesamt wurden 6200 Anwender in dem Programm geschult. Bei 2000 dieser Nutzer spricht Gorriz von so genannten Heavy Usern.
Wichtig bei der Entscheidung für NX war, dass sich das System mit der schon eingesetzten Produktdatenmanagement-Software (PDM) Smaragd vernetzen ließ. Bei der kommenden Version von Catia wäre Daimler dagegen gezwungen gewesen, auch das PDM-System des Herstellers Dassault Systèmes zu verwenden, wie Projektleiter Peyman Merat erklärt.
Damit sei die Grundlage für sämtliche Entwicklungs- und Produktplanungsprozesse im Unternehmen sichergestellt, so Gorriz. Smaragd sei gut integriert und robust genug, um Daimler auch in den kommenden Jahren zu begleiten.“
„Für uns bedeutet das Projekt mehr als nur eine Systemumstellung“, sagt Gorriz. „Wir nutzen die Gelegenheit, um alle Engineering-Prozesse auf den modernsten Stand der Automobilindustrie zu bringen.“ Alles werde nun durchgängig mit einem System konstruiert.
Das hat auch Konsequenzen für die Partner von Daimler. Alle relevanten Lieferanten nutzten entweder bereits NX oder haben aufgrund des Daimler-Projekts auf die Siemens-Software umgestellt. Laut dem Autobauer wurde dieser wichtige Punkt in der Zulieferkette durch „intensive Information und Kommunikation zu allen entsprechenden Lieferanten“ abgesichert.
Operation am offenen Herzen
„Zu Beginn hatten wir großen Respekt vor dem Projekt“, erinnert sich Helmut Schütt, CIO von Daimler Trucks, Buses & Vans. Die Produktion lief während der Software-Umstellung weiter. „Das war quasi eine Operation am lebenden Herzen“, so Schütt.
Eine Herausforderung war die Migration der Daten von Catia nach NX. In Spitzenzeiten arbeiteten daran mehr als 300 Mitarbeiter bei der Daimler-Außenstelle für Research und Development in Bangalore/Indien. Insgesamt wurden über 235 000 CAD-Objekte auf die neue Software umgestellt.
Ein wichtiger Faktor ist das 3D-Datenformat JT. Denn um über Abteilungs- und Firmengrenzen hinweg reibungslos arbeiten zu können, braucht es Standards. Bei Daimler setzen alle Prozesse, die der 3D-Konstruktion folgen, auf JT auf. Es sei daher ein großer Vorteil gewesen, dass JT von der neuen Software gut verarbeiten werden kann, meint Gorriz.
Wie weit die Möglichkeiten der 3D-Konstruktion schon gehen, zeigt sich bei einem sehr komplexen Bauteil wie einem Zylinderkopf. Rund 1200 Maße umfasst diese Motorkomponente. Etwa 145 Ansichten müssen für seine Konstruktion angefertigt werden.
Die Ingenieure von Daimler sind in der Lage, dieses Bauteil komplett mithilfe von 3D-Software zu zeichnen. Dank der neuen CAD-Software kann eine Zeichnung über Nacht erstellt werden. Bei manueller Arbeit sind dafür drei bis vier Wochen notwendig. Der Entwicklungsprozess wird also deutlich beschleunigt. „Ein Zylinderkopf ist quasi die Königsdisziplin für die 3D-Konstruktion“, meint Gorriz.
Ein System für alle Standorte
Der Einsatz einer konzernweit einheitlichen Software unterstützt aber nicht nur die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen, sondern auch über verschiedene Standorte hinweg. „Unser System muss so aufgestellt sein, dass weltweite Teams damit arbeiten können“, erklärt Gorriz.
Wie wichtig der zentrale Zugriff auf die Produktdaten für ein Unternehmen wie Daimler ist, macht Schütt deutlich: „Unsere Entwickler können aus einem weltweit verfügbaren digitalen Baukasten Komponenten entnehmen, um sie für ein neues Auto zusammenzusetzen.“
Nach Meinung von Gorriz hat Daimler mit einem zentralen PLM-System auch eine Grundlage für die smarte Fabrik gelegt. Eine Harmonisierung in diesem Bereich sei zwingende Voraussetzung für Industrie 4.0. •
Industrieanzeiger
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