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Dezentrale Schaltschrank-Konzepte

Industrie 4.0 und die dezentrale Automatisierung
Dezentrale Schaltschrank-Konzepte

Dezentrale Automatisierungskonzepte verlagern Sensorik und Aktorik ins direkte Maschinenumfeld und ermöglichen damit eine nahtlose Integration von dezentralen Servoantrieben. Das Ziel: wirtschaftliches Datenmanagement ohne Schaltschrank.

» Michael Grupp, freier Journalist in Stuttgart

Mit sage und schreibe 50 % ist die Verdrahtung der mit Abstand größte Kostenfaktor bei der Installation eines Schaltschranks. Dezentrale Automatisierungskonzepte minimieren diesen Aufwand durch Modularisierung. Dadurch nimmt die Komplexität prall gefüllter Schaltschränke ab und die Einheiten für Steuerung und Stromversorgung finden ihren Weg direkt an die Maschine.

Schaltschränke am Ende ihrer Kapazität

Die Devise heißt: Raus ins Feld, dezentralisieren, modularisieren, Technologien zusammenfassen, Energie effizienter nutzen, Komplexität reduzieren und vereinfachen. Der Grundgedanke dezentraler Automatisierungskonzepte ist so einfach wie überzeugend: Zunächst wird die Stromversorgung zusammen mit weiteren Standard-Komponenten wie Sicherungen oder Schaltungen aus dem zentralen Schaltschrank herausgelöst und in kleinere, dezentrale Gehäuse gepackt. Je nach Schutzart dieser Gehäuse widerstehen sie dort Umwelteinflüssen wie Staub, Wasser und/oder mechanischen Belastungen. Diese kompakten Einheiten werden dann direkt an der Produktionsmaschine platziert. Gleiches gilt für die Industrie-PCs, die die Kommunikation und Steuerung der kompletten Anlage oder von einzelnen modular einsetzbaren Maschinenteilen übernehmen. Ein weiterer Pluspunkt ist die einfache Montage: Installation und Verkabelung von Sensorik und Aktorik erfolgen im Idealfall nach dem Plug-and-Play-Prinzip mit vorkonfektionierten Steckern. Damit entfallen die zeitraubenden und aufwendigen Installationsarbeiten am Schaltschrank wie beispielsweise Abisolieren, Setzen von Ader-Endhülsen und das eigentliche Anklemmen. Das befreit Produktions- und Fertigungshallen von Maschinenanbauten und verschlankt die Kabelarchitektur deutlich. Die Installation dezentraler Automatisierungskonzepte ist im laufenden Betrieb möglich. Ein modulares, standardisiertes und digital unterstütztes Automatisierungskonzept eröffnet mehrere Vorteile: etwa eine schnellere Installation und Inbetriebnahme, mehr Flexibilität in der Fertigung bei kürzeren Durchlaufzeiten sowie effizientere Service- und Wartungsprozesse.

Elektrifiziert in die Zukunft

Seit Elon Musk mit seinen Gigafactories die Industrie-4.0-Entwicklung vor sich hertreibt, erlebt der Begriff „Elektrifizierung“ ein Revival. Dieser Trend ist aber nicht nur auf den Automotive-Bereich beschränkt, sondern bietet auch anderen Branchen neue Ansätze. Ein großer Kostenfaktor für Industrieunternehmen stellt beispielsweise die Bereitstellung von Luft für die vielfach eingesetzt Pneumatik dar – speziell im Karosseriebau; vielfach macht Pneumatik Maschinen erst beweglich. Mithilfe dezentraler Elektronikkomponenten und -module kann die Elektrifizierung von Fertigungsprozessen vorangetrieben werden und setzt damit der Pneumatik eine deutlich wirtschaftlichere Alternative entgegen. Mit einem Wirkungsgrad von nur 10 % bis 20 % verpufft beim Energieträger Luft viel Energie durch unvermeidliche Leckagen und ineffiziente Aktorik. Pneumatik durch Elektrik zu ersetzen – zum Beispiel bei Spanneinheiten im Karosserie-Rohbau – bietet allen Beteiligten nur Vorteile: Erstens dem Unternehmer, der in seinen Werkshallen die ineffiziente, schlecht steuerbare und verhältnismäßig teure Pneumatik reduzieren kann. Zweitens dem Produktionsplaner, der sich jetzt auf einen einzigen Energieträger – nämlich Elektrizität – fokussieren kann. Drittens arbeiten die Mitarbeiter in einem merklich leiseren Arbeitsumfeld. Und nicht zuletzt lassen sich im Gegensatz zur Pneumatik beim Einsatz von Servo-Motoren exakte Prozessdaten wie die Position der Mechanik oder das benötigte Drehmoment während des Bewegungszyklus erfassen und analysieren. Sie ersetzen damit die sonst notwendigen Messsysteme und Endlagenschalter.

Parametrieren statt Programmieren

Die Intelligenz einer solchen dezentralen Automatisierungslösung lässt sich einfach bündeln und zentral steuern. Voraussetzung dafür ist ein digitaler Zwilling. Dieses digitale Abbild der Anlage beinhaltet alle Funktionen und Parameter des späteren Systems inklusive der originalen Steuerungssoftware – und das bereits ab der Planungsphase, noch bevor das erste mechanische Bauteil bestellt oder montiert wurde. Relevant ist dies beispielsweise für Vorbetrachtungen wie die Kollisionsprüfung von bewegten Teilen. Dafür werden Konstruktionsdateien von Maschinen und Anlagen in einer speziellen Software kinematisiert, in der dann die späteren Bewegungen und Abläufe simuliert werden können. Mit Augmented-Reality-(AR-) Anwendungen können alle Bewegungsabläufe auf einem Tablet virtuell betrachtet und analysiert werden. Damit können Montage- und Inbetriebnahmezeiten um ein Vielfaches verkürzt werden, weil viele Probleme schon vor der Montage identifiziert und eliminiert werden. Das macht sowohl den Installateuren wie auch den späteren Bedienern die Arbeit ein ganzes Stück leichter.

Proaktive Wartung mit KI

Während des Betriebs liefert der digitale Zwilling die Datenbasis für Condition Monitoring und Predictive Maintenance. In Kombination mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich frühzeitig Anomalien im Prozessablauf erkennen und Maßnahmen zu deren Behebung einleiten. Durch den Lab-to-Field-Ansatz ist es zudem möglich, die Genauigkeit von Automatisierungsprozessen direkt im Feld zu messen. Weil der digitale Zwilling auch die dafür notwendigen Bauteile kennt, können diese bereits im Vorfeld bereitgestellt oder auch beim Lieferanten neu bestellt werden.

Im besten Fall werden so ungeplante Maschinenausfälle vollständig vermieden. Mit einer Langzeitanalyse lassen sich zudem Aussagen zur Energieeffizienz treffen und Simulationen verschiedener Prozessänderungen fahren, die Aufschluss über mögliche Einsparpotenziale geben. Und der digitale Zwilling liefert wertvolle Erkenntnisse über Stand- und Produktionszeiten sowie über mechanische und thermische Einflüsse, denen die Maschine ausgesetzt ist. Das wiederum ermöglicht neue Geschäftsmodelle wie Pay per Use, Pay per Hour oder Pay per Value.

Ein systemischer Lösungsansatz

Wie gelingt die Diät des Schaltschranks ohne Jo-Jo-Effekt? Voraussetzung für eine Dezentralisierung ist eine skalierbare Automatisierungsplattform plus Hardware-Module, welche direkt an der Maschine Funktionen aus dem Schaltschrank übernehmen. Ein solches System ist beispielsweise Vario-X von Murrelektronik: Ein modulares und flexibles Automatisierungssystem, mit der sich sämtliche Automatisierungsfunktionen erstmals bedarfsgenau und dezentral – also ohne Schaltschrank-Architektur – realisieren lassen. Vario-X besteht aus der gleichnamigen Plattform mit einem begleitenden Installationskonzept. Es bringt Sensorik und Aktorik ins direkte Maschinenumfeld und gewährleistet eine nahtlose Integration von dezentralen Servoantrieben direkt an den Maschinen und Anlagen.

Herzstück von Vario-X sind robuste, wasser- und staubdichte Gehäuse in Schutzart IP65, in denen die Spannungsversorgung, Steuerung, Switches, Sicherheitstechnik sowie IO-Module verbaut sind. Sie lassen sich modulartig nebeneinander in eine robuste Backplane mit integrierten Maschinenbauprofilen einrasten. So kann die gesamte Station ohne weiteren Schutz einfach an allen gängigen Profilsystemen befestigt werden.

Schneller installieren, günstiger produzieren

Vario-X verkürzt auf Basis eines digitalen Zwillings und durch das innovative Installationskonzept eine Inbetriebnahme um durchschnittlich 40 %. Darüber hinaus unterstützt das Gesamtsystem laut Murrelektronik modulare und transparente Prozesse, eine höhere Wertschöpfung und damit mehr Wirtschaftlichkeit im Maschinen- und Anlagenbau.

Unter dem Strich ermöglicht das System mit einer konsequenten Umsetzung des Dezentralisierungskonzeptes den Einstieg in eine reibungslose digitale Transformation im laufenden Betrieb.

Kontakt:
Murrelektronik GmbH
Falkenstraße 3
71570 Oppenweiler
www.murrelektronik.de


Fazit

Erst Edge Computing,

jetzt die Automatisierung:

Industrie 4.0-Konzepte werden zunehmend dezentraler.


Über Murrelektronik

Murrelektronik ist ein international agierendes Familien-unternehmen in der Automatisierungstechnik mit mehr als 3000 Beschäftigten. Die Forschungs- und Entwicklungs-Schwerpunkte des schwäbischen Mittelständlers fokussieren eine Dezentralisierung von Produktionsstrukturen im Industrie 4.0-Umfeld.



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