Abwärme entsteht häufig in Produktionsprozessen, in denen fossile Brennstoffe eingesetzt und große Mengen an CO2 freigesetzt werden. Da für ihre Erzeugung aber keine zusätzlichen CO2-Emissionen verursacht werden, gilt sie als CO2-frei. Für Unternehmen mit hohen Abwärmelasten kann deren Nutzung also einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Unternehmensprozesse leisten.
Nach Einschätzungen des Instituts für Energie-und Umweltforschung Heidelberg (IFEU) liegt das Energieeinsparpotenzial durch die Nutzung industrieller Abwärme im Prozesstemperaturbereich von 60 °C auf 125 TWh (IFEU 2010). Nach einer weiteren Studie des Ifeu von 2021 (Analyse des wirtschaftlichen Potenzials für eine effiziente Wärme- und Kälteversorgung) liegt das derzeit noch brachliegende Potenzial an Abwärme bei 76 TWh. Das technische Nachfragepotenzial netzgebundener Abwärme wird auf 32,1 TWh geschätzt. Das IZES – Institut für ZukunftsEnergie-und Stoffstromsysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) kommt in einer Abwärme-Studie von 2018 zu dem Schluss, dass allein in den Abgasströmen der Industrie 63 TWh an Energie nutzbar wären. Der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) geht außerdem davon aus, dass circa 50 % der rund 530 TWh Primärenergie, die in der Industrie für die Wärmeerzeugung eingesetzt wird, als Abwärme verloren geht. Diese Menge entspricht bis zu 60 Mio. t CO2, die eingespart werden könnten (FVEE 2015).
Gerade die deutsche Stahl- und Eisenindustrie zählt zu den energieintensiven Branchen. Möglichst wenig Energie einzusetzen und diese eben etwa durch Abwärme mehrfach zu nutzen, ist ein vorrangiges Ziel. Mögliche Nutzungen lägen etwa in der Verstromung mittels Organic Rankine Cycle (ORC) oder mittels Dampfturbine. Für beide Prozesse müsste die Abwärme rund um die Uhr zur Verfügung stehen und die Abgastemperatur idealerweise über 200 °C betragen. Der Strom kann dann auch über Standortgrenzen hinweg genutzt werden. Denkbar ist aber auch eine Nutzung des Hochtemperaturrauchgases für die Brennervorwärmung. Thermische Voraussetzung hier wäre eine Temperaturdifferenz von 150 K unter der Ofenatmosphäre. Das könnte den Brennstoffeinsatz um bis zu 30 % reduzieren. Auch eine eigene Wasserstoffproduktion ist denkbar. Hier müsste eine minimale Dampfmenge von 860 kg/h mit einer Dampftemperatur von 150 bis 200 °C zur Verfügung stehen. Damit könnte eine H2-Nettoproduktionsrate von 750 Nm³/h erreicht werden, und das bei einem Stromeinsatz von 2,68 MW. Eine Herausforderung dabei: Bei verschiedenen Anlagenkonfiguration und der Nutzung der Abwärme könnte eine zusätzliche Reinigung der Abwärmeströme notwendig sein. Deswegen müssten die Abgasströme vorher entstaubt und gefiltert werden. Technisch ist dieses Problem jedoch bereits gelöst. Zum Einsatz kommen dabei Filter und Wärmetauscher aus hoch korrosionsfesten Materialien.
In der Stahl- und Eisenindustrie etwa bieten sich zwei Nutzungsszenarien an. Das wahrscheinlichere ist die Nutzung der entstehenden hochtemperaturigen Abwärme innerhalb der Standortgrenzen, etwa zur Unterstützung des Produktionsprozesses wie der geschilderten Brennervorwärmung, zur Erzeugung von Kälte oder aber zum Beheizen der Gebäude. Das unwahrscheinlichere ist die Einkopplung der Wärme in ein Fernwärmenetz und dadurch die Beheizung von Wohngebieten. Denn das müsste erst einmal anliegen. Eine Trasse extra dafür zu bauen ist meist nicht wirtschaftlich.
Steag New Energies entwickelt wegen dieser limitierenden Faktoren bei der Netznutzung gerade mit dem Startup Kraftblock eine weitere Möglichkeit: den mobilen Hochtemperaturspeicher, der Niveaus über 400 °C bewahren kann. Deswegen bietet er sich in der metallerzeugenden Industrie an. Selbst wenn die Einspeicherung mit einem Niveau von 1.000 °C erfolgt, kann die Ausspeisung auf deutlich niedrigerem Niveau, wie sie etwa mit 120 °C bei Wärmenetzen nötig ist, vonstattengehen. Die Speicher haben ein Format von 10 oder 20 Fuß. Letztere können zwischen 5 MWh (bei 500 °C) bis 12 MWh (bei 1 000 °C) Wärmeenergie speichern (brutto auf eine Temperaturspreize zwischen 25 °C und Speichertemperatur bezogen). Die Speicherleistung liegt bei mobilen Lösungen im einstelligen und bei stationären im zweistelligen MW-Bereich.
Abwärme aus Eisenwerk in Gröditz
Natürlich ist auch die Nutzung direkt in Wärmenetzen möglich. Ein ganz praktisches Beispiel der Steag New Energies findet sich in den zur GMH Gruppe gehörenden Schmiedewerken Gröditz in Sachsen. Seit 2004 liefert das metallverarbeitende Werk während der Sommermonate einen Großteil der Gröditzer Fernwärme. Welche Form der Abwärmenutzung sich im Einzelfall für ein Unternehmen anbietet, ergibt sich aus den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort. Betrachtet werden müssen etwa die Abwärmetemperatur, die konkreten Anforderungen der Nutzer und einige weitere Faktoren wie z. B. die Strombezugskosten. Dabei handelt es sich immer um komplexe Projekte, die sorgfältig analysiert und geplant zu einer effizienteren Energienutzung und Kostenreduktion beitragen können.
Bild: Steag