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Dickschichtpassivierung bietet hohen Korrosionsschutz

ChromVI-Verbot: Alternativen erfordern Know-how und Kapital
Dickschichtpassivierung bietet hohen Korrosionsschutz

Die EU-Altauto-Richtlinie bereinigt den Markt der Galvanik-Anbieter: Wer kein Ersatzverfahren zur Gelbchromatierung offerieren kann, hat schlechte Karten. Die Dickschichtpassivierung bietet eine Lösung.

Auto-, Bau- und Elektroindustrie haben derzeit eines gemeinsam: Sie kämpfen mit dem drohenden ChromVI-Verbot, das ab 2006 in der Elektro- und ab 2007 in der Automobilindustrie gilt. Chemiefirmen und Oberflächenveredler, die neue Beschichtungsverfahren entwickeln, stimmen sich auf Fachtagungen ab und diskutieren über die Vor- und Nachteile der neuen Verfahren.

Die Lohn- und Betriebsgalvaniken, die versuchen, ihre Korrosionsschutzverfahren entsprechend umzustellen, interessiert eine weit praktischere Frage: Welches neue Verfahren kann ich meinen Kunden anbieten, das mindestens so gut ist wie die Gelbchromatisierung, und das für mich trotzdem noch wirtschaftlich tragbar und durchführbar ist? Die MTP Grillo Peißenberg GmbH, Peißenberg, hat diese Frage für sich bereits beantwortet. Die Präzisionsspezialisten, die unter anderem für Audi, Siemens und Kathrein fertigen, setzen auf die Dickschichtpassivierung und arbeiten bereits an deren Optimierung durch Nanotechnologie. Der Grund liegt auf der Hand: Nur Galvaniken, die sich ChromVI-freie, aber dennoch gleichwertige Verfahren leisten können, werden sich auf dem Markt behaupten.
Unternehmer und Experten erwarten steigende Kosten für verzinkte Werkstücke. Ursache hierfür ist die EU-Altautoverordnung, die ab 2006 sukzessive in Kraft tritt, und die neben Cadmium, Blei und Quecksilber auch ChromVI verbietet. Die Gelbchromatierung mit sechswertigem Chrom galt bislang als zuverlässigstes und günstigstes Mittel, verzinkte Metalle vor Korrosion zu schützen.
Einen positiven Nebeneffekt hat die vielgeschmähte EU-Richtlinie allerdings: Die jetzt neu entwickelten Verfahren bieten zum Teil einen deutlich höheren Korrosionsschutz als die Gelbchromatierung. Die in der Galvanikbranche als Ersatz für die ChromVI-Beschichtung favorisierte Dickschichtpassivierung, beispielsweise, hält im Weißkorrosionstest bis zu 250 h, die Gelbchromatierung dagegen nur bis zu 160 h. Mit einer zusätzlichen Versiegelung durch eine silikathaltige Lösung schützt die Dickschichtpassivierung das Werkstück sogar 480 h vor dem aggressiven Salznebel.
Das Dickschichtpassivierungskonzentrat besteht hauptsächlich aus ChromIII sowie einigen organischen und anorganischen Bestandteilen. Der Nachteil ist allerdings, dass alle ChromVI-freien Verfahren neben einem höheren Prozessaufwand auch eine weitaus intensivere Prozesskontrolle erfordern. „Die chemische Zusammensetzung muss sehr genau überwacht werden. Dies betrifft sowohl die Bäder für die Dickschichtpassivierung als auch die vorherige Verzinkung“, weiß Martin Groß, Leiter Galvanik bei MTP Grillo Peißenberg.
Jeder in der Galvanotechnik eingesetzte Euro verhindert Schäden in Höhe von 150 Euro, meldet der Zentralverband Oberflächentechnik e.V. (ZVO), Hilden. Dieses Verhältnis wird sich künftig wohl ungünstig verändern: ChromVI-freie Verfahren treiben die Preise um 10 bis 20 % in die Höhe, weil Galvaniken die Investitionskosten in neue Anlagen oder Beschichtungsmaterialien an die Kunden weiterzugeben versuchen.
Während ein Liter Gelbchromatierung zwischen 6 und 12 Cent kostet, schlägt ein Liter Dickschichtpassivierung mit etwa 60 Cent zu Buche. Und während die Gelbchromatierung eine Badtemperatur von nur 20 °C erfordert, verlangt die Dickschichtpassivierung 50 bis 60 °C. „Hinzu kommen weitere Kosten, weil bei der Dickschichtpassivierung die zu beschichtenden Teile besser vorgewärmt in das Bad eingetaucht werden sollten und entstehende Aerosole abzusaugen sind“, erläutert Peter Wagner, Vertriebsleiter der Chemopur H. Brand GmbH, Herne. Für den Hersteller galvanochemischer Lösungen bedeutet die Umstellung keinen großen Aufwand. Galvaniseure jedoch „müssen sich jeweils entscheiden, ob sie umrüsten und damit Kunden verprellen, die noch Gelbchromatierung wünschen, oder umgekehrt“, so Wagner.
Je nach Anlage kann eine Umrüstung auf die Dickschichtpassivierung 2000 bis 10 000 Euro kosten. Für eine neue Anlage sind rund 500 000 Euro zu veranschlagen. Dies können sich nur mit den entsprechenden Möglichkeiten ausgestattete Unternehmen leisten. „Die Verordnung wird eine Selektion der Firmen bewirken, und zwar in jene, die sich neue und gleichwertige Verfahren leisten können, und jene die es nicht können“, prognostiziert Prof. Dr. Christine Jakob von der Technischen Universität Ilmenau. „Damit kann die Verordnung allerdings ein Paradebeispiel dafür sein, wie sich ausgehend von europäischen Umweltstandards eine globale Industrie auf ein technologisch neues Niveau begibt.“
Die Schwierigkeiten bestehen jedoch nicht nur in der Investition in die neue Technik, sondern auch im oft noch fehlenden technischen Know-how der Unternehmen. „Für den Betriebs- oder Lohngalvaniker naht der Tag der Wahrheit: Hat er seine Prozesse gut genug im Griff, um auch mit einem noch unvertrauten und viel komplexeren Verfahren die Kundenerwartungen erfüllen und den notwendigen Korrosionsschutz sicherstellen zu können?“, formuliert Martin Groß die Gretchenfrage der Oberflächentechnik. Der Prozess der Dickschichtpassivierung sei wesentlich komplexer als die Gelbchromatierung. So müsse nicht nur die chemische Zusammensetzung ständig kontrolliert werden, auch physikalische Parameter wie Temperatur, Strömungsgeschwindigkeit, Stromstärke sowie die Anodenanordnung im Bad müssten exakt aufeinander abgestimmt sein.
Groß weiß, wovon er spricht: Drei Monate dauerte es, bis er für ein Produkt die günstigste Konzentration des chemischen Grundstoffs ermittelt hatte. „Wenn ein Unternehmen nicht über die notwendige Erfahrung mit den neuen Beschichtungsmethoden verfügt, kann es passieren, dass das fertige Werkstück durch Schleier oder Schlieren optische Mängel aufweist“, berichtet er. „Wichtiger ist natürlich der Korrosionsschutz: Im Extremfall verringert er sich durch unsachgemäßes Beschichten auf 50 Stunden.“
Aufgrund der Komplexität neuer Verfahren werden sich wohl viele Galvaniker für die günstige und einfache Umrüstung auf die Blauchromatierung mit ChromIII entscheiden. Hier sind keine großen Umstellungen erforderlich. Lediglich die Elektrolytlösungen müssen ausgetauscht und die Entsorgung angepasst werden. Allerdings ist das auch Dünnschichtpassivierung genannte Verfahren mit nur 48 h Korrosionsschutz längst nicht so beständig wie die Gelbchromatierung.
Seit Mai dieses Jahres arbeitet MTP Grillo Peißenberg daran, den letzten Mangel der Dickschichtpassivierung auszuräumen: Nanotechnologie soll einen ähnlichen Selbstheilungseffekt bei den Oberflächen bewirken, wie er bisher der Gelbchromatierung vorbehalten war. Übrigens haben Unternehmen, die großteils in Nicht-EU-Länder exportieren, ein Problem weniger: Das ChromVI-Verbot gilt nur innerhalb der Europäischen Union. re
Umstellung bedeutet keinen großen Aufwand
Nanotechnologie bewirkt Selbstheilungseffekt
Industrieanzeiger
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