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Die Kraft der großen Ziele nutzen

Personalführung: Zielvereinbarung im Mitarbeitergespräch
Die Kraft der großen Ziele nutzen

Der Mittelstand entdeckt die Zielvereinbarung als Führungsinstrument. Damit das System greift, muss zuerst die Geschäftsleitung ihre Hausaufgaben erledigen und in einer Firma eine klare Strategie verankern.

„Vereinbarte Ziele und Planungen müssen von den Mitarbeitern konsequent umgesetzt werden, damit der Erfolg des Unternehmens stimmt“, ist Mathias Häfner, Personalchef bei der Neenah Gessner GmbH im bayrischen Bruckmühl, überzeugt. Um dies sicherzustellen, werden bei dem Hersteller von Spezialpapieren die übergeordneten Unternehmensziele für die Mitarbeiter konkretisiert. „Indem wir die Ziele für den Einzelnen operationalisieren, werden sie mess- und damit überprüfbar“, erklärt Häfner die Intention. Seit über 15 Jahren werden im Rahmen von Mitarbeitergesprächen konkrete Zielvereinbarungen getroffen.

Die Zielvereinbarung als Führungsinstrument entdecken immer mehr Mittelständler für sich. Anders als in Konzernen, in denen Abläufe strukturiert und Aufgaben exakt definiert sind, geht es in vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) hemdsärmlig zu. Dort müssen sich wenige um vieles kümmern. „Ein grundlegender Stolperstein ist dass es in etlichen KMU an einer ausformulierten Unternehmensstrategie und eindeutig formulierten Zielen mangelt“, erlebt Beraterin Anne Wegele immer wieder. Bevor Zielvereinbarungen als Instrument eingeführt werden, sollte die Geschäftsleitung daher diese Hausaufgabe erledigen. „Wenn die übergeordneten Ziele fehlen, können nämlich keine Teilziele für die Bereiche und Mitarbeiter abgeleitet werden“, merkt die Geschäftsführerin der Rosenheimer Steinbeis Beratung GmbH kritisch an.
Die Neenah Gessner GmbH hat diesen Schritt bereits hinter sich und ihre Strategie definiert. Im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen, die Anne Wegele und ihr Team Ende 2006 durchführten, wurde mit den Führungskräften ein gemeinsames Verständnis darüber hergestellt, was „Führen mit Zielen“ bedeutet und wie dieses Instrument konkret angewendet werden soll. „Durch die systematische Vorbereitung der Führungskräfte erreichen wir, dass alle dieses Projekt mittragen und eine positive Einstellung entwickeln“, berichtet Personalchef Mathias Häfner.
Nur zu gut weiß er, wie schnell auf den mittleren Führungsebenen selbst die besten Vorhaben torpediert werden. Ein Vorteil war, dass die Vorgesetzten des Bruckmühler Unternehmens schon seit Jahren Mitarbeitergespräche führen. „Sie mussten somit lediglich lernen, wie sie neben der Reflexion der Zusammenarbeit, der Beurteilung und Weiterentwicklung auch das Thema Zielvereinbarung sinnvoll in den Gesprächsablauf integrieren“, so Häfner.
In zweitägigen Seminaren machte Steinbeis-Trainerin Anne Wegele die Neenah-Vorgesetzten für die Aufgabe fit. „Mitarbeiter- und speziell Zielvereinbarungsgespräche erfordern eine besondere Art der Gesprächsführung und damit Übung“, erklärt Anne Wegele. Beide, Vorgesetzter und Mitarbeiter sollen sich im Gespräch wohl fühlen. Es soll laut Wegele kein unnötiger Druck erzeugt, sondern erreicht werden, den Mitarbeiter in die Interessen der Firma einzubinden.
Bei den Neenah-Führungskräften kamen die Seminare laut Häfner wegen des hohen Praxisbezugs sehr gut an. „Das erleichterte die Umsetzung in den betrieblichen Ablauf und den Gesamterfolg der Maßnahme“, bestätigt der Personalchef. Nur in Einzelfällen vereinbaren Vorgesetzte noch zu weiche oder zu unpräzise Ziele. Im Bedarfsfall, so Häfner, werde dann aber nachgebessert.
Dass sich die Kraft der Ziele nur nutzen lassen, wenn der Implementierungsprozess systematisch erfolgt, musste etwa Thomas Püls zunächst erleben. Denn bei der Joerg GmbH, die Püls als Geschäftsführender Gesellschafter leitet, verlief die Einführung von Zielvereinbarungsgesprächen zunächst eher holprig. „Wir hatten am Anfang nicht bedacht, dass die aktuelle Unternehmenskultur berücksichtigt werden muss, damit Zielvereinbarungen in der Praxis funktionieren“, erklärt der Diplom-Ingenieur. Dies bedeutet: Die Führungskräfte des Baugruppenzulieferers mussten selbst erst einmal davon überzeugt werden, dass das „Managen by Objectives (MbO)“, wie Zielvereinbarungen auch bezeichnet werden, das Unternehmen weiter nach vorne bringt.
Für die Umsetzung engagierte die Joerg GmbH Joachim Kipke als Berater. Dieser hatte selbst über lange Zeit die Geschäftsführung eines mittelständigen Unternehmens verantwortet, bevor er als Partner bei Raisch & Team, Waldenbuch/Stuttgart, einstieg. Gemeinsam erarbeiten Kipke und die Führungskräfte den Zielrahmen und die Marschrichtung des Unternehmens. „Die Ziele sollten soweit spezifiziert werden, dass deren Erreichen mit Hilfe eines Kennzahlen-Instrumentariums mess- und überprüfbar wird“, erklärt Berater Joachim Kipke. Dies sei vor allem dann wichtig, wenn, wie bei Joerg beabsichtigt, die Mitarbeiterleistungen mit einem Prämiensystem verbunden werden.
Jedes Zielsystem ist allerdings nur so gut, wie es von den Führungskräften gelebt wird. Sie müssen von dem konkreten Nutzen überzeugt werden wie später die Mitarbeiter. „Wir einigten uns darauf, dass das Zielvereinbarungsgespräch zunächst einmal im Jahr durchgeführt wird, damit die Vorgesetzten nicht überfordert werden“, berichtet Joerg-Chef Thomas Püls. Im Rahmen von Seminaren wurden sie auf ihre Aufgabe, Zielvereinbarungen zu treffen, vorbereitet.
„Bei Zielvereinbarungen muss bedacht werden, dass immer mehr Projekte bereichsübergreifend erfolgen“, erklärt Joachim Kipke. Projektleiter, die oft lateral, also ohne direkte Weisungsbefugnis, führen, müssen seines Erachtens zwar das Ziel im Auge behalten, aber auch die Anregungen und Ideen der Mitarbeiter einbeziehen. Generell sollten Ziele nach dem, wie Managementguru Peter Drucker es nannte, SMART-Prinzip definiert werden. Das heißt, ein Ziel muss spezifisch (S), messbar (M), aktiv (A), realistisch (R) und terminierbar (T) sein.
Um den Joerg-Führungskräften von vornherein Sicherheit für die Mitarbeitergespräche zu geben, wurde das Kommunikationsverhalten trainiert und eingeübt. Ebenfalls erhielten sie einen Gesprächsleitfaden, um die Gespräche klar zu strukturieren. Geschäftsführer Thomas Püls zeigt sich mit den bisherigen Erfolgen des neuen Zielvereinbarungssystems zufrieden: „Vorgesetzte wie Mitarbeiter stehen nun voll dahinter, weil ein wechselseitiges Vertrauen besteht. Und selbst, wenn ein Ziel mal nicht erreicht wird, steht nicht das Abstrafen im Mittelpunkt, sondern die gemeinsame Ursachenforschung, damit das Ziel künftig erreicht wird.“
Michael Gestmann Fachautor in Bonn
Erfolge nach holprigem Start

„Vereinbarte Ziele müssen messbar sein“

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Nachgefragt

Warum setzen immer mehr Firmen auf Zielvereinbarungen?
Vorwiegend aus Gründen der Steuerung. Da die Aufgabenkomplexität stetig zunimmt, ist es entscheidend, das Commitment, die innere Selbstverpflichtung, der Mitarbeiter anzusprechen. Dem Mitarbeiter obliegt es dann, selbst den geeigneten Lösungsweg zu finden, um das vorgegebene Ziel zu erreichen.
Was sollte bei der Implementierung von Zielvereinbarungen beachtet werden?
Es muss eine klare Unternehmensstrategie geben. Der Zielrahmen ist im Dialog mit den Führungskräften zu klären. Die Teilziele sollten im Zieldialog top-down und bottom-up abgeleitet werden. Entscheidend: Zur Überprüfung wird ein Kennzahlen-Instrumentarium benötigt, um den Grad der Zielerreichung messbar zu machen. Das ist für die Prämierung und Motivation elementar und zentral.
Mit welchen Stolperfallen sollten Firmen rechnen?
Problematisch wird es, wenn das System nicht zur Unternehmenskultur passt, wenn nicht berücksichtigt wird, welche kommunikativen Führungsinstrumente bereits genutzt werden, und wenn die Führungskräfte nicht auf die ihre Aufgabe vorbereitet, d.h. nicht trainiert wurden.
Michael Gestmann
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 5
Ausgabe
5.2024
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