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Dezentrale Automation ist der Megatrend

Immer mehr Feldkomponenten werden intelligent
Dezentrale Automation ist der Megatrend

Die Feldbuskriege der letzten Jahre sind vorbei, der gemeinsame Nenner heisst Ethernet. Damit kommt das Konzept der verteilten Automation ins Spiel. Der Ansatz ähnelt den verteilten Rechnern im Firmen-Intranet.

Dipl.-Ing. Achim Scharf ist Fachjournalist in München

Drei Punkte sind bei fast allen Experten in der derzeit laufenden Diskussion über die Zukunft des Ethernet unbestritten. Auf Feldbussysteme kann auch in Zukunft nicht verzichtet werden. Ethernet wird von der Leitebene kommend weiter in die Feldebene vordringen und auch bei intelligenten Feldgeräten zum Einsatz kommen. Drittens werden Funktionen immer dezentraler, was zu einer weiteren Verlagerung und Verteilung der Intelligenz in Sensoren und Aktoren führt. „Aus diesen Punkten ergibt sich, dass am Markt nur solche Lösungen Chancen haben, die sowohl die Vorteile des Ethernet nutzen als auch Feldbussysteme integrieren“, meint Helmut Gierse, Vorsitzender des Siemens-Bereiches A&D (Halle 9, Stand A72) in Nürnberg. Zu Beginn der Diskussion um die Nutzung des Ethernet in der industriellen Automatisierung drehte sich alles um das Kommunikationssystem an sich. Damit verbunden war die Frage, wann Ethernet die heutigen Feldbussysteme verdrängt haben würde. „Diese Diskussion ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs“, stellt auch Martin Müller, Vorsitzender der IDA-Group (Halle 9, Stand A14) fest, „denn einhergehend mit dem Einzug von Ethernet- und Internettechnologien in die Automatisierung vollzieht sich ein Wechsel von der zentralen Steuerung hin zur verteilten Automatisierung.“
Die IDA-Group (Interface for Distributed Automation) will komplementäres Know-how von der Kommunikations- über die Steuerungs- bis hin zur Antriebs- und Sicherheitstechnik bündeln.
Mit der Vereinigung Iaona Europe (Halle 9, Stand A14) und der ODVA (Open Device-Net Vendor Organization) arbeitet die IDA-Group eng zusammen, um ihre Entwicklungsaktivitäten mit der ODVA (Halle 9, Stand A14) unter dem Dach der Iaona aufeinander abzustimmen. Ziel des verteilten Automatisierens ist die konsequente Modularisierung von Maschinen und Anlagen in mechatronische Einheiten, die neben der Mechanik auch die Elektrik und die zugehörige Steuerungstechnik umfassen. Damit wird die Wiederverwendbarkeit von einmal entwickelten Maschinenteilen verbessert, was deutliche Produktivitätssteigerungen im Maschinen- und Anlagenbau ermöglicht.
Heute kann die zentrale Steuerung mit ihrem zentralen Applikationsprogramm auf die vor Ort arbeitenden intelligenten Feldgeräte verteilt werden. Als Beispiel seien intelligente Antriebe genannt, die neben der Antriebsfunktion eine programmierbare Steuerung enthalten. Damit lassen sich die einzelnen Maschinenmodule unabhängig realisieren und testen sowie zu einer Gesamtanlage verketten. „Allerdings erhöht sich der Engineeringaufwand, da die Kommunikation zwischen den intelligenten Einheiten individuell programmiert werden muss“, stellt Müller fest.
Dem will die IDA-Group abhelfen. „Verteilte Intelligenz bedeutet, dass die unterschiedlichen Geräte, Tools und Applikationen sich wie eine verteilte Applikation verhalten. Folglich gibt es für alle Objekte und zugehörigen Daten der Applikation einen gemeinsamen Datenpool“, erläutert Ronald Schoop, Leiter des Komitees Technik der IDA-Group. Die Kommunikation der Geräte baue auf existierenden Ethernet-Standards einschließlich OPC auf.
Im IDA-Applikationsmodell können die verteilten Anwendungen unterteilt und frei zugeordnet werden. Das gleiche Prinzip gilt für Sub-Applikationen und atomare IDA-Blöcke, die sich nach Funktions-Block-Standards verfeinern lassen. Die IEC 61499 definiert hier eine allgemeine Referenzarchitektur für verteilte Steuerungssysteme, in der Applikationen und Sub-Applikationen über verschiedene Ressourcen und Geräte verteilbar sind. „Das Engineering konzentriert sich in Zukunft nicht mehr auf das Programmieren individueller Steuerungseinheiten, sondern auf die durchgängige und ganzheitliche Automatisierung. Die bereits fortgeschrittene Modularisierung auf der mechanischen Ebene wird beim funktionsorientierten Engineering direkt in die Domäne der Applikation überführt, die Module können wie die mechanischen Elemente behandelt und wieder verwendet werden“, beschreibt Volker Arlt von der Lenze AG, Halem (Halle 11, Stand E64) den IDA-Ansatz.
Die Profibus-Nutzerorganisation (Halle 7, Stand E 28) ist mit dem Profinet hier einen Schritt weiter. Analog zu den verteilten Computern und Anwendungen in unternehmensweiten Netzen (Intranets) hat die PNO hier die Steuerungsintelligenz im Netz verteilt, und Anwendungen können autark auf diesen Knoten ablaufen. Das Netz ist in diesem Fall das Profinet mit den aus Windows bekannten Objektmodellen COM/DCOM (Component Object Model/Distributed COM). Die Kommunikation übernimmt das offene Ethernet-Protokoll TCP/IP. Diese Module arbeiten autonom und koordinieren sich untereinander durch eine überschaubare Anzahl von Handshake-Signalen. Ihre Funktionalität wird in Form von einheitlichen COM-Objekten, den Profinet-Komponenten, gekapselt. Dr. Peter Wenzel, technischer Geschäftsführer der PNO: „Von außen sind diese Komponenten über definierte Interfaces zugänglich, und sie lassen sich beliebig verschalten.“ Für das Objekthandling im Engineering stünden die Standards OPC sowie OPC DX, Active X und XML zur Verfügung. Diese Mechanismen seien akzeptiert und erleichterten den Datenaustausch mit überlagerten Systemen zur Visualisierung oder Fertigungssteuerung.
Auch andere Feldbus-Systeme lassen sich über Proxies einbinden, die etwa ein Profibus- mit einem Ethernet-Segment verbinden. Die gesamte Profibus-Funktionalität oder Teile davon gelangen so ans Ethernet. Für den Anlagenbetreiber arbeitet diese Kombination jedoch so, als gäbe es ein einziges Kommunikationssystem.
Aufbauend auf Profinet, hat Siemens A&D das Konzept der Component-Based Automation entwickelt, einen durchgängigen Einsatz der Komponententechnologie über alle Automatisierungsebenen hinweg. Der Nutzen liegt in einer reduzierten Inbetriebnahmezeit vor Ort durch vorgetestete Module sowie in der Wiederverwendbarkeit der Software“, so definiert Dr. Horst J. Kayser, Geschäftsgebietsleiter Industrial Automation Systems bei Siemens A&D, heute diesen Ansatz. Beim Projektieren einer Anlage seien nur die Kommunikationsbeziehungen zwischen den einzelnen Komponenten festzulegen, was sich grafisch durch das Ziehen von Linien erledigen lässt. Und bei der Inbetriebnahme geht es nur noch um das anlagenweite Zusammenspiel der Module – ohne dass der Inbetriebsetzer in die Software der einzelnen Geräte und Steuerungen eingreifen muss. Dieses Vorgehen ermöglicht eine zweckmässige Trennung zwischen der Programmierung der Steuerungslogik und der technologischen Projektierung der gesamten Anlage mit entsprechend hohem Zeitgewinn.
Ethernet erscheint als die gemeinsame Klammer der verschiedenen Organisationen. Erstmals wird auf der Hannover Messe von der PNO und anderen Organisationen aus dem Umfeld der industriellen Kommunikation ein gemeinschaftliches „Industrial Communication Forum“ in Halle 7, Stand H27, organisiert. Beteiligt sind AS International, CAN in Automation, ControlNet International, Iaona Europe, IDA, Interbus Club, ODVA, OPC Foundation sowie die PNO. Damit sind unter einem Dach ehemals rivalisierende Organisationen vereint.
Die Nutzung komponentenbasierter Objekttechnologien scheint ein gangbarer Weg zu sein, die industrielle Automation in die gesamte Informationslandschaft eines Unternehmens zu integrieren. „Dieses Vorgehen und die mittlerweile vorhandenen IT-Infrastrukturen sind nötig, meint auch Softwarespezialist Uwe Franke von der Münchener Wonderware GmbH (Halle 6, Stand H30). Immer mehr Anbieter kommen mit offenen Steuerungen auf den Markt, die das Komponentenmodell COM/DCOM von Microsoft unterstützen. Die US-amerikanische Ventur Com, Denver, habe DCX entwickelt. Im direkten Wettbewerb dazu befinde sich VxDCOM der WindRiver GmbH, Ismaning. Beide Produkte stellen in verteilten Umgebungen die Funktionalitäten zur Verfügung. Und auch Wonderware arbeitet an einer komponentenbasierten Variante seiner Software Factory Suite. Dieses Komponentendenken beginnt bei Feldgeräten und reicht bis hin zu komplexen Leitsystemen. „Erste Teilprodukte unsere Factory Suite New Generation stehen kurz vor der Veröffentlichung“, sagt Wonderware-Experte Uwe Franke.
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