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Schub für additive Kunststoffteile

Additive Manufacturing von Kunststoffteilen
Drucker-Anbieter haben sehr viel vor

Im Schatten des Metalldrucks bereiten die Anbieter von Kunststoff-Systemen die Revolution vor: die additive Serienfertigung in großem Stil. Auf der Fachmesse Formnext 2018 präsentierten sie dazu ihre Masterpläne und ehrgeizige neue Technologien.

Olaf Stauß

Das Erstaunlichste an den 3D-Printern der neuen „HP Jet Fusion 500/300 Series“ ist nicht zuerst ihr Leistungsprofil, sondern wie sie hergestellt werden. 140 Bauteile dieser Geräte sind selbst additiv gefertigt. Sie werden produziert durch die „HP Multi Jet Fusion technology“, die HP vor drei Jahren auf den Markt brachte. So stand es auf der Formnext 2018 über der Vitrine zu lesen, die eine Auswahl dieser Kunststoffteile zur Schau stellte. Die neu vorgestellten 3D-Drucker ergänzen die Industriegeräte (auf denen ihre eigenen Maschinenteile produziert werden) um kleinere, kostengünstigere Varianten, etwa für die Arbeit im Entwicklungsbüro. Ein toller Marketing-Gag?

Die HP-Mitarbeiterin, die über den Messestand führt, winkt ab. „Nein, kein Marketing-Gag. Wir produzieren die Teile additiv, weil es Sinn macht.“ Die Konstrukteure hätten sämtlichen Nutzen eingebaut, die generatives Design biete: Zum Beispiel das Integrieren von Funktionen, um die Teilezahl zu senken und so die Zuliefer-, Montage- und Logistikaufwände zu minimieren. Als nächsten Schritt werde HP seinen Ersatzteil-Service auf die additive Fertigung umstellen.

Tatsächlich führte HP die „Multi Jet Fusion“ vor drei Jahren mit dem erklärten Ziel ein, die additive Serienproduktion von Kunststoffteilen in Schwung zu bringen. Der Prozess sei 10-mal schneller und halb so teuer wie das Lasersintern, hieß es von Anfang an. Bei dem Multijet-Verfahren versprühen Tintenstrahlköpfe zweierlei Reagenzien: das erste reagiert mit dem Kunststoffpulver exotherm, dort wo das Kunststoffpulver unter Infrarotstrahlung verschmelzen soll, das zweite sorgt für Randschärfe, indem es diesen Prozess stoppt.

Die auf der Inkjet-Technik basierenden 3D-Produktionssysteme sind zu einem fixen Preis als unveränderliche Konstruktion zu haben. HP hatte mit PA12 als Werkstoff begonnen, gestaltete den Prozess aber so offen, dass Kunststoff-Hersteller dafür eigene Kunststoffe entwickeln und qualifizieren können. Aktuell ist zum Beispiel PA11 hinzugekommen.

Auf der Formnext 2018 konnte HP bereits Erfolge auf dem Weg zum großen Ziel vermelden. BMW setzt die große Gerätelösung HP Jet Fusion 4200 zum Beispiel ein, um die Fensterführungsschiene für den BMW i8 Roadster als End-Bauteil zu produzieren. „Wir sind stolz darauf, dass wir in den letzten zehn Jahren mehr als eine Million Bauteile per 3D-Druck produziert haben – eine der Fensterführungsschienen ist das millionste gedruckte Teil“, wird Dr. Dominik Rietzel zitiert, Head of Non-Metal Additive Manufacturing. „Komplexe Bauteile, die … geringen Platzbedarf erfordern, sind ein perfektes Beispiel für die Leistungsfähigkeit der additiven Fertigung.“

Auch andere arbeiten am Serienprozess. Voxeljet bietet für sein vor einem Jahr vorgestelltes „High Speed Sintering“ (HSS) jetzt die Anlage VX200HSS als Einstiegsmaschine an. HSS sei um mindestens 50 % schneller als das Lasersintern und habe das Zeug, noch schneller zu werden. Damit ist der Voxeljet-Prozess langsamer als das ähnliche HP-Verfahren, bietet jedoch andere Vorteile, die für die Serienproduktion wichtig sind. Per Inkjet wird nur ein einziges Reagenz versprüht, „was sich äußerst positiv auf die laufenden Kosten auswirkt“. Es ist eine Infrarot-absorbierende Tinte – eine Art ölbasierte Farbe, die Wärme aufnimmt.

Voxeljet bezeichnet HSS außerdem als System „mit nie dagewesenen Open-Source-Möglichkeiten“, das ein sehr variables Temperaturmanagement biete und eine große Materialvielfalt eröffne. „Unsere Maschine lässt sich an das Material anpassen, nicht umgekehrt“, betont Tobias King, Director Application & Marketing. Damit meint er die Materialien von Kunden. Dr. Sylvia Monsheimer, Leiterin des Bereichs 3D Printing bei Evonik, bezieht sich darauf: „Wir wollen verschiedene Materialien mit unserer VX200 verarbeiten: von PA 12 und PA 613 bis hin zu PEBA.“ Voxeljet will bis Ende 2019 größere, für die Massenproduktion konzipierte Anlagen anbieten können.

Stratasys bläst ins gleiche Horn. Um Additive Manufacturing (AM) nach vorne zu bringen, kündigte Executive Vice President Andy Middleton in Frankfurt neue Verfahren mit niedrigeren Kosten und höherem Durchsatz an – zum Beispiel auch ein neues High Speed Sintering. Der Hintergrund: Im Juli hatte der tradtionsreiche 3D-Drucker-Hersteller bekannt gegeben, in die von Xaar ausgegründete Xaar 3D Ltd. zu investieren. Das junge Unternehmen hat seine Entwicklungsschwerpunkte bei neuen HSS-Technologien.

Geschwindigkeit und Durchsatz sind gefragt für AM. Neuere Verfahren gehen in die Offensive und fordern das Lasersintern heraus. Vielleicht um gegenzuhalten, hob EOS die Finger und kündigte auf der Messe eine Technologie für Kunststoffteile an, die erst 2021 als AM-System verfügbar sein soll: die „LaserProFusion“. Sie soll bis zu 10-mal schneller sein als das heutige Lasersintern. Es fährt nicht mehr nur ein CO2-Laser das Baufeld ab, sondern bis zu eine Million Diodenlaser kommen zum Einsatz. Pixelgenau würden sie dort aktiviert, wo Pulver aufgeschmolzen werden soll, heißt es. Die Belichtungszeit verkürzt sich massiv. „Ich glaube, mit dieser Technologie wird AM in vielen Fällen den Spritzguss ablösen“, sagte CTO Dr. Tobias Abeln.

Doch auch vonseiten des Lasersinterns selbst wird EOS angegriffen. LSS Laser-Sinter-Service, ein kleines Unternehmen mit Erfahrung beim Maschinenservice, bringt mit der Raptor 84X-Q eine eigene Anlage auf den Markt. Sie sei als „weltweit erste“ Polymer-Lasersinterplattform mit Vierfach-Laser/Scanner-System ausgestattet. Mit 800x400x480 mm³ ist der Bauraum recht groß – auch dies bringt Produktivität.

Anbieter von Filament-Druckern (FFF) führen die Offenheit ihrer Systeme ins Feld. „Es geht um die Freiheit der Werkstoffwahl“, sagte Paul Heiden, Vice President beim niederländischen Hersteller Ultimaker. „Im Markt gibt es vielleicht schon 100 Werkstoffe für Ultimaker-Printer, die wir selbst nicht kennen.“ Der Umgang mit den Materialien soll noch einfacher werden. Damit der Anwender mit „seinem“ Kunststoff schnell und einfach produzieren kann, hat Ultimaker mit großen Lieferanten vereinbart, „Materialdruckprofile“ zu erarbeiten. Sie lassen sich gratis downloaden und befreien den User von der manuellen Eingabe von Druckparametern. Auf der Ultimaker-Pressekonferenz präsentierten BASF, Clariant, DSM, DuPont und Owens Corning diejenigen FFF-Werkstoffe, für die sie das Druckprofil bereits verfügbar haben. Eine Reihe weiterer Anbieter werde „in Kürze“ folgen, hieß es auf der Messe.

Wettbewerber German RepRap betont nicht nur seinerseits die „Open Material Platform“ seiner FFF-Systeme und ihrer Werkstoffvielfalt, sondern bietet darüber hinaus ein neues Flüssigsilikon-System an – mehr dazu hier. Es soll additive Bauteile mit Spritzguss-Eigenschaften produzieren können.

Nicht zuletzt gibt es eine neue Technologie, die den FFF-Print schon heute um den Faktor 10 beschleunigt. Das US-Unternehmen Essentium nennt sie „High Speed Extrusion“ (HSE) und will das dafür konzipierte Drucksystem „HSE 180-S Plattform“ nächstes Jahr ausliefen. Mechanisch sollen die Teile Spritzguss-Eigenschaften haben. Das Besondere an dem Prozess ist die „FlashFuse“-Technologie: Eine Plasma-Quelle schickt Strom in die mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen angereicherten Co-Extrusions-Filamente. Durch den Strom verschweißen die aufgebrachten Schichten zum festen Verbund. Für die eigentliche High Speed sorgt ein dynamisches Maschinensystem (ausgestattet beispielsweise mit Linearmotoren) – dessen Realisierung vermutlich im engen Zusammenhang mit den Möglichkeiten des FlashFuse-Printprozesses steht.

Große Unternehmen trauen der High Speed Extrusion von Essentium viel zu. BASF und Materialise gaben auf der Formnext bekannt, in das US-Unternehmen zu investieren. Die Partner wollen gemeinsam Systemlösungen entwickeln, um das Potenzial der HSE „optimal ausschöpfen zu können“.


Der neue Freeformer 300-3X verfügt über bis zu drei Austragseinheiten und eine zweigeteilte Bauraumtür. Die Materialbehälter lassen sich im laufenden Betrieb nachfüllen. Bild: Arburg

Arburg präsentiert 3-Komponenten-Drucker

Der auf der Formnext vorgestellte Freeformer 300-3X ist die nunmehr größte Anlage für das Arburg Kunststoff-Freiformen (AKF). Sie kann drei Komponenten gleichzeitig verarbeiten. Damit lassen sich Funktionsbauteile in belastbarer Hart-Weich-Verbindung mit (wasserlöslicher) Stützstruktur drucken. Technik-Chef Heinz Gaub legte Wert auf die Feststellung, dass es sich dabei um eine Produktionsmaschine handele, die in die Fertigung eingebettet und automatisiert werden könne. Der Bauraum misst 234 x 134 x 230 mm³. Erhältlich soll das Gerät ab Frühjahr 2019 sein.

Ein Kennzeichen des AKF-Prozesses ist, dass sich Standard-Spritzgießgranulat verwenden lässt. Zuvor muss es dafür qualifiziert werden. Das Ergebnis sind vordefinierte Prozesseinstellungen. Zu den bisherigen Referenzmaterialien gehören beispielsweise ABS, PA10, PC, TPE-U und PP von unterschiedlichen Anbietern. Sehr gefragt sei das offene System in der Medizintechnik, sagte Gaub auf der Messe, zum Beispiel für Orthesen und Implantate aus Originalmaterial. Vorserienteile für Spritzgussteile sind eine weitere typische Anwendung.

Um den Einstieg in das AKF zu erleichtern, hat Arburg sich außerdem ein Mietmodell für den kleineren, bereits bewährten Freeformer 200-3X einfallen lassen. Das „All-in Package“ gilt für ein Jahr und schließt diverse Leistungen ein. Dazu gehören das Anfertigen eines Benchmarkteils, anwendungstechnische Betreuung, Schulungen und bei Bedarf bis zu zehn Manntage Unterstützung durch einen AKF-Experten. Beim späteren Kauf wird die Miete angerechnet.

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