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Digitale Prozessketten

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Digitale Prozessketten

Elektronische Bedienungsanleitungen und Ersatzteillisten gehören im Maschinenbau zum Standard. Produktionsprozesse hingegen sind von Medienbrüchen durchsetzt. Der Cluster Manufuture-BW will nun intelligente Systeme für den Maschinenbau entwickeln.

Wie integriert man Wissen in Produktionssysteme? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Cluster Manufuture-BW aus Baden-Württemberg. Der Verein ist noch jung und hat sich anlässlich des Spitzencluster-Wettbewerbs gebildet. Das größte Hindernis für Innovationen sind die fehlenden Fachkräfte: „Es gibt einen spürbaren Ingenieurmangel“, so Martin Zagermann, Leiter der Standortentwicklung bei der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart, „und das Problem wird sich in den nächsten zehn Jahren noch verschärfen.“ Da sich die Zahl der Absolventen nicht beliebig vergrößern lässt, muss das vorhandene Wissen in die Systeme einfließen. Ziel des Clusters ist es, Unternehmen, Zulieferer und Kunden im Maschinenbau sowie Ausbildungs- und Forschungsinstitute zu vernetzen. „Dazu müssen Kompetenzen identifiziert und zusammengeführt werden.“

Der Cluster befasst sich vor allem mit der Entwicklung von durchgängigen Prozessketten: „Wir brauchen nicht nur elektronische Bauteilkataloge und Digital Prototyping, sondern auch Prozesskataloge, die die Wertschöpfungskette abbilden“, betont Siegfried Stender, verantwortlich für European Relations beim Fraunhofer-Institut Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Beispiel Werkzeugmaschinen: Die Kunden erhalten zwar digitale Daten wie Anlagenbeschreibung, Bedienungsanleitungen und Ersatzteillisten. „Doch es gibt keine Kette, keine Simulation der Produktionssysteme“, so Stender, „denn die Hersteller und Anwender leben in unterschiedlichen Systemwelten.“ Wie wichtig eine Prozessbegleitung ist, zeigt die hohe Zahl an Entwicklungsphasen, die eine Maschine durchläuft: Herstellung, Verkauf, Realisierung, Anlauf beim Kunden, Produktion, Betreuung, Instandhaltung, Optimierung, Re-fitting, Recycling und Ausmusterung.
Auch innerhalb der Produktion gibt es Synergieeffekte, die von den Firmen noch zu wenig genutzt werden. Dazu müssen die Betriebe ihren Blick für Technologien öffnen, die nicht zu ihrem Kerngeschäft gehören: „Wer 15 Metallverarbeitungsmaschinen hat, will jeden Bedarf mit Metall lösen, da ist die Sicht auf andere Werkstoffe allzu oft versperrt“, so Zagermann. Wer dagegen in einem Netzwerk mit anderen Herstellern verbunden ist, kann auch mal Aufträge jenseits seiner Kompetenzen annehmen. Eine weitere Option ist der Vorstoß in neue Branchen: „Ein Automobilzulieferer etwa könnte auch Komponenten für die Medizintechnik, Luft- und Raumfahrt oder für Windkrafträder entwickeln.“
Mittelständische Industrieunternehmen sind aber oft skeptisch gegenüber Kooperationen: „Traditionell teilen sie ihr Wissen nur ungern und würden es am liebsten in Fort Knox einlagern“, so Zagermann. Doch Open Innovation hat große Vorteile: „Die Firmen haben dann zwar einige Mitwisser, aber wenn sie dadurch ein bis zwei Jahre Entwicklungszeit einsparen, hat sich die Kooperation schon gelohnt.“
Kirsten Seegmüller Freie Journalistin in Leinfelden-Echterdingen

Der Cluster in Kürze…

Der Cluster Manufuture-BW ist ein Verein aus Unternehmen, Kompetenzzentren und öffentlichen Einrichtungen, der sich für die Entwicklung lernfähiger Maschinen und Fabriken mit hoher technischer Intelligenz einsetzt. Dank neuartiger Technologien kann menschliches Wissen in Produkte und Systeme integriert werden. Dazu wird die Produktion als ein ganzheitliches, sozio-technisches System verstanden, das den gesamten Lebenslauf von der Entwicklung bis zum Lebensende der Produkte überdeckt. Zu den Gründungsmitgliedern zählen Festo, der VDMA Baden-Württemberg, die Fraunhofer-Institute IPA und IAO, die Universitäten Stuttgart und Hohenheim, das Kompetenznetzwerk Mechatronik BW, die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart, der Virtual Dimension Center (VDC) in Fellbach und der Packaging Excellence Center (PEC) in Waiblingen. Neben der Stärkung der Aus- und Weiterbildung für Ingenieure will das Netzwerk eine Engineering-Plattform aufbauen, mit der das Wissen schnell und passgenau dorthin gebracht wird, wo ein entsprechender Bedarf besteht. Mit Hilfe von Werkzeugen oder Apps soll die Effizienz der Entwicklungsprozesse weiter gesteigert werden. Dass der Cluster gerade hier entstanden ist, hat seinen guten Grund: 27 % aller Beschäftigten im deutschen Maschinenbau arbeiten in Baden-Württemberg. Mitte 2011 wird ein Geschäftsführer ernannt.

„Wir wollen die Suche nach Kooperationspartnern erleichtern“

Nachgefragt

Was soll Ihre Engineering-Plattform leisten?
Zum einen wollen wir Transparenz schaffen, damit unsere Mitglieder sofort sehen, wer worauf spezialisiert ist und wer welche Lösungen anbietet. Und wir wollen den Mitgliedern Know-how bedarfsgerecht anbieten. Die Leistungen werden zwar kostenpflichtig sein, aber man muss nicht lange nach Projektpartnern suchen.
Sind Mittelständler bereit für den Wissenstransfer?
Das ist ganz unterschiedlich: Es gibt Firmen, die skeptisch sind, andere haben sich eine solche Plattform schon immer gewünscht. Um Open Innovation voranzutreiben, müssen die Unternehmen verstehen, dass sie viel gewinnen können, wenn sie ihr Wissen teilen.
Welche langfristigen Ziele verfolgen Sie?
Wir wollen den Standort Baden-Württemberg mit seinen gerade in der Region Stuttgart innovativen Maschinenbau-Unternehmen national und international stärken.

… und in Zahlen

Gründung: 2009
Mitglieder: 10 Gründungsmitglieder, 15 Institute, knapp 100 Unternehmen, 10 Verbände/Organisationen
Kuratoriumsvorsitz: Jürgen Fleischer
Geschäftsführer: Ernennung Mitte 2011

Die Konkurrenz ist groß

Bis September müssen die Finalisten ihre Strategien beim Spitzencluster-Wettbewerb einreichen

Zurzeit läuft die dritte Runde des Spitzencluster-Wettbewerbs, zu dem bundesweit 24 Netzwerke ihre Skizzen eingereicht haben. Bis Ende Juni stehen die Finalisten fest, die dann ihre detaillierten Strategien erarbeiten und bei der Jury einreichen müssen.
Es wird spannend: Zwei Dutzend hochkarätiger Innovationscluster haben es in die dritte Runde geschafft. Das Netzwerk Manufuture-BW, dessen Mitglieder sich eigens für diesen Wettbewerb zusammengefunden haben, hat namhafte Konkurrenten aus vielversprechenden Technologien wie etwa erneuerbare Energien und E-Mobility, die zurzeit auch politisch forciert werden. Dazu gehört etwa der Windenergie-Cluster Germanwind aus dem Nordwesten, die Electricity aus Berlin-Brandenburg oder die Metropolregion Rhein-Neckar, die an der Entwicklung und Anwendung intelligenter stationärer Energiespeichersysteme arbeitet. Auch aus der Medizin gibt es Bewerbungen – etwa Health 3.0, eine Technologie zur integrierten Prävention und Therapie aus dem Großraum Berlin-Brandenburg.
Mitbewerber kommen auch aus Baden-Württemberg – etwa das Intralogistik-Netzwerk (Seite 29), E-Mobil BW der Region Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Ulm sowie das Leichtbauzentrum Baden-Württemberg, mit seinem Projekt zum systemeffizienten hybriden Leichtbau. Der klassische Konkurrent Bayern trumpft mit carbonfaserverstärkten Kunststoffen, Business-Apps für mobile Geschäftsprozesse und dem Automation Valley Nordbayern auf. Siegfried Stender, Abteilungsleiter Unternehmensmanagement beim Fraunhofer-IPA, ist jedoch optimistisch: „Angesichts des Fachkräftemangels müssen wir mehr ins Engineering investieren.“
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