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Drehstromantriebe bringen verbrauchte Energie sofort zurück

Flurförderzeuge: Niedrigere Betriebskosten und höhere Leistung durch Asynchronmotoren
Drehstromantriebe bringen verbrauchte Energie sofort zurück

Drehstromantriebe sind einfach aufgebaut, enthalten weniger Verschleißteile und arbeiten daher zuverlässiger sowie kostengünstiger als Gleichstrommotoren. Dass sie sich als Antriebe von Flurförderzeugen verzögert durchsetzen, liegt am Preis der erforderlichen Elektronik. Doch jetzt rechnet sich die Technik.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Preuß

Schaun Sie mal“, gibt Franco Parisi mit seinem neuen Dreirad-Stapler an, „der vollführt Pirouetten auf der Stelle.“ Er schlägt das Lenkrad nach links und gibt wieder Gas. Jetzt dreht er sich anders herum. Sichtlich Spaß macht ihm das, obwohl er dafür eigentlich nicht bezahlt wird. Aber der Fahrer muss sein neues Gefährt erst genau kennen lernen. „Sogar Stufen soll man damit hochfahren können“, sagt Franco, „aber ich weiß noch nicht, wozu das gut ist.“
Was sich anhört wie Spielerei, ist sinnvoll auf unebenen Fahrstrecken, wenn die Ladung sicher übergeben werden soll. Die Geschwindigkeit regelt der Fahrer über das Gaspedal – ganz ohne mechanische Bremse. Denn der Stapler hängt sozusagen am Gas. Nimmt der Fahrer den Fuß vom Pedal, bremst das Fahrzeug verschleißfrei über den Motor. Auf diese Weise lassen sich Rampen sicher anfahren und auch Gefällestrecken kontrolliert bewältigen.
Franco Parisi sitzt auf einem Bingo, dem neuen Gegengewichtsstapler des italienischen Herstellers Montini. Angetrieben wird das Fahrzeug von zwei 3,8-kW-Asynchronmotoren. Auch die Hubhydraulik wird von einem Drehstrommotor versorgt, der allerdings 11 kW leistet und eine angeflanschte Pumpe besitzt. Einer der Clous des Drehstromantriebs ist, dass selbst bei Stillstand auf den Antriebsrädern ein Drehmoment anliegt, „so dass man den Stapler sogar auf dem Scheitelpunkt einer Stufe anhalten kann“, wie Werner Bundscherer, Exportleiter bei der ABM Greiffenberger Antriebstechnik GmbH in Marktredwitz, versichert. Das Unternehmen liefert die Motoren für die Montini-Stapler.
Wie Montini setzen mittlerweile fast alle namhaften Staplerhersteller bei ihren Elektrofahrzeugen auf Drehstrom. Auf der Hannover Messe Cemat im März waren sich die Anbieter einig: Dem Drehstrom gehört die Zukunft. Günter Tronich, Geschäftsführer Vertrieb und After Sales der Steinbock Boss GmbH Fördertechnik in Moosburg, bringt die Gründe dafür auf den Punkt: „Mit Drehstrom erzielen die Fahrer höhere Umschlagleistungen, und das Management freut sich über erheblich reduzierte Service- und Wartungskosten bei geringerem Energieeinsatz.“
Steinbock Boss sieht sich als Vorreiter bei dieser Antriebsart, hat schon seit über fünf Jahren Erfahrung damit. „Inzwischen setzen wir in allen Gerätefamilien auf Drehstrom“, sagt Tronich, „und zwar zum Fahren, Heben und Lenken.“ Auch die Hamburger Konzernmutter Jungheinrich AG forciert den Drehstrom.
Dass sich die Antriebe erst in den letzten Jahren durchsetzen, liegt vor allem am Preis. „Die Drehstrommotoren selbst sind zwar im Einkauf günstiger“, erklärt Günter Tronich, „denn fast alle Industrieantriebe arbeiten mit dieser Technik. Der Nachteil ist nur“, räumt der Fachmann ein, „dass die Steuerungen teurer sind als die Gleichstrom-Äquivalente.“ Bei 80-V-Geräten für beispielsweise 60 000 DM machte das nur 10 bis 12 % des Preises aus. Bei 1,5-t-Frontstaplern für 35 000 oder 40 000 DM aber schlug sich die Differenz prozentual erheblich stärker nieder.
„Mittlerweile sind die Preise für das Plus an Leistung massiv gesunken“, schildert Tronich die Marktentwicklung. „Bei Vierrad-Staplern ist der Unterschied schon heute kaum mehr spürbar.“ Bei Elektro-Dreiradstaplern mit Zwei-Motoren-Antrieb mache sich die Differenz deutlicher bemerkbar. Der Grund: Bei dieser Fahrzeugkonzeption würde eine Steuerbox mehr benötigt. Ansonsten könnte sich auch Franco Parisi nicht auf der Stelle drehen.
Einen Elektro-Vierrad-Stapler mit Gleichstrom und 80 V hat Steinbock Boss noch im Programm, aber auch der soll zum Jahreswechsel ersetzt werden. In der 48-V-Klasse fahren die Moosburger zunächst weiterhin zweigleisig, aber auch da ist die Differenz kein Drama mehr: Die drehstromgetriebenen Varianten kosten nur noch rund 4000 DM mehr.
Die Steuerungselektronik der Fahrzeuge wandelt den Gleichstrom der Batterie mit Hilfe eines Frequenzumrichters in Wechselstrom mit veränderbarer Frequenz um. Die beiden Drehstromsysteme zur Versorgung der Fahrmotoren in dem Dreirad-Stapler von Montini etwa sind so gesteuert, dass nicht nur das Differenzial durch die Elektronik ersetzt wird. Auch das Pirouetten-Drehen im Gegenschub wird auf diese Weise möglich.
Ein weiteres Plus ist die Umschlagleistung. Drehstrommotoren liefern ihr maximales Drehmoment schon von Null an über einen weiten Drehzahlbereich. „Der Anwender bringt damit das Fahrzeug auch auf kurzen Strecken locker auf Höchstgeschwindigkeit“, sagt ABM-Mitarbeiter Bundscherer.
Bei der neuen Elektro-Vierradstapler-Reihe KE von Steinbock Boss beispielsweise liegen die Fahr-, Hub- und Beschleunigungsdaten laut Hersteller um 10 bis 15 % über denen der Gleichstromversion. Mit 17 km/h und einer Hubgeschwindigkeit von 0,5 m/s unter Volllast erreichen die Fahrzeuge Umschlagleistungen wie verbrennungsmotorische Stapler.
Asynchronmotoren zeichnen sich gegenüber Gleichstromantrieben durch eine höhere Ausbeute bei der Rückspeisung der Energie, die beim Bremsen und Senken gewonnen wird, in die Batterie aus. „Dadurch steigt die Betriebszeit bei gleichem Lastzyklus um 25 bis 30 Prozent“, erklärt Werner Bundscherer.
Günter Tronich schlägt in die gleiche Bresche: „Früher reichte eine Batterieladung, je nach Härte des Einsatzes, im Schnitt eine Schicht aus.“ Mit heutigen Drehstromfahrzeugen dagegen könne man die acht Stunden – die gleiche Batteriekapazität vorausgesetzt – auf alle Fälle voll durchfahren. Je nach Einsatzkategorie sogar länger.
„Allein beim regenerativen Abbremsen gewinnen wir etwa 15 Prozent Energie zurück“, führt Tronich weiter aus. Und die Schmalgangstapler, die in großer Höhe arbeiten, speisen auch durch regeneratives Absenken von Last und Kabine Strom in die Batterie zurück. „Aus dem gesamten Energiemanagement-System dieses Flurförderzeug-Typs“, so der Geschäftsführer, „ergeben sich 23 bis 39 Prozent Energieeinsparung.“ Dabei würden die Lagerspiele um 7 bis 14 % schneller, abhängig von der Länge der Fahrstrecke und der Hubhöhe.
Auch bei der Instandhaltung gehen Kosten und Risiken zurück. Man brauche keine Kohlebürsten zu wechseln und kriege auch keinen Motorschaden mehr durch verbrannte Kollektoren. „Das ist ein latentes Risiko beim Gleichstromer, wenn das Fahrzeug nicht richtig gewartet und die Kohlen dementsprechend nicht gewechselt werden“, weiß Tronich. Beim Drehstromer hingegen wird das erforderliche Magnetfeld elektronisch erzeugt, der Strom im Motor berührungslos übertragen. Daher verschleißen die beiden Bauteile nicht, und es entsteht kein Schmutz durch Graphitabrieb. Außerdem wirken Kohlebürsten und Kollektoren bei niedriger Geschwindigkeit als elektrischer Widerstand – und verbrauchen so Energie. Auch die bei konventionellen Staplern mit Reihenschlusstechnik üblichen Schütze für die Fahrtrichtungsumkehr und die damit verbundene Verkabelung erübrigen sich. Der Fahrer darf also noch im Rollen in die andere Richtung schalten. Schon am Beispiel des Bürstenwechsels zeige sich, dass der Weg, auf Drehstrom umzusteigen, der richtige sei, rechnet Günter Tronich vor. „Ein paar Stunden Arbeit plus Material und Anfahrt – da kommen leicht 500 oder 1000 Mark zusammen.“
Zudem erspart ein AC-Antrieb auch dem Konstrukteur Ärger und Kosten. Während ein Gleichstrommotor mit seiner Luftkühlung und der Zwangsöffnung für den Kohlenstaub im Freien einen Wetterschutz benötigt, lässt sich sein Drehstrom-Bruder mit geschlossenem Gehäuse in Schutzart IP 54 auslegen. Damit ist er gegen Staub und Spritzwasser geschützt.
ABM Greiffenberger verwendet zu diesem Zweck bei ihren AC-Motoren ein Strangpressprofil aus nahezu kupferfreiem Aluminium. „Neben der geforderten Schutzart“, so Bundscherer, „wird der Motor dadurch sehr korrosionsfest.“ Das mache den Einsatz des Fahrzeugs auch in aggressiven Umgebungen möglich, wie in der chemischen Industrie oder in nasser und staubiger Umgebung.
Was den Außeneinsatz angeht, so liegt hier immer noch die Domäne der verbrennungsmotorisch angetriebenen Stapler. Die Still GmbH in Hamburg aber nutzt auch in ihren Dieselfahrzeugen die Vorteile des Drehstromantriebs: Bei den neuen 2,0-, 2,5- und 3,0-t-Staplern der Reihe R 70-20/30 ist der Verbrennungsmotor mit einem außenbelüfteten Generator verbunden, der Drehstrom erzeugt. Dieser treibt die Achse elektrisch an, wie es bei Schiffen oder Lokomotiven der Fall ist. Dadurch werden die Fahrzeuge viel wartungsfreundlicher, ohne beispielsweise auf hohe Zugkräfte und Steigfähigkeit zu verzichten. „Richtige“ Drehstromstapler bieten die Hanseaten mit der Baureihe R 60 I mit Tragfähigkeiten von 1,6 bis 2,0 t übrigens auch an.
Batterien halten volle Acht-Stunden-Schicht ohne Wechsel durch
Nach Ansicht Günter Tronichs werden sich die Verbrenner noch lange Zeit behaupten: „Die können einfach aufgetankt werden und sind wieder fahrbereit.“ Bei Staplern mit E-Motoren-Antrieb dagegen benötigt man im Mehrschichtbetrieb entweder eine zweite Batterie oder eben die Zeit für den Ladevorgang.
Mit dem Vierrad-Drehstromstapler PE-D immerhin „müssen wir die Batterien jetzt während der Schichten nicht mehr laden“, wie Anton Bauer sagt. Er ist Leiter Konstruktion und Entwicklung bei der Gust. Alberts GmbH & Co. KG in Herscheid, Südwestfalen. Der Metallwarenhersteller hat vor kurzem seine Gleichstrom-Elektrofahrzeuge durch Drehstromstapler von Steinbock Boss ersetzt. Verbrenner schieden ohnehin aus, weil sie nicht so leise sind und in geschlossenen Hallen nur mit Katalysator und Rußfilter betrieben werden dürfen. „Allein der Aufwand mit den Filtern“, begründet Bauer, „dauerte länger als ein Batteriewechsel.“ Zudem lassen sich die Leistungsprofile individuell programmieren und auf das Fahrerkönnen oder den Einsatzzweck abstimmen.
Allgemein finden Drehstromstapler ihre Einsatzorte bislang eher im Innenbereich. Das gilt besonders für die 80-V-Klasse. Dazu zählen Hochleistungsmaschinen wie die erwähnten Elektro-Vierradstapler, Systemgeräte, Hochregal- oder sonstige Kommissionierstapler. Vor allem Firmen, die ihre Stapler rund um die Uhr im Einsatz haben, kommen nach Ansicht Günter Tronichs nicht am Drehstrom vorbei. „Bei kleineren Handwerksbetrieben aber“, schränkt er ein, „die das Fahrzeug vielleicht nur eine Stunde am Tag benötigen, sieht die Kalkulation anders aus. Hier schlägt beim Return-on-Investment der niedrigere Einkaufspreis voll zu Buche.“ Deshalb ließe der Siegeszug der Asynchronmotoren in diesen Betrieben noch etwas auf sich warten.
Industrieanzeiger
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