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Diamanten veredeln „girls“ und Keramik

Gleitringdichtungen halten 20 Mal länger mit Diamantbeschichtung
Diamanten veredeln „girls“ und Keramik

Diamanten veredeln „girls“ und Keramik
Die Diamantschicht auf den Gleitringdichtungen wächst im Vakuumbehälter unter weiß glühenden Drähten (Bild: IST)
In der Fraunhofer-Allianz „Diamantbeschichtete Keramik“ arbeiten vier Institute zusammen, um Werkzeugen und Bauteilen ein Maximum an Leistungsfähigkeit zu verleihen.

Von unserem Redaktionsmitglied Olaf Stauß olaf.stauss@konradin.de

Diamant ist in jeder Hinsicht – nicht nur als „girl’s best friend“, wie die Fraunhofer in Anspielung auf Marylin Monroe schreiben – der Königswerkstoff: Er ist zum Beispiel der härteste Werkstoff schlechthin, hat den höchsten E-Modul (was manchmal auch von Nachteil sein kann), die höchste Wärmeleitfähigkeit und besitzt besonders niedrige Reibwerte. Diamant ist chemisch resistent und außergewöhnlich verschleißbeständig. Diese Eigenschaften nutzen die vier Fraunhofer-Institute IKTS, IPK, IST und IWM in der Allianz „Diacer“, um die bereits hohe Leistungsfähigkeit von technischen Keramiken zu maximieren. Welchen Unterschied ein Diamantüberzug ausmacht, zeigten die Forscher auf der Hannover Messe mit einem Reib-Versuch: Ihr Demonstrator gleicht einer Standbohrmaschine, bei der der Bediener den rotierenden Gleitring mit Muskelkraft von oben auf den feststehenden Gegenring presst.
„Drücken Sie jetzt den Hebel“, gibt Dr. Markus Höfer vom Braunschweiger IST vor, wenn er das Probenpaar im Teststand eingesetzt hat. Es quietscht. Bei noch stärkerem Drücken verstummt der Ton und die Temperaturanzeige klettert sprunghaft auf dreistellige Werte. Wird die heiße Keramik wieder ausgebaut, findet sich darauf jede Menge Pulverabrieb. Ganz anders beim diamantbeschichteten Probenpaar: Hier quietscht nichts. „Da müssen Sie schon etwas kräftiger zulangen“, feuert der smarte Wissenschaftler Höfer die Besucher an und genießt es, seinen Gesprächspartnern auch einmal körperlichen Schmackes abzuverlangen. Doch obwohl er sich gleich selbst mit ganzem Körpergewicht an den Pressenhebel hängt, bewegt sich die Temperaturanzeige auf gerade mal 60 °C zu, von Abrieb ist nichts zu sehen.
In der Tat: Die Reib- und Verschleißeigenschaften von Diamant sind einzigartig. Das IST hat zum Beispiel diamantbeschichtete Gleitringdichtungen (GRD) aus Siliziumkarbid für den Einsatz in Pumpen bei der Burgmann Dichtungswerke GmbH & Co. KG in Wolfratshausen testen lassen. Unter Versuchsbedingungen, bei denen rein keramische GRD nur 50 h durchhalten, zeigten die diamantbeschichteten GRD nach 100 h eine spiegelglatt polierte Oberfläche: In den 100 h seien lediglich die Spitzen abgerieben worden, erklärt Höfer. „Erst nach 1000 Stunden war die Diamantschicht an einigen Stellen verschlissen, aber die Pumpe blieb trotzdem dicht.“
Auch die Reibwertmessung brachte sehr gute Ergebnisse: „Beim Einlaufen stellte sich ein Spitzen-Reibwert von 0,08 ein. Schon nach einer halben Stunde ist er auf Werte zwischen 0,01 und 0,03 gesunken.“ Selbst bei Mangelschmierung bleibe der Reibwert niedrig, betont Höfer. Hingegen pendelt er sich bei rein keramischen GRD auf Werte zwischen 0,1 und 0,2 ein und steigt bei Trockenlauf auf ein Vielfaches.
Bauteile, die wie Gleitringdichtungen extremen Verschleißbelastungen standhalten müssen, sind ein potenzieller Anwendungsbereich für diamantbeschichtete Keramiken. Weitere Einsatzgebiete sieht die Diacer-Allianz in Umform- und Zerspanwerkzeugen. Für neuartige Verbundwerkstoffe, wie sie etwa im Airbus oder im 3-l-Lupo eingesetzt werden, seien herkömmliche Werkzeuge gerade mal für zehn Bohrungen zu gebrauchen, berichtet Höfer. Auch hier könnten diamantbeschichtete Keramiktools die Standzeit verlängern.
Die Diamantschicht der Diacer-Allianz entsteht in den IST-Labors in Braunschweig. Die Forscher können Objekte mit einer Fläche bis zu 1 m x 0,5 m in ihrer Anlage beschichten – ein Alleinstellungsmerkmal, wie Höfer betont. Häufiger kommen aber bis zu mehrere hundert kleinere Teile in den Vakuumbehälter, der anschließend mit Methan und Wasserstoff befüllt wird. „Damit die Schicht wächst, spannen wir Drähte im Abstand von Zentimetern über den zu beschichtenden Objekten. Sie werden bis zur Weißglut erhitzt“, erklärt Höfer. „Dadurch wird das Gas aktiviert, und auf den Oberflächen lagert sich Kohlenstoff in der kristallinen Diamantform ab.“ Die Schicht wächst langsam, etwa 1 µm/h. „Alles in allem dauert ein Beschichtungsprozess mit Vorbereitung etwa einen Tag.“ Ergebnis: Die Standzeit der Teile steigt je nach Anwendung um Jahre.
Diamantschicht braucht einen Tag zum Heranreifen
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