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Die Überflieger von Eberstadt

Sportsponsoring hilft der Region Heilbronn-Franken auf die Sprünge
Die Überflieger von Eberstadt

Das Hochsprung-Meeting in Eberstadt ist die Mutter aller Meetings dieser Art. Und es gilt in Fachkreisen als das beste der Welt. Ohne die Unterstützung von Sponsoren aus der Region hätte das sportliche Juwel allerdings keine Zukunft.

Der 10. Juni 1984 muss nicht unbedingt der glücklichste Tag im Leben des Peter Schramm gewesen sein. Aber mit Sicherheit war es einer, den er nie vergessen wird. An diesem heißen Sonntag stellte der Chinese Zhu Jianhua mit 2,39 m einen neuen Weltrekord im Hochsprung auf. Das sportliche Ausnahmeereignis fand in keinem großen Stadion statt, sondern auf seinem, Peter Schramms Meeting, in Eberstadt, auf einem kleinen Handballfeld, inmitten von Weinbergen, vor 3800 zusammengepferchten Zuschauern. „Eine Milliarde Chinesen kennen Zhu“, brüllte Schramm damals in sein Mikro, mit dem er heute noch die Veranstaltung moderiert. „Und die alle kennen jetzt Eberstadt.“

Das war eine Sternstunde in der Geschichte des Meetings, das Peter Schramm Ende der siebziger Jahre in dem kleinen Weindorf östlich von Heilbronn auflegte. Im Kopf und im Herzen des pensionierten Sport- und Religionslehrers sind unzählige Geschichten und Anekdoten gespeichert. Zum Beispiel die: „Dem Dietmar habe ich 300 Mark in die Hand gedrückt und nach dem Wettkampf nochmal 500.“ Mit Dietmar meint Schramm nicht einen gut bezahlten Kartenabreißer, sondern Dietmar Mögenburg, der das erste Meeting 1979 mit sensationellen 2,30 m gewann und fünf Jahre später Olympiasieger in Los Angeles wurde.
300 Mark Startgeld, das waren noch Zeiten. Für so einen Betrag schlägt heute der Manager eines Weltklasse-Springers nicht einmal seinen Terminkalender auf. Alles wird teurer, auch das Meeting in Eberstadt. Startgeld, Unterkunft und Bewirtung fasst Schramm unter der Rubrik Wettbewerbskosten zusammen. Die lagen in diesem Jahr bei 110 000 Euro. Hinzu kamen 24 000 Euro für den Auf- und Abbau der Tribüne plus Marketingkosten und VIP-Betreuung. Alles in allem summierten sich die Kosten für die 32. Auflage des Meetings auf 182 000 Euro. In den letzten drei, vier Jahren blieben die Wettbewerbskosten auf gleichem Niveau. Die übrigen Ausgaben wurden den veränderten Einnahmen angepasst und schrittweise reduziert. Aber es gab auch schon Veranstaltungen in barocker Üppigkeit. „Wir hatten zeitweise einen Etat von 210 000 Euro“, schwärmt Schramm.
Viel Geld für ein paar Dutzend Sprünge, könnte man meinen. Aber so darf man das nicht sehen. Eberstadt ist Kult. In den Achtzigern hörte man hier die Spikes knirschen. Manchmal auch heute noch, wenn es für einen Springer im dritten Versuch um alles geht, wenn er Ruhe wünscht und auf seine mitgebrachte House-Music verzichtet. Es gibt Zuschauer, die gehen schon ihr Leben lang Jahr für Jahr nach Eberstadt, die können sich Eberstadt ohne Hochsprung gar nicht mehr vorstellen.
Ähnlich sehen es Unternehmen aus der Region, die dem Meeting über Jahre die Treue halten und finanziell unterstützen, damit es weiter geht. Aber die Sponsoren kommen nicht von allein. In den ersten Jahren, als die Beträge noch nicht so hoch waren, hat Schramm alles allein geregelt. Einer der ersten Sponsoren war Intersport in Heilbronn, der das Meeting drei Jahre lang mit 10 000 DM unterstützte. Später folgte die Stuttgarter Kodak GmbH mit einer Zuwendung von 50 000 DM. Durch seine Tätigkeit als Landestrainer kam Schramm jeden Mittwoch in die schwäbische Metropole. In der Kodak-Zeit ist er immer ein paar Stunden früher losgefahren und hat seine Stuttgarter Freunde besucht. Sponsorenpflege à la Schramm. Das hat fünf Jahre funktioniert. Mitte der achtziger Jahre stieg Kodak schließlich aus.
In dieser Zeit übernahm die WK Sportmanagement GmbH aus Schwäbisch Gmünd das Ruder. Geschäftsführer Wolfgang Kühne zog fortan die großen Sponsoren für Eberstadt an Land. Bei seinem Einstieg war die Situation wegen des Rückzugs von Kodak kritisch, aber nicht bedrohlich. Kühne fand mit Bitburger einen neuen Partner, mit dem die Lücke einigermaßen geschlossen werden konnte. Nebenbei überarbeitete er die Bandenwerbung und brachte alles auf einen einheitlichen Stand. Die Sponsoren fanden sich damals auf unterschiedlich großen Werbeflächen wieder, was manchen überhaupt nicht gefiel.
Inzwischen gibt es den Trägerverein „Internationales Hochsprung-Meeting Eberstadt e.V.“ mit dem Vorsitzenden Harry Brunnet, der sich professionell um neue Sponsoren kümmert. Auf der aktuellen Sponsorenliste findet sich ein bunter Reigen aus mittelständischen und großen Unternehmen mit Sitz rund um Heilbronn. Zu den Hauptsponsoren zählen das Audi Forum Neckarsulm, die Kreissparkasse Heilbronn und die Weingärtnergenossenschaft Eberstadt, die das Meeting mit jeweils 20 000 Euro unterstützen und ganzseitige Anzeigen im Heft zur Veranstaltung schalten.
Mit dabei ist auch die ebm-papst Mulfingen GmbH, die seit sechs Jahren das Meeting in Eberstadt unterstützt. Die ebm-papst Gruppe macht rund eine Mrd. Euro Umsatz, beschäftigt weltweit 10 000 Mitarbeiter und stuft sich als weltweit führender Hersteller von Ventilatoren und Motoren ein. Kai Halter, Leiter Vertriebsmarketing bei ebm-papst in Mulfingen, sieht die Unterstützung des Meetings auf der einen Seite ganz nüchtern: „Wir verkaufen aufgrund unseres Engagements für das Event in Eberstadt sicher keinen einzigen Ventilator mehr.“ Aber auf der anderen Seite sei das Meeting auch wichtig für die Region. „Wir wollen die Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken, zu der wir uns zählen, attraktiv für potentielle Arbeitskräfte machen“, betont Halter. „Die Attraktivität einer Region ist nicht nur von guten Arbeitgebern geprägt.“ Es sei auch wichtig, den Menschen ein gutes Lebensumfeld zu geben und dafür seien Veranstaltungen dieser Art notwendig.
Die Zusammenarbeit mit ebm-papst ist inzwischen Routine. Harry Brunnet schickt die Unterlagen nach Mulfingen und Kai Halter klärt mit der Geschäftsführung, ob das Meeting weiterhin unterstützt wird. Eine Woche vor dem Wettkampf werden die Logobanner für die Eberstadt Arena verschickt. Hin und wieder werden auch Kappen mit aufgedruckter Firmenschrift während des Wettkampfs verteilt und so um Aufmerksamkeit geworben. Kai Halter findet das richtig gut: „Kleiner Etat, große Wirkung. Die Besucher nehmen uns sogar mit nach Hause.“
Das Krisenjahr 2009 hat auch ebm-papst getroffen. Der Ventilator-Spezialist hatte einen Umsatzrückgang von 6,6 Prozent zu verkraften und musste seine Sponsoring-Aktivität „der schwierigen Lage anpassen“. So blieb auch Eberstadt von der Krise nicht verschont. Aber seit Dezember ist in Mulfingen wieder Wachstum angesagt, energiesparende Produkte sind gefragt in Zeiten von „Green Automation“. Und Schramm darf wieder hoffen.
Der Meeting-Macher ist jetzt 67 Jahre alt. Manchmal denkt er darüber nach, wie sein Lebenswerk einmal weitergeführt werden soll. Aber Sorgen macht er sich nicht wirklich. Es war schon immer ein Kraftakt, das Meeting Jahr für Jahr zu stemmen. Schramm: „Da konzentrierst du dich auf das Wesentliche und den Rest blendest du aus.“

Gefühlsklassiker seit 1979

So vollmundig wird das Eberstädter Hochsprungmeeting im Begleitheft zur Veranstaltung umschrieben. Ehemalige Hochsprung-Cracks wie Carlo Thränhardt können das bestätigen: „Wenn ich in den kleinen Ort hineinfahre, werde ich vom Eberstadt-Fieber geschüttelt.“ Wer noch nicht so weit ist, kann sich an den nackten Zahlen orientieren: Zwei Weltrekorde, vier Europarekorde, ein Asienrekord und 15 Landesrekorde wurden bislang auf dem kleinen Handballfeld erzielt. Der Platzrekord liegt bei 2,40 m – aufgestellt während des Meetings 1994 vom Kubaner Javier Sotomayor. Bis zum Jahr 2008 konnte Sportdirektor Peter Schramm 189 Sprünge über die 2,30 m in seiner Statistik verbuchen. Das gibt es nur in Eberstadt.
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