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Den Probentransport übernimmt der Roboter

Vollautomatische Prüfanlagen arbeiten rund um die Uhr
Den Probentransport übernimmt der Roboter

Mobile oder stationäre Härteprüfgeräte ermitteln entscheidende Festigkeitswerte von Werkstoffen. Die gewonnenen Daten sind ein zentraler Baustein im Qualitätskonzept der Fertigungsindustrie.

Andreas Beuthner ist Fachjournalist in Buchendorf

Mit neuen Bauformen und erweiterten Prüfverfahren reagieren die Hersteller von Prüfmaschinen auf die wachsenden Anforderungen der Anwender. Die neueste Maschinengeneration lässt sich für die produktionsbegleitende Prüfung, aber auch für die Einzelprüfung von Bauteilen bei großen Stückzahlen einsetzen. Mehr Flexibilität, exakte Kennzahlen und mehr Informationen über die Materialeigenschaften sind die Vorteile der modernen Prüftechnik.
Während die Prüfgeräte im Low-Cost-Segment auf ein genormtes Prüfverfahren zugeschnitten sind, beherrschen Kombinationsmaschinen Messungen gemäß Rockwell, Brinell oder Vickers. Alle drei Messverfahren beruhen auf klassischen Härteskalen und beschreiben die Härte von Metall, Kunststoff oder anderen Werkstoffen.
Gemessen wird mit Hilfe eines Prüfkörpers, sprich einer Stahlkugel, einer Diamantpyramide oder eines Kegels. Nach Rockwell beispielsweise wird der Eindringkörper in zwei Schritten auf die Probe aufgedrückt. Zunächst mit einer Prüfvorkraft, danach mit der Prüfgesamtkraft. Nach einer bestimmten Eindrückdauer des Eindringkörpers auf die Probe wird die Gesamtprüfkraft auf die Prüfvorkraft reduziert. Der Härtewert ergibt sich aus der Differenz der Eindringtiefe zwischen dem ersten und dem zweiten Schritt. Die Crux liegt darin, dass je nach Verfahren unterschiedliche Ergebnisse vorliegen. „Die Härte lässt sich nicht direkt messen, sie hängt von der Prüfkraft, dem Prüfkörper und der geometrischen Form des Härteeindrucks ab“, sagt Robert Kaifler, Automatisierungsexperte beim Ulmer Maschinenhersteller Zwick Roell AG. „Daher lassen sich die ermittelten Härtewerte nicht unmittelbar miteinander vergleichen.“ Das aber ist kein Hindernis. So messen Zwick-Härteprüfer in der Automobilindustrie während der Serienproduktion die statische und dynamische Steifigkeit sowie den Verlustwinkel und Verlustfaktor von Gummi-Metall-Lagern.
Jede Prüfmaschine besteht aus dem Härteprüfmodul und einer Steuereinheit. Eine hohe Genauigkeit bei großer Messgeschwindigkeit lässt sich dadurch erreichen, dass die Prüflast während der Lastaufbringung ständig gemessen und geregelt wird. Messzyklen pro Prüfling von weniger als 30 s sind heute keine Ausnahme mehr. Allerdings ergeben sich bei automatischen Prüfgängen Beschränkungen hinsichtlich der verwendeten Verfahren. So benötigt das optische Ausmessen der Härteeindrücke in einer schnellen, automatischen Prüfung (Brinell, Vickers) ein modifiziertes Verfahren im Vergleich zu der Tiefenmessung nach Rockwell-Konvention. „Integrierte Härteprüfungen sind immer ein Kompromiss gegenüber Einzweckmaschinen“, betont Bert Raupach, Vertriebsingenieur bei Instron Deutschland GmbH in Darmstadt.
Ein Beispiel für ein Universal-Härteprüfgerät zur Messung nach Rockwell, Brinell und Vickers ist der Dia-Testor der Osnabrücker IMP Ingenieurgesellschaft mbH. Das Gerät mit einer Prüfkraft bis zu 250 kp enthält eine Präzisions-Optik von Zeiss mit auswechselbaren Objektiven. Das Wechseln der Eindringkörper für die Änderung des Messverfahrens (Kugel, Kegel, Pyramide) und der Prüfkraft ist allerdings nur über ein manuelles Hebelsystem möglich.
Vollautomatische Prüfsysteme gehören zu den Schwerpunkten im Produktportfolio von Zwick. Um die Härteprüfung an metallischen Werkstoffen zu beschleunigen, haben die Ulmer ein Gerätesystem für die Stahlindustrie entwickelt. Die Basis sind zwei Härteprüfer für die Prüfung nach Rockwell oder Vickers. Gemessen werden Streifenproben bis zu einer Dicke von 8 mm. Den Probentransport übernimmt ein Roboter, der die Blechstreifen in den automatisch schließenden Probehalter befördert. Das Probenmagazin hat eine Kapazität von 100 Rockwell- und 160 Vickers-Proben. Welches Messverfahren angewendet wird, erkennt ein Barcode-Leser, der anhand der Labels auf dem Prüfling das geforderte Messverfahren festlegt. Zusätzlich messen zwei Taster die Probendicke.
Die Steuerung und Datenverarbeitung übernimmt ein PC-basiertes Software-System. Dies sorgt auch dafür, dass die Prüfkraft stoßfrei und mit definierter Aufbring- und Einwirkzeit arbeitet. Das Belastungsgewicht wird in der zentralen Bedienoberfläche gewählt, Be- und Entlastung sowie Auswertung erfolgen automatisch. Alle Messergebnisse lassen sich am Display darstellen und über eine standardisierte Schnittstelle exportieren. Ebenso können Daten von externen Systemen importiert werden. Eine Besonderheit bei dem System ist die parallele Abarbeitung der Proben. Eine spezielle Verschiebeeinrichtung erlaubt zudem mehrere Prüfungen an einem Metallstreifen. Für einen kontinuierlichen Durchsatz sorgen zwei Zwischenmagazine, die beide Härteprüfer gleichmäßig auslasten und bei Bedarf rund um die Uhr beschicken.
Die Hersteller erwarten in den nächsten Jahren eine stärkere Nachfrage nach Anlagen für die instrumentierte Eindringprüfung, der so genannten Martenshärteprüfung. „Die direkte Vergleichbarkeit des
ermittelten Härtewerts für verschiedene Werkstoffe ist für die Qualitätssicherung von Vorteil“, sagt Erhard Reimann, Produktmanager bei Zwick. Die Behandlungszustände von Metallen und deren elastisch-plastische Deformationen lassen sich durch Kraft-Eindringtiefen-Kurven automatisch erfassen und quantifizieren.
Peter Beisel, Geschäftsführer der KB Prüftechnik GmbH in Hochdorf, sieht Entwicklungspotenzial bei erweiterten Verfahren. Mit dem so genannten instrumentierten Eindringversuch und einer besseren Ausleuchttechnik ergeben sich exaktere Prüfwerte: „Es wird der gesamte Eindringverlauf erfasst. Auf diese Weise lassen sich zusätzliche Materialerkenntnisse gewinnen“, erklärt Beisel. Neben den Skalenwerten fördert der Prüfvorgang noch weitere Parameter wie Festigkeit, Temperaturverhalten oder Oberflächenspannung zu Tage. Auch gibt es erste Ansätze zur automatischen Bildauswertung für das Vickers- und Brinell-Messverfahren.
Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig weist darauf hin, dass in den letzten Jahren mehrere Grundlagennormen entstanden sind, die die Messungen in der Industrie nachhaltig beeinflusst haben. So gibt es bereits eine internationale Richtlinie für die Bestimmung von Messunsicherheiten. Dadurch erhält der Anwender präzisere Härtewerte für Werkstoffe. In Deutschland kümmern sich mehr als 20 anerkannte Labors um die Kalibrierung von Härtevergleichsplatten, Eindringkörpern, Härteprüfmaschinen und Gummihärtemessgeräten.
Doch nicht nur die Abschätzung der Messunsicherheit ist für eine richtige Kalibrierung notwendig, auch die Wahl des Messverfahrens hat erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse. Deshalb erwarten Marktbeobachter, dass in Zukunft flexiblere Prüfgeräte mit mehr Intelligenz dem Einzweckgerät den Rang ablaufen. „Es werden immer mehr Funktionen in die Maschinen integriert, so dass der Anwender alle Prüfverfahren normgerecht abdecken kann“, beurteilt Beisel die Entwicklung der kommenden Jahre.
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