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Der Blick über den Tellerrand ist gefragt

Neue Berufsbilder in den Metall- und Elektroberufen
Der Blick über den Tellerrand ist gefragt

Die Ausbildung und damit die Anforderungen an die Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie haben sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Indem fachliche Inhalte der betrieblichen Realität angepasst wurden, entstanden neue Berufsbilder.

Monika Etspüler ist Journalistin in Sindelfingen

Vor drei Jahren wurde der Ausbildungsgang des Elektroanlagenmonteurs, des Mechatronikers sowie des Fertigungsmechanikers und des Konstruktionsmechanikers mit Fachrichtung Schweißtechnik eingeführt. Durchgesetzt haben sich bis heute in der betrieblichen Praxis der Mechatroniker und der Fertigungsmechaniker.
Bei der Stuttgarter Firma Behr, die sich auf Klima- und Lüftungstechnik im Fahrzeugbereich spezialisiert hat, untersucht man zur Zeit, inwieweit angehende Fertigungsmechaniker in das Unternehmensprofil passen könnten. Fünf Azubis werden bereits seit 1999 zu Mechatronikern ausgebildet. Schon ein Jahr früher führte der Ditzinger Maschinenbauer Trumpf diesen neuen Ausbildungweg ein, der vor allem auf den Bereich Service, Instandhaltung und Montage zugeschnitten ist.
Doch in der Metall- und Elektroindustrie sind es nach wie vor die Mechaniker, die händeringend gesucht werden. Der Mark ist wie leergefegt, und in näherer Zukunft besteht wenig Hoffnung auf Besserung. „Im Moment steigt zwar die Zahl der Auszubildenden, doch die Schülerzahlen sinken. Das heißt, wir werden den Fachkräftemangel bis zum Jahr 2005 noch deutlicher zu spüren bekommen”, prophezeit Andreas Schneider, der Ausbildungsleiter in dem Ditzinger Unternehmen.
Mit neuen Berufsbildern allein ist es also nicht getan. Auch klassische Ausbildungsberufe mussten inhaltlich entrümpelt und einem Face-Lifting unterzogen werden. Vorbei sind die Zeiten, in denen Lehrwerkstätten ein Hort abgehobenen Modellierens und Konstruierens waren. Der Blick über den Tellerrand ist gefragt.
Dabei erhält die Gruppenarbeit eine immer größere Bedeutung. Schon während ihrer Ausbildungszeit müssen sich die jungen Leute darüber verständigen, wer was zu tun hat, und sich die entsprechenden Informationen aus den verschiedenen Medien beschaffen. „Die Auszubildenden arbeiten eigenständig, während der Ausbilder mehr und mehr die Funktion eines Trainers übernimmt”, so Rainer Müller, der bei der IHK als technischer Ausbildungsberater tätig ist. Verschoben haben sich auch die Ausbildungskriterien. Stand noch vor wenigen Jahren die fachliche Kompetenz unumstritten auf Platz eins, spielen mittlerweile Schlüsselqualifikationen wie Verantwortungsbewusstsein, Pünktlichkeit, Kommunikations- und Teamfähigkeit eine immer größere Rolle. Zu den zentralen Themen bei Trumpf zählt deshalb seit 1992 die Frage der Eigenverantwortlichkeit. „Methodische, soziale und persönliche Merkmale haben bei uns den gleichen Stellenwert wie die fachliche Qualifikation”, so Andreas Schneider.
Die Forderung nach sozialer Kompetenz sowie inhaltlichem Know-how haben die Lehrjahre nicht einfacher gemacht. „Die Betriebe verlangen immer mehr Vorkenntnisse, die Themen gehen immer mehr in die Tiefe. Andererseits müssen durch die Verkürzung der Wochenarbeitszeit die Lerninhalte in kürzerer Zeit bewältigt werden”, beobachtet Rainer Müller. „Mit der 35-Stunden-Woche hat man den jungen Leuten keinen Gefallen getan”, fügt er hinzu.
Die Folgen sind nicht zu übersehen. Zwangsläufig nimmt die Zahl der Hauptschüler zugunsten der Realschüler ab. Zwar gilt nach wie vor, dass jeder jeden Lehrberuf erlernen kann, „doch die Mess- latte legen die Betriebe an”, so Müller. „Die Note zwei in den Technikfächern ist ein absolutes Muss”, stimmt Andreas Schneider dem zu. Von den neuen Ausbildungsberufen ist der Mechatroniker ganz klar mit einem Realschulabschluss verknüpft und für den Fertigungsmechaniker beziehungsweise den Elektroanlagenmonteur zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab.
Damit auch weniger gute Schüler eine Chance haben, bildet die Firma Behr Jugendliche im Rahmen einer zweijährigen Ausbildung zu Teilezurichtern aus. „Vor allem die theoretischen Inhalte bereiten den jungen Leuten jedoch Schwierigkeiten”, hat Ausbildungsleiter Edgar Bienert festgestellt. Um die Azubis besser auf die Facharbeiterprüfung vorbereiten zu können, hat das Unternehmen deshalb im vergangenen Jahr firmenintern einen Stützunterricht eingerichtet.
„Früher hatte die Produktion in den Lehrwerkstätten eher Spielzeugcharakter”, erinnert sich Edgar Bienert. Mittlerweile stecken hinter den Übungsstücken reale Betriebsaufträge. „Das heißt, unsere Lehrlinge müssen Qualität abliefern und das innerhalb gewisser zeitlicherToleranzen”. Die Azubis der Firma Behr sind deshalb schon in den ersten zwei Ausbildungsjahren angehalten, immer wieder den Kontakt zu Fach- und Entwicklungsabteilungen zu suchen. So wachsen sie allmählich in den betrieblichen Alltag hinein.
Bei Trumpf geht man noch einen Schritt weiter. Das Unternehmen schränkte den Zeitraum, den die Auszubildenden in der Lehrwerkstatt verbringen, radikal ein. Nur noch 30 % ihrer Zeit, vor ein paar Jahren waren es noch 70 %, verbringen die Jugendlichen dort. Die restlichen 70 % der betrieblichen Ausbildung finden in den einzelnen Fachbereichen statt. „Dadurch lernen die Jugendlichen ihre späteren Mitarbeiter kennen, sie benötigen nach der Lehre kaum noch Einarbeitungs-zeit, und der Praxisschock bleibt ihnen erspart”, zählt Andreas Schneider die Vorteile auf. Um die angehenden Facharbeiter aber tatsächlich auch auf den globalen Wettbewerb vorbereiten zu können, gehören Weiterbildungsmaßnahmen schon während der Ausbildungsphase zum Standard. In der Praxis sieht das so aus: die Azubis arbeiten statt der 35 h pro Woche 36,5 h. Die 70 h Mehrarbeit pro Jahr werden für Bildungsmaßnahmen eingesetzt.
Soziale Kompetenz ist so wichtig wie das fachliche Wissen
In dieser Zeit lernen die Jugendlichen Präsentationstechniken, sie erhalten Fremdsprachenunterricht und in Kursen, die mit einem sogenannten Internet-Führerschein abschließen, werden ihnen EDV-Kenntnisse vermittelt. „Das ist ein Geben und Nehmen. Wir übernehmen die Kosten für diese Maßnahmen, und unsere Lehrlinge bringen die nötige Zeit dafür mit”, so Andreas Schneider. Mittlerweile hat dieses Bildungsangebot so eingeschlagen, dass viele Azubis auch noch ihre Gleittage dafür verwenden.
Neue Ausbildungsberufe
– Mechatroniker:
Am beliebtesten ist die 3 ½-jährige Ausbildung zum Mechatroniker. Genau betrachtet, stellt der Beruf eine Art „Zwitter” zwischen Elektriker und Mechaniker dar. Der Mechatroniker darf am Stromnetz arbeiten, was dem Mechaniker ausbildungsbedingt untersagt ist. Der Vorteil besteht darin, dass eine Tätigkeit, für die früher zwei Leute nötig waren, ein Mitarbeiter erledigen kann.
Der Mechatroniker eignet sich deshalb auch besonders gut für den Einsatz im Servicebereich und als Anlagenführer. Verlangt wird von ihm, dass er Funktionszusammenhänge erfasst. Während der Ausbildung ist er ein Generalist, die Spezialisierung erfolgt im Anschluss daran.
– Fertigungsmechaniker:
Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Fertigungsmechaniker, dessen Einsatzgebiet die serielle Montage ist. Dabei handelt es sich um ein Tätigkeitsfeld, das gerade bei industriellen Großunternehmen sehr gefragt ist. Problem: die Arbeitnehmer melden immer wieder Bedenken an, was die Qualifikation betrifft. Hintergrund ist die kürzere Ausbildungszeit, die zur Vermutung Anlass gibt, es handle sich dabei um einen Beruf zweiter Klasse. Tatsächlich aber orientieren sich die Ausbildungsinhalte ganz eng an der späteren Tätigkeit. So erlernen die Azubis neben manueller Tätigkeit und Arbeitsorganisation auch die Grundlagen des Qualitätsmanagements.
– Elektroanlagenmonteur:
Ebenfalls drei Jahre dauert die Ausbildung zum Elektroanlagenmonteur mit der Spezifikation Schaltschrankbau. Bei dieser Ausbildung werden vor allem elektrotechnische Kenntnisse vermittelt. Ableiten lässt sich dieses Tätigkeitsprofil aus dem Energie-Elektriker und dem Industrie-Elektiker.
– Konstruktionsmechaniker:
Der Konstruktionsmechaniker beinhaltet traditionell verschiedene Fachrichtungen. In den ersten zwei Jahren durchlaufen alle Lehrlinge die gleiche Ausbildung. Neu seit 1997 ist die Fachrichtung Schweißtechnik.
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