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Durch Simulation früher Fehler finden

entwicklung: Fabriken und Produkte im Rechner formen
Durch Simulation früher Fehler finden

Neue Produkte oder Produktionen werden immer häufiger im Computer simuliert. 3D-Modelle berechnen die optimale Maschinenanordnung, die Machbarkeit eines Produktes oder die Rückenbelastung eines Montagearbeiters.

Praktisch aus dem Nichts musste das Motorenwerk der Siemens Electrical Drives Ltd. (SEDL) im chinesischen Tianjin in nur zweieinhalb Jahren geplant und erbaut werden. Einen solchen Produktionsstandort konstruiert man nicht mal eben auf dem Reißbrett.

Angesichts der Größe des Unterfangens wurde die Abteilung Production Processes (PP) von Siemens Corporate Technology (CT) in München eingeschaltet. Deren Spezialität ist es, Fabriken dreidimensional im Computer entstehen zu lassen. Noch ehe Bagger anrücken, gleiten bereits Bauteile auf fertigen Fließbändern durch das virtuelle Bild. Das Ziel ist klar: Je detaillierter und realistischer man eine Fabrik in der Planungsphase abbilden kann, desto früher lassen sich Fehler erkennen und vermeiden.
Der Schlüssel zur digitalen Fabrik ist zweifelsohne auch das digitale Produkt. „In einer intensiven Verzahnung dieser beiden Prozessblöcke liegen noch große Potenziale“, betont Dr. Albert Gilg, Leiter des Kompetenzzentrums für virtuelles Design bei CT, „denn das Produktdesign entscheidet letztlich darüber, ob man sich Hürden schafft oder die Effizienz der Fertigung verbessert.“
Die Designdaten sind der Startpunkt für die intensive Analyse der künftigen Produktion. Ermittelt wird, welche Produktionsschritte nötig sind, welche Arbeitsplätze man dafür braucht, wie das Layout der Fabrik auszusehen hat und mit welchen Arbeitsplätzen die Produktion gefahren wird. Die Kunst der Simulation besteht vor allem darin, einzuschätzen, an welcher Stelle detaillierte Informationen überhaupt nötig sind. „Es ist ein Anfängerfehler zu versuchen, die Realität 1:1 abzubilden“, sagen die Experten. Und es ist unwirtschaftlich, weil viel zu aufwändig und zu teuer. Den richtigen Grad der Abstraktion zu finden, ist Erfolgs entscheidend. Man muss bei einer Materialfluss-Simulation zur Layoutbestimmung nicht bis in die letzte Schraube simulieren, bei der Simulation einer komplexen Montage allerdings schon.
Für die Fertigung eines neuen Automobil-Cockpits sollten Fertigungszellen en detail dargestellt werden, um die Ergonomie der Arbeitsplätze zu simulieren. CT setzte dafür Software der Firma UGS ein, die nun als Siemens PLM Software (A&D PL) Teil des Bereichs Automation and Drives (A&D) ist. Mit Hilfe standardisierter Kennwerte erfasst diese Software Größe und Statur des Arbeiters oder auch die Wiederholungszahl seiner Bewegungen. So konnten die Arbeitsplätze optimiert werden – etwa die Höhe der Werkbank oder die Reichweite der Arme. Auch Volkswagen hat dies erkannt und eigens dafür einen Ergonomie-Beauftragten installiert, der bei Arbeitsplatz-Planung von der Software-Lösung Delmia von Dassault Systèmes unterstützt wird.
Das virtuelle Welt und Realität immer stärker verschmelzen, zeigen A&D-Forscher an einer Abfüllanlage für Flaschen. Sie haben einen Roboter aufgebaut, der einzelne Flaschen im Vorbeifahren greift und sie der Qualitätskontrolle übergibt. Nach erfolgter Prüfung werden sie wieder millimetergenau in den Strom vorbeiziehender Flaschen eingefügt. Die Entwickler haben den virtuellen Roboter passgenau am Bildschirm in die reale Anlage eingefügt. Verschraubungen, Abmessungen und die Strom-Anschlüsse, die Datenkommunikation oder die benötigte Druckluft wurden vor der Realisierung verifiziert. Sogar die Betriebsparameter des Roboters spielten die Forscher vorab in einer Echtzeit-Simulation durch.
Trotz der Leistungsfähigkeit der Anlagensimulation besteht aber weiterer Optimierungsbedarf – insbesondere was die Durchgängigkeit des Planungsprozesses betrifft. Denn die Daten der gesamten Prozesskette wandern keineswegs nahtlos vom ersten Designentwurf bis zum vollständigen Fabrikmodell. Häufig müssen sie per Hand von einem Programm in das nächste übertragen werden. Von der 3D-Zeichnung in die Visualisierungs-Software oder aus dem virtuellen Modell in die Sprache der computergesteuerten CNC-Fräsmaschine. „Es gilt, die Brüche zu überwinden und den Transport der Daten vom Anfang bis zum Ende zu automatisieren“, sagt Projektleiter Bernd Opgenoorth.
Dass Produkte als wirklichkeitsnahes 3D-Modell über den Computerbildschirm tanzen, ist freilich nicht neu. Das Computer Aided Design (CAD) zum Beispiel, der computerunterstützte Entwurf, ist längst Werkzeug einer jeden Konstruktionsabteilung. Und auch die Simulation mancher Strömungen oder akustischer Schwingungen ist Stand der Technik. „Unsere Leistung besteht darin, dass wir all diese virtuellen Modellierungs- und Simulationswerkzeuge zu einem integrierten Ansatz verknüpft haben“, sagt Bernd Friedrich, Leiter des Kompetenzfeldes Virtual Product. Schwerpunkt seiner Arbeit ist die mechatronische Systementwicklung, bei der die mechanischen Komponenten sowie die elektronische Steuerungs- und Regeltechnik parallel entworfen und zusammengefügt werden. „Fine“ – Functional and Integrated Engineering of Mechatronical Systems – nennen die Münchener diese virtuelle Entwurfs-Methode. Sämtliche mechatronischen Komponenten werden mit Fine gleichzeitig entwickelt. An diesem virtuellen Modell arbeiten Maschinenbau-, Elektro- und Software-Ingenieure Hand in Hand. So wird schnell klar, ob Motor und Steuerung tatsächlich zusammenpassen. Friedrich: „Früher wurde erst die Mechanik gebaut, dann die Elektronik hinzugefügt und ganz zum Schluss die Steuerung auf der fertigen Hardware getestet – doch dieser Ansatz ist längst zu langsam.“ Insbesondere, weil Fehler, wie ein dynamisch zu schwach ausgelegter Motor oder eine zu träge Regelung, häufig erst im Zusammenspiel aller Komponenten und damit zu spät erkannt wurden. „Oftmals wurden mehrere Prototypen gebaut und getestet, ehe der produktreife Entwurf vorlag.“ Beim neuen parallelen, so genannten Concurrent Engineering hingegen arbeiten von Anfang an alle Disziplinen zusammen, sodass bereits ein voll funktionsfähiges Produktmodell im Rechner vorliegt. So lassen sich am Computer verschiedene Varianten durchspielen. Selbst kurz vor Ende der Entwicklung kann man noch Kundenwünsche berücksichtigen. „Die Entwicklung wird damit um bis zu ein Drittel schneller“, sagt Friedrich. „Ganz gleich, ob Autokomponenten oder ganze Kraftwerke – neue Produkte kommen immer schneller auf den Markt. Da ist die Verkürzung der Time-to-Market essenziell für den Verkaufserfolg.“

gLOBAL
Kopplung von Wirklichkeit und Simulation: Die Planung und Konstruktion technisch anspruchsvoller Produkte in auf der Welt verteilten Werken war bisher ein langwieriger Prozess. Siemens setzt daher künftig auf die digitale Produktentwicklung. Dabei werden alle Schritte von der ersten Modellzeichnung bis zu den Prototypen in der virtuellen Welt geplant. Das erleichtert die internationale Abstimmung und verkürzt den Entwicklungsprozess.
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