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Markt: „Der Energiespeicher ist noch nicht das dominierende Produkt“

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„Der Energiespeicher ist heute noch nicht das dominierende Produkt“

„Der Energiespeicher ist heute noch nicht das dominierende Produkt“
„Deutschland reiht sich in die internationalen Forschungen der Energiespeicheraktivitäten ein: Wir stehen nicht besser und nicht schlechter als die Vereinigten Staaten von Amerika, Japan, England oder Frankreich da“, weiß Prof. André Thess, Direktor des DLR-Instituts für Technische Thermodynamik in Stuttgart. Bild: FrankEppler/DLR
Warum fossile Energiequellen noch zu billig sind, um erneuerbare Energien und Energiespeicher großflächig einzusetzen und wie sich Deutschland im internationalen Vergleich im Energierennen schlägt, erklärt Prof. André Thess, Direktor des Instituts für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart.

Nora Nuissl

Herr Prof. Thess, wo steht Deutschland in puncto Energiespeicherung aus Sicht der Forschung?

Deutschland ist eines der forschungsintensiven Länder der Welt und reiht sich damit in die internationalen Forschungen der Energiespeicheraktivitäten ein: Wir stehen nicht besser und nicht schlechter als die Vereinigten Staaten von Amerika, Japan, England oder Frankreich da. Eine besondere Stärke der Energiespeicherforschung in Deutschland sind die thermischen Energiespeicher, die sogenannten Wärmespeicher. Hier ist das DLR führend.

Wirft man einen Blick in die deutsche Industrielandschaft: Wie steht es hier um den Einsatz von Energiespeichern?

Der wichtigste Einsatz von Energiespeichern in heutigen Konsumgütern ist die Unterhaltungselektronik. In der Energiebranche ist der Energiespeicher heute noch nicht das dominierende Produkt. Das liegt daran, dass die Randbedingungen der Märkte noch nicht dazu geeignet sind, diese Speicher in großem Stil einzuführen. Wenn wir aber perspektivisch die Klimaziele erreichen wollen, dann wird an einer großskaligen Einführung von Speichern kein Weg vorbeiführen.

Nehmen wir den Maschinen- und Anlagenbau als Beispiel: Wie sind Energiespeicher hier vertreten?

Ich greife hier einmal die Technologie der Carnot-Batterie heraus: Die Carnot-Batterie besteht im Kern aus einem Hochtemperatur-Wärmespeicher, der zum Beispiel mit Flüssigsalz betrieben wird. Sie besteht weiterhin aus einer Wärmekraftmaschine, mit der Wärme in Strom umgewandelt und aus einem Elektroheizer oder einer künstlichen Hochtemperatur-Wärmepumpe, mit der elektrischer Strom in Wärme transformiert werden kann.
Wenn Sie diese Carnot-Batterie entwickeln und aufbauen wollen, dann brauchen Sie Partner aus der Industrie: Wir reden bei den Wärmekraftmaschinen mit Herstellern von Kraftwerkskomponenten, beispielsweise Siemens oder MAN. Außerdem reden wir mit Wärmepumpenherstellern, wenn es um die Transformation in Wärme geht und wir reden mit Unternehmen, die Kompetenzen im Bereich Flüssigsalze haben, wenn es um diese großen Flüssigsalzspeicher geht. Insofern gibt es eine große Palette an Industriekooperationen im Umfeld dieser Speichertechnologien wie Carnot-Batterien. Da sind wir in Deutschland mit unserer Industrie gut positioniert.

Wie sieht der aktuelle Stand der Technik bei der Carnot-Batterie aus?

In Deutschland würde ich drei Projekte als repräsentative Aktivitäten im Bereich der Carnot-Batterie benennen wollen. Am DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart bauen wir aktuell einen Prototyp für eine solche Carnot-Batterie in der Leistungsklasse von einigen kW und in der Speicherkapazität von einigen hundert kWh auf. Das ist das Projekt Chester.
Zudem gibt es ein Großprojekt der Firma Siemens Gamesa, das jüngst eingeweiht wurde. (*Anmerkung der Redaktion: Mehr Infos dazu, siehe Presseveröffentlichung zur Einweihung.) Dort arbeitet man an einem großskaligen Speicherkonzept, bei dem man elektrischen Strom in Wärme umwandelt, diese Wärme in Natursteinen speichert und dann die Wärme mit einem Dampfkraftprozess in Strom zurückverwandelt.
Weiterhin gibt es eine Aktivität vom DLR gemeinsam mit der Firma RWE. In diesem Projekt wollen wir die Carnot-Batterie in Form eines sogenannten Wärmespeicher-Kraftwerks analysieren. Das heißt, wir wollen keinen Speicher auf der grünen Wiese bauen, sondern wir wollen ein Kohlekraftwerk umbauen – vom Kohlebetrieb in einen erneuerbaren Energiebetrieb.

Sie haben die Randbedingungen in Deutschland als Hemmnis für den großflächigen Einsatz von Energiespeichern genannt. Welche weiteren Punkte hemmen den Massen-Einsatz von Energiespeichern in Deutschland?

Ich würde das nicht als Hemmnis bezeichnen. Wenn Sie mich vor 30 Jahren gefragt hätten: Warum gibt es noch keine Smartphones? Dann hätte ich Ihnen gesagt: Die Entwicklung ist halt noch nicht so weit. Und wenn Sie mich heute fragen: Warum gibt es noch keine großskaligen und kleinskaligen Carnot-Batterien? Dann antworte ich ebenfalls: Einerseits ist die technische Entwicklung noch nicht so weit, dass man diese Produkte als marktfähige Produkte anbietet. Andererseits sind die ökonomischen Randbedingungen noch so, dass sich diese Produkte noch nicht in großem Maßstab lohnen. Dazu sind fossile Energiequellen wie Gas, Öl und Kohle einfach zu billig.

Was müsste getan werden, um die Entwicklung voranzutreiben?

Wir müssten uns weltweit über eine Besteuerung von CO2 einigen und diese Besteuerung weltweit umsetzen. Ich betone weltweit, denn Deutschland ist nur eine von vielen Nationen. Wir müssten der CO2-Emission einen Preis geben: Dann werden die Technologien teurer, die viel CO2 emittieren und die Technologien, die kein oder wenig CO2 emittieren, werden relativ dazu preiswert. Wenn wir das weltweit umsetzen, dann wird eines Tages die erneuerbare Energie kombiniert mit Energiespeichern die dominierende Technologie sein.
Wie man das umsetzt, dazu gibt es in der politischen Diskussion völlig verschiedene Meinungen und eine breite Palette an Möglichkeiten.

Sie haben drei repräsentative deutsche Projekte für die Carnot-Batterie genannt. Wie sehen Sie die Projekte im internationalen Vergleich?

Es gibt in den USA die Firma Malta, das ist ein Ableger von Google X, die ebenfalls an einem Carnot-Batterie-Projekt arbeitet. Im Bereich der thermischen Energiespeicherung mit Salz führen wir Gespräche über eine Kooperation. Das ist ein anderes Konzept, was parallel zu unserem Konzept vorangetrieben wird. Die Zukunft wird zeigen, welches Konzept die höchsten Wirkungsgrade und die niedrigsten Kosten realisiert.

In diesem Projekt gibt es aber noch keinen Prototypen?

Nein. Ein Prototyp existiert bislang allenfalls bei Siemens Gamesa in dem Hamburger Projekt. Als nächstes werden wir in Stuttgart mit dem kleineren Projekt soweit sein. Und wie sich das Projekt DLR/RWE entwickelt, hängt von den Entscheidungen der Bundesregierung über die Förderung von Real-Laboren für die Energiewende ab. Da haben wir einen Antrag gestellt und warten auf die Entscheidung, die voraussichtlich Anfang Juli fallen wird.

Ein weiteres Projekt, das das DLR gemeinsam mit der Universität Stuttgart und dem KIT seit Oktober 2018 betreibt, ist der Bau der Forschungsanlage Nadine (Nationaler Demonstrator für Isentrope Energiespeicherung). Wie ist hier der aktuelle Stand und wo reihen Sie das in Ihre Energiespeicher-Forschungsaktivitäten ein?

Die Forschungsanlage Nadine ist für die Weiterentwicklung der Carnot-Batterie so etwas ähnliches wie ein Windkanal für die Weiterentwicklung der Flugzeuge. Bei dem Projekt wird eine Forschungsinfrastruktur erarbeitet, es ist kein Energiespeicherkonzept.

Das heißt konkret?

Um bei der Analogie zum Windkanal zu bleiben: Ein Windkanal ist eine Laborhalle, in der Sie eine Luftströmung mit einer definierten Geschwindigkeit einstellen, damit Sie darin Flugzeugmodelle ausmessen können. Die Forschungsinfrastruktur Nadine ist eine Laborhalle, in der Sie keine Luftströmungen erzeugen, sondern in der Sie Wärmeströme auf einem Temperaturniveau zwischen –20 °C und +700 °C herstellen. Diese Wärmeströme können Sie dann in einen Wärmespeicher, etwa eine Dampfturbine oder eine Wärmepumpe, einkoppeln und können mit diesem Wärmestrom den Wärmespeicher, also die Dampfturbine oder die Wärmepumpe, ebenso testen wie Sie ein Flugzeug im Windkanal testen. Das heißt, es ist eine Infrastruktur mit einer Bereitstellung von Wärmeströmen bei einer definierten Temperatur mit einer definierten Leistung.

 

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